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Tödliches Geld

Dänemarks Regierung investiert in US-Konzern, der auch verbotene Streubomben herstellt

Von Freja Wedenborg, Kopenhagen *

Obwohl die dänische Regierung die UN-Konvention zum Verbot sogenannter Streumunition unterzeichnet hat, investierte sie zugleich mindestens eine halbe Milliarde Kronen (etwa 70 Millionen Euro) in den US-Rüstungskonzern Lockheed Martin, der Komponenten für die geächteten Waffen produziert. Nachdem die linke Tageszeitung Arbejderen diesen Skandal aufgedeckt hat, gerät die Regierung in Kopenhagen zunehmend unter Rechtfertigungsdruck. Ein von Verteidigungsministerin Gitte Lil­lelund Bech der Zeitung zugesagtes Interview zu den Vorwürfen wurde bislang wiederholt verschoben, weil die Angelegenheit »komplizierter ist, als zunächst gedacht«.

Dänemark hat die 2008 verabschiedete UN-Konvention gemeinsam mit 107 anderen Staaten der Welt unterzeichnet. Durch dieses Abkommen werden die tückischen Waffen geächtet, die bei ihrem Abwurf kleine Sprengkörper über einen großen Radius verteilen. Zahlreiche dieser kleinen Bomben explodieren nicht sofort und gefährden die Bevölkerung auch lange nach Ende eines Krieges. Das dänische Rote Kreuz schätzt, daß 98 Prozent aller Opfer von Streumunition Zivilisten und nur zwei Prozent Soldaten sind.

Die dänische Nichtregierungsorganisation Dan Church Aid, die sich bei Minenräumprogrammen im Libanon, Kongo, in Angola und im Sudan engagiert, zeigte sich über die Enthüllungen entsetzt. »Bei unserer Arbeit zur Minenbeseitigung sehen wir täglich die schrecklichen Folgen dieser Munition«, sagte der Generalsekretär der christlich-humanitären Organisation, Henrik Stubkjær. Die indirekte Beteiligung Dänemarks an der Herstellung der verbotenen Waffen sei »zutiefst problematisch«.

Die dänischen Investitionen bei Lockheed Martin stehen im Zusammenhang mit der Beteiligung des nordeuropäischen Landes an dem neuen »Joint Strike Fighter«, der offenbar die derzeit von den dänischen Streitkräften benutzten F16-Flugzeuge ablösen soll. Lockheed Martin ist führend an der technischen Entwicklung des Hightech-Bombenflugzeugs beteiligt. Zugleich produziert der Konzern jedoch auch ein besonderes Adapterset unter dem Produktnamen »LongShot«, mit dem Streubomben so an Flugzeugen befestigt werden können, daß sie auch auf weiter entfernte Ziele abgefeuert werden können.

Drei dänische Rentenversicherungsunternehmen haben Lockheed Martin deshalb auf eine »schwarze Liste« von Unternehmen gesetzt, in die nicht investiert werden darf. Tomas Torp von PFA Pension, einem dieser Versicherer, nannte die Haltung der dänischen Regierung deshalb »merkwürdig«. Die internationale Gemeinschaft habe entschieden, daß Streumunition illegal sei, »dann sollten wir auch nicht in Unternehmen investieren, die solche Waffen herstellen«. Auch die größte Gemeinde Dänemarks, die Verwaltung der Hauptstadt Kopenhagen, hat den US-Konzern auf eine Liste von Unternehmen gesetzt, in die aus ethischen Gründen nicht investiert werden darf. »Natürlich können wir kein Unternehmen unterstützen, das sich nicht an UN-Konventionen hält«, unterstreicht Kopenhagens Bürgermeister für soziale Angelegenheiten, Mikkel Warming, der der linken Enhedslisten angehört. Diese Haltung teilt auch seine für Kultur zuständige Kollegin Pia Allersley von der Dänemark regierenden liberalen Venstre-Partei, die sich allerdings von ihrer Parteifreundin, Verteidigungsministerin Bech, nicht distanzieren will: »Ich kann und werde das nicht kommentieren. Ich bin Lokalpolitikerin und habe nur eine Meinung darüber, was wir in der Gemeinde Kopenhagen tun.«

Die derzeit oppositionellen Sozialdemokraten wollen die Zusammenarbeit mit Lockheed Martin überprüfen, falls sie nach den nächsten Parlamentswahlen, die spätestens im November 2011 stattfinden werden, die Regierung übernehmen. »Wenn wir davon ausgehen, daß Dänemark die Konvention gegen Streumunition unterzeichnet hat, dann ist es natürlich vollkommen natürlich zu fordern, daß wir auf keine Lieferanten zurückgreifen können, die diese Waffen direkt oder indirekt unterstützen«, erklärte ihr verteidigungspolitischer Sprecher John Dyrby Paulsen.

* Aus: junge Welt, 26. Oktober 2010


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