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Neues Gewand für den Krieg

Von Christian Klemm *

Tranformation. Dieser Begriff hat für die Bundeswehr eine ganz spezielle Bedeutung. Als das Bundesverfassungsgericht 1994 internationale »Friedensmissionen« der Bundeswehr für verfassungsgemäß erklärt hat, brach eine neue Zeitrechnung für diese an: War sie - wie in Artikel 87a des Grundgesetzes ausdrücklich betont - bis dahin eine Verteidigungsarmee, wurde sie seit dem Urteil Stück für Stück zu einer Angriffsarmee umgebaut. Bisher wurden deutsche Soldaten u.a. nach Kosovo, Afghanistan, Kongo und Libanon geschickt. Von der Verteidigung Deutschlands konnte und kann dabei keine Rede sein. Von der Durchsetzung ökonomischer und geostrategischer Interessen schon eher.

Begleitet wird dieser Prozess Monat für Monat von »Y«, dem offiziellen Magazin der Bundeswehr, das in einer Auflage von 73 500 Exemplaren erscheint und vom Bundesverteidigungsministerium in Zusammenarbeit mit dem Societäts-Verlag herausgegeben wird. Seit geraumer Zeit sind Autoren und Redakteure dieses publizistischen Organs besonders bemüht, die Öffentlichkeit von der Notwendigkeit zu überzeugen, die Bundeswehr für »Sicherheit und Frieden« - wie es immer wieder in »Y« geschrieben steht - auch im Ausland einzusetzen. Mit der Juni-Ausgabe erfuhr auch das Magazin - ganz nach dem Vorbild seines Arbeitgebers - eine Tranformation: Neben einer neuen Blattstruktur und einigen Änderungen in der Gestaltung fällt besonders die martialische Titelseite ins Auge. Wurde in früheren Ausgaben mit Titeln wie »Wertewandel - Lust an Zukunft« aufgemacht und dabei ein junger Mann in Jeans, roten Turnschuhen und grünem T-Shirt gezeigt, wie er - die Arme ausgebreitet - auf einer Wiese steht, kommt das Heft seit Juni »selbstbewusst und kräftig«, wie es in der Selbstdarstellung heißt, daher: Auf den Titelblättern sind jetzt Soldaten in voller Kampfmontur abgebildet. Ob in gestellter Pose oder im Kriegseinsatz, die Soldaten erfüllen auch als Titelhelden ihren Auftrag. Und der lautet in diesem Fall, den Leser daran zu gewöhnen, dass sie als »Staatsbürger in Uniform« im Auslandeinsatz immer öfter zu den Waffen greifen und diese auch einsetzen. Dass dabei Menschen getötet werden, wird selbstredend nicht dargestellt.

Chefredakteur Dieter Buchholtz schreibt im Editorial der Juni-Ausgabe, dass die »Y« »runderneuert« wurde. Das ist nicht ganz zutreffend. Denn auch im neuen Gewand fährt das Magazin Altbewährtes aus dem reichhaltigen Propaganda-Arsenal des Verteidigungsministeriums auf. In dem Beitrag »Der böse Traum« warnt Autor Peter Müller - als ob er bei Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) abgeschrieben hätte - vor dem Szenario, dass islamistische Terroristen sich Zugang zu nuklearen Massenvernichtungswaffen verschaffen könnten. Ort des Geschehens, so der Autor, ist wahrscheinlich der »instabilste« aller Atomstaaten: Pakistan.

Durch diese Vermutungen, die Peter Müller durch eine Studie des US-Kongresses mit Fakten zu unterfüttern versucht, wird Pakistan auch ins Visier der Bundeswehr genommen. Die Vereinigten Staaten bombardieren, vorzugsweise mittels unbemannter Flugkörper, seit geraumer Zeit die an Afghanistan grenzenden Regionen Pakistans, wohin sich afghanische Talibankämpfer zurückziehen. Durch Beiträge wie diesen rührt das Bundeswehrmagazin in der eigenen Truppe kräftig die Trommel für die Ausweitung des Afghanistankrieges auf Pakistan. Dabei ist die Panikmache von Peter Müller nur ein Vorwand, um die Bereitschaft und die Motivation der Soldaten für weitere Kriegsabenteuer zu steigern. Warten wir ab, wie lange »Verteidigungsminister« Franz Josef Jung (CDU) noch die »territoriale Integrität« Pakistans respektiert und deutsche Geschosse nicht auch dort einschlagen.

* Aus: Neues Deutschland, 7. September 2009


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