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Bundeswehr verballert zehn Millionen

Sachsen-Anhalt: Protest gegen geplante Schießanlage im Zeitzer Forst

Von Susan Bonath *

Vielerorts beklagten Initiatoren, daß es in diesem Jahr weniger Menschen zu den Ostermärschen zog. An der Grenze zwischen Ostthüringen und Sachsen-Anhalt versechsfachte sich indes die Zahl der Demonstranten gegenüber dem Vorjahr. Nach Angaben der Veranstalter versammelten sich rund 700 Menschen in der Nähe von Lonzig im Burgenlandkreis. Sie protestierten gegen eine neue Schießanlage der Bundeswehr, die dort in einem weiträumigen Waldgebiet gebaut werden soll. Aufgerufen hatten dazu die Bürgerinitiative »Kein Schuß im Zeitzer Forst«, die Grünen und Umweltverbände.

Geht es nach dem Willen der Bundeswehr, sollen 2014 die ersten Schüsse in der Anlage fallen. Etwa 7000 Quadratmeter Wald müßten dafür gerodet werden. Bereits im Januar genehmigte die zuständige Kreisbehörde ohne Beteiligung der Öffentlichkeit den rund 10 Millionen Euro teuren Bau. Allerdings müssen Kreis und Land noch die Entscheidung des Bundesverteidigungsministeriums darüber abwarten, welche Standorte der Bundeswehr im Zuge der Reform erhalten bleiben. Geht das »Projekt« durch, werden die Soldaten künftig im Zeitzer Forst für Auslandseinsätze ausgebildet, wie aus einer Antwort des sachsen-anhaltischen Innenministeriums vom 8. März auf eine Kleine Anfrage der Grünenfraktion hervorgeht. Schießen dürften sie demnach dann auch in der Nacht und an Wochenenden mit Maschinengewehren und aus fahrenden Fahrzeugen. Pro Tag sind das 28800 Schuß, pro Stunde bis zu 3600, pro Nacht 9600. Für die Soldaten der Standorte Weißenfels, Gera und Saara bedeute der neue Schießplatz kürzere Wege, so ein Argument der Bundeswehr.

Die Gegner des Vorhabens fordern, daß das rund 2000 Hektar große Waldgebiet wieder komplett für die Naherholung geöffnet wird. Derzeit ist dafür nur ein Teil der Fläche freigegeben. Das Areal ist zudem als »Fauna-Flora-Habitat« (FFH-Gebiet) ausgewiesen und gilt somit als besonders schutzwürdig. Umweltverbände, darunter der BUND und NABU, führten in der Vergangenheit viele Maßnahmen zur Renaturierung im Zeitzer Forst durch, den zu DDR-Zeiten die Sowjetarmee genutzt hatte. Sie legten unter anderem Kleingewässer, ein Wildpferdgehege und einen Naturspielplatz für Kinder an. Nach Ansicht der Gegner verstießen die Behörden mit der Genehmigung gegen das Bundesnaturschutzgesetz und EU-Umweltschutzrichtlinien. So sei nur eine Vorprüfung und keine Verträglichkeitsprüfung durchgeführt worden, betonte der Grünen-Abgeordnete Dietmar Weihrich in seiner Anfrage an das Innenministerium. Dort sieht man das anders. Da es sich nicht um Hochwald handele, sei eine gesonderte Prüfung nicht vorgeschrieben, heißt es in der Antwort.

Anwohner der Ortschaften am Zeitzer Forst sorgen sich auch um ihre Lebensqualität und Gesundheit. Michael Kretschmer von der Bürgerinitiative sagte gegenüber der Mitteldeutschen Zeitung (MZ, Dienstagausgabe): »Je mehr man von den Dimensionen und den Folgen einer solchen Anlage erfährt, um so mehr Menschen verstehen, was das bedeutet. Nämlich Lärm, Zerstörung der Natur und eine Gefahr für Anwohner.« Und erfahren habe die Öffentlichkeit von dem Vorhaben laut Initiative »reichlich spät«, und zwar durch einen Zeitungsartikel im Februar 2011. Zuvor sei lediglich aufgefallen, daß die Bundeswehr nach und nach immer größere Bereiche des Gebietes für sich beansprucht habe. Diese »Geheimhaltung« kritisierten die Gegner in mehreren offenen Briefen an das Bundesverteidigungsministerium, Sachsen-Anhalts Landesamt für Archäologie sowie den Ministerpräsidenten Reiner Haseloff. Weiter bemängelten sie darin, daß Steuergelder verschwendet und aus dem einstigen Wanderareal ein Sperrgebiet würde. Vom Bund gab es keine Antwort dazu, die Landesbehörden beriefen sich darauf, gesetzliche Bestimmungen einzuhalten.

Abgesperrt blieb die Bundeswehrzone auch am Ostermontag, obwohl die Veranstalter geplant hatten, eine Runde durch das Gelände zu drehen. Einen entsprechenden Antrag hatten die Behörden nicht genehmigt. In der nächsten Zeit will die Bürgerinitiative aber weitere Aktionen durchführen, kündigte Kretschmer am Montag an. Man versuche alles, um noch mehr Leute auf die Straße zu bekommen.

www.kein-schuss-im-zeitzer-forst.de

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 11. April 2012


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