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Brillanten sind nicht mehr die besten Freunde der Extremisten

Vom 5. bis 9. November tagte in Brüssel die jährliche Konferenz des Kimberley-Prozesses

Von Oleg Mitjajew *

Der Kimberley-Prozess (KP) ist eine internationale Organisation, die den Diamantenhandel bekämpft, soweit aus den Gewinnen daraus blutige Bruder- und Bürgerkriege in Afrika finanziert werden. Ihre Mitglieder können darauf stolz sein, dass sich in den letzten Jahren die Verkäufe von "Blutdiamanten" beträchtlich vermindert haben. Aber die stets zunehmende Nachfrage übersteigt das Angebot an legalen Diamanten und Brillanten. Deshalb haben die legitimen Händler mit "den besten Freunden der jungen Mädchen" überaus vielversprechende Aussichten.

Der Kimberley-Prozess wurde - mit Sanktion und Unterstützung der UNO - von mehreren südafrikanischen Ländern initiiert. Das Ziel bestand darin, dem Handel mit den so genannten "Konflikt"- beziehungsweise "Blutdiamanten" entgegenzutreten. Sie wurden in den Zonen der bewaffneten Konflikte in Afrika gefördert und für die Finanzierung von Extremisten verwendet. In den sieben Jahren des Bestehens der Initiative traten ihr 47 Staaten und die Europäische Union bei, die die wichtigsten Weltzentren der Diamantenförderung und des -schleifens sowie des Absatzes von Brillanten (bearbeiteten Juwelierdiamanten) vertreten. Russland gehört ebenfalls zu den Mitgliedern des Kimberley-Prozesses und die führende russische Diamanten fördernde Gesellschaft "Alrosa" (97 Prozent der Diamantenförderung in Russland und 25 Prozent des weltweiten Diamantenmarktes) lässt sich in ihrer Tätigkeit von den Grundsätzen des Kimberley-Prozesses leiten.

Wie die Mitglieder der Organisation behaupten, sind in den sieben Jahren der Tätigkeit des KP große Erfolge erzielt worden. Der Anteil der "Konfliktdiamanten" an der Weltproduktion von Brillanten erreichte erst vor 10 Jahren bis zu 10 Prozent, heute macht er weniger als ein Prozent aus. Die Erfolge des Kimberley-Prozesses sind in hohem Maße dadurch bedingt, dass in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts Bürgerkriege in Angola (wo übrigens "Alrosa" Diamanten fördert), Sierra Leone, der Demokratischen Republik Kongo und in Côte d'Ivoir entbrannt waren. Heute sind die meisten dieser Konflikte überwunden worden. Auf der schwarzen Liste des Kimberley-Prozesses steht nur noch Côte d'Ivoir, aber auch dieses Land könnte daraus gestrichen werden, nachdem 2007 seine Regierung und die Rebellen einen Waffenstillstand geschlossen haben.

Doch die Mitglieder des Kimberley-Prozesses warteten nicht etwa untätig auf eine Regelung der militärischen Konflikte in Afrika. Im Einklang mit der UNO-Forderung führten sie eine harte Kontrolle über alle in der Welt geförderten Diamanten ein: Heute muss jeder legal gehandelte Diamant von einem Zertifikat begleitet werden, das beglaubigt, dass er nicht aus den Zonen der bewaffneten Konflikte stammt.

Angesichts der schon erzielten Erfolge schlugen viele Teilnehmer des Kimberley-Prozesses auf der Brüsseler Konferenz vor, seinen Wirkungsbereich zu erweitern. Bisher konzentrierte er seine Aufmerksamkeit auf die Zentren der Diamantenförderung, jetzt aber wird vorgeschlagen, den Diamantenhandel und die industrielle Diamantenbearbeitung unter Kontrolle zu stellen, darunter unter Anwendung von stichprobeweise vorgenommenen Überprüfungen und Inspektionen. Ferner wurde vorgeschlagen, die KP-Erfahrungen auf jeden illegalen Diamantenhandel, zum Beispiel den Schmuggel, auszudehnen. Im Übrigen wird die Realisierung dieser Vorschläge in vieler Hinsicht vom Willen und Wunsch eines einzigen Landes abhängen: Indiens als des wichtigsten Weltzentrums für das Brillantenschleifen. Indien hat übrigens gegenwärtig den Vorsitz im KP für ein Jahr inne.

Jene aber, die auf dem Weltmarkt mit legalen Diamanten handeln, können mit märchenhaften Profiten rechnen, weil er erstmalig seit vielen Jahren einen Diamantenmangel erlebt. Der Grund dafür ist derselbe, aus dem gegenwärtig die Preise für alle Rohstoffe - von Getreide bis Erdöl - steigen: die stürmische Entwicklung von China und Indien. Bei den Neureichen in diesen Ländern sind gleichzeitig mit der Zunahme der Gewinne ebenso stark die Ansprüche gewachsen. In China zum Beispiel, das 1,32 Milliarden Einwohner zählt, wünschen sich gegenwärtig rund 40 Prozent der Frauen bei der Heirat einen Brillantring, und ihre Zahl wächst mit jedem Jahr.

Bei der Einschätzung der Situation im Ganzen meinen die Branchenexperten, dass in den kommenden zehn Jahren die Weltnachfrage nach Diamanten um fünf Prozent jährlich wachsen wird. Dabei ist es unmöglich, in absehbarer Zukunft (etwa bis 2015) ihre Förderung zu erhöhen: Die heute erschlossenen wichtigsten Diamantenvorkommen sind stark erschöpft und die industrielle Erschließung neuer, welche meist gerade in den Zonen der ehemaligen bewaffneten Konflikte liegen, erfordert Zeit. Deshalb wird die Spanne zwischen der wachsenden Nachfrage und dem Angebot in den nächsten Jahren zunehmen. Der Markt aber kann das auf nur eine einzige Weise ausbilanzieren: durch einen drastischen Preisanstieg.

Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.

* Quelle: Russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti, 15. November 2007;
http://de.rian.ru/analysis/20071115/88252158.html



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