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Mit Lametta abgespeist?

Strammstehen am 22. Mai: Verteidigungsminister fordert "Veteranentag". Doch an Sozialleistungen kommen Kriegsbeschädigte keineswegs schnell und unbürokratisch

Von Frank Brendle *

Von den USA lernen heißt siegen lernen, jedenfalls an der Heimatfront. Das hofft Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU), der mit einem »Veteranentag« der Gesellschaft wieder den nötigen Respekt vor ihren ehemaligen Soldaten einbläuen will. Die Inspiration hierfür hatte er sich bereits im Februar bei einem Staatsbesuch in den USA geholt, wo ihn die soldatenfreundliche Stimmung schwer beeindruckte.

Militärparaden mit Konfetti sieht das Diskussionspapier, das der Minister Anfang der Woche vorlegte, zwar nicht vor. Als Hauptzweck der Veteranenpolitik nennt es, »die gesellschaftliche Würdigung der Leistungen aller Veteranen der Bundeswehr zu fördern und zu erhöhen«. Nach dem Wegfall der Wehrpflicht sei es vonnöten, »die Bande zwischen Bundeswehr und Gesellschaft auch künftig belastbar und lebendig zu erhalten«, so de Maizière. Der Ehrentag solle »Impuls sein für die Anerkennung des Dienstes der Veteranen durch die Bürger.« Die wird den »Helden« von Kundus nämlich, anders als weiland jenen der Schlacht im französischen Sedan 1870, kaum entgegengebracht. Seine ursprüngliche Idee, den Veteranentag mit dem Volkstrauertag zu verknüpfen, hat der Minister wieder aufgegeben. Der 22. Mai soll es nun sein, weil an diesem Tag 1956 die »wehrverfassungsrechtlichen Grundlagen« der Bundeswehr in Kraft traten.

So klar die Absicht ist, das »freundliche Desinteresse« der Bevölkerung am Militär in freudige Unterstützung zu verwandeln, so ratlos zeigt sich das Papier im Konkreten: Für den Veteranentag ist eine »offizielle Geste der Anerkennung« vorgesehen, ansonsten ist vage die Rede von »Veteranenheimen«, von Abzeichen, die an Uniform oder Zivilanzug zu tragen seien, auch Ehemaligentreffen und ein »Sonderbeauftragter für Veteranen« werden angesprochen. Der Koalitionspartner FDP ist da nur unwesentlich weiter und fordert in einem eigenen Papier eine »Veteranenkarte«, die Vergünstigungen etwa für Museums- und Theaterbesuche vorsieht. Bis zum Herbst will de Maizière ein Konzept vorlegen und definieren, wer sich überhaupt Veteran nennen darf: ob nur Soldaten mit »Einsatzerfahrung« oder sämtliche ehemaligen Angehörigen der Streitkräfte. Des Ministers Hinweis, bisher seien 300000 Einsatzbefehle ins Ausland ergangen, deutet seine Präferenz für die die erste Option an.

Eines stellt de Maizière klar: Mehr als einen warmen Händedruck haben die Veteranen nicht zu erwarten. Die Sozialleistungen für sie seien »bereits auf hohem Niveau gewährleistet« und könnten allenfalls noch effektiver verwaltet werden. An der Beschränkung aufs rein Plakative entzündet sich denn auch Kritik von Soldaten. In Internetforen schildern sie, daß Sozialleistungen meist nur auf dem Klageweg durchzusetzen seien. Erinnert wird auch an Soldaten, die an Radargeräten verstrahlt wurden und ohne Entschädigung blieben. Nun solle man mit »Blechkrempel wie Ehrenzeichen« abgespeist werden und zwischen Weltschildkrötentag (23. Mai) und dem »Welttag der kulturellen Vielfalt für Dialog und Entwicklung« (21. Mai) eine »ähnlich bedeutungslose« Veranstaltung abkriegen.

Die Oppositionsparteien reagieren bislang skeptisch bis ablehnend: SPD-Politiker Rainer Arnold gibt zu bedenken, ein Gedenktag wie viele andere werde dem Thema nicht gerecht. Für die Linksfraktion lehnte es Paul Schäfer ab, »die Anerkennung für den persönlichen Einsatz von Soldaten in allgemeine Akzeptanz für Kampfeinsätze und Kriegführung« umzumünzen. »Wir brauchen Tage der Kriegsverweigerung und nicht Tage der Huldigung des Militarismus«, kommentierte DFG-VK-Geschäftsführer Monty Schädel. Die Friedensbewegung kämpft dieser Tage mit den Ostermärschen gewissermaßen auf der anderen Seite der Heimatfront.

* Aus: junge Welt, Samstag, 7. April 2012


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