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Merkel ertüchtigt Hollande

Bundeswehr weitet Einsatz in Mali und der Zentralafrikanischen Republik aus, um Paris zu entlasten

Von Martin Ling *

Seit Monaten wirbt Frankreichs Präsident Hollande um mehr Unterstützung bei den Militärinterventionen in Mali und der Zentralafrikanischen Republik. Deutschland ist offenbar bereit.

Die Abfuhr war deutlich: »Wir können keine militärische Mission finanzieren, bei der wir gar nicht in den Entscheidungsprozess einbezogen sind.« So kompromisslos bügelte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf dem vergangenen EU-Gipfel im Dezember ihren französischen Regierungschefkollegen ab, als der klamme François Hollande um einen großzügigen Obolus der führenden Wirtschaftsmacht für die laufenden französischen Militärinterventionen in Afrika bat. Es geht um jene in Mali und der Zentralafrikanischen Republik, die Interventionen Nummer 38 und 39 seit 1960, als Frankreich seine afrikanischen Kolonien formal in die Unabhängigkeit entließ.

Der Berliner Scheck für Paris wird ausbleiben. Doch dass Frankreich von Deutschland und der EU künftig stärker unterstützt wird, zeichnet sich deutlich ab und dürfte am Montag beim EU-Außenministertreffen mit konkreten Zusagen untermauert werden.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« (FAS), Deutschland sei zu einer Beteiligung mit kämpfenden Einheiten nicht gefragt und auch nicht darum gebeten worden. »Aber über Möglichkeiten stärkerer Unterstützung, etwa in Mali, müssen wir nachdenken.« Europa dürfe Frankreich nicht alleine lassen.

Am Dienstag will Steinmeier der »FAS« zufolge nach Paris reisen, um mit seinem französischen Amtskollegen mögliche Einsätze in Afrika zu besprechen. Am Montagabend ist auch der Antrittsbesuch von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) in Paris geplant. Bei dem Treffen mit ihrem Amtskollegen Jean-Yves Le Drian soll Afrika ebenso ein Thema sein. Den Weg vorgegeben hat die Kanzlerin Merkel mit ihrer sogenannten Ertüchtigungsinitiative. Dahinter steht die Überlegung, afrikanische Länder in die Lage zu versetzen, künftig sich selbst zu verteidigen und die Terrorgefahr zu bannen. Deutschlands Beitrag: Ausbildung und Ausrüstung.

»Das Verteidigungsministerium und das Auswärtige Amt sind in laufenden Gesprächen, es ist nichts entschieden«, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Samstag der Nachrichtenagentur dpa. Falls am Montag beim Treffen der EU-Außenminister in Brüssel die Entscheidung für einen Einsatz in Zentralafrika falle, beginne die Planung.

Die Außenminister werden wohl für die Entsendung von 700 bis 1000 Soldaten in die Zentralafrikanische Republik stimmen. Diese sollen vor allem für die Sicherheit des Flughafens der Hauptstadt Bangui sorgen. In Zentralafrika sind schon 1600 französische Soldaten im Einsatz. Die Bundesregierung hatte bereits Flugzeuge für den Truppentransport in Nachbarländer der Zentralafrikanischen Republik angeboten. Sowohl für einen Bundeswehr-Einsatz in der Zentralafrikanischen Republik als auch für ein militärisches Engagement in Mali wäre ein Bundestagsmandat nötig.

* Aus: neues deutschland, Montag, 20. Januar 2014


Falsche Prioritäten

Martin Ling über die Bundeswehr in Afrika **

Keine Frage: Die Situation der Bevölkerung in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) ist katastrophal: Nach UN-Angaben sind 785 000 Zentralafrikaner auf der Flucht und 2,2 Millionen auf Nothilfe angewiesen. Schnelle humanitäre Hilfe ist unabdingbar. Dass Frankreich einen guten Teil der Krise in der ehemaligen Kolonie durch seine Interessenpolitik seit 1960 selbst zu verantworten hat, hilft den Hilfesuchenden nicht weiter.

Keine Frage: Außer Frankreich ist kein europäisches Land bereit und auch kaum in der Lage, in der ZAR mit militärischen Mitteln Stabilisierungsversuche zu unternehmen. Und ohne ein Mindestmaß an Stabilität ist angesichts marodierender christlicher und muslimischer Milizen Hilfe für die Helfer ein unkalkulierbares Risiko.

Frankreich zu entlasten, wie es Deutschland und die EU nun offenbar anpeilen, ist nachvollziehbar. Entwickelt sich die ZAR zu einem zweiten Somalia, zu einem zerfallenden Staat, der terroristischen Gruppen ein Rückzugsgebiet verschafft, wäre dies sicher nicht nur für Frankreich ein potenzielles Problem.

Der Vorrang des militärischen Ansatzes greift indes ob in ZAR oder zuvor in Mali zu kurz: Langfristig lassen sich diese Länder nur stabilisieren, wenn für die breite Bevölkerung Einkommensperspektiven geschaffen werden. Darüber wird beim EU-Außenministergipfel nicht einmal diskutiert. Handelspolitisch wird Afrika weiter als Rohstofflieferant festgeschrieben. Wiederkehrende Krisen sind die logische Folge.

* Aus: neues deutschland, Montag, 20. Januar 2014 (Kommentar)


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