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EADS – mit einem Bein im Knast?

Datenschutzbeauftragter wittert weiteres Unheil / Staatssekretär bietet sich als Bauernopfer im Euro-Hawk-Debakel an

Von René Heilig *

Minister Thomas de Maizière ist entlastet! Der Schuldige am Euro-Hawk-Debakel ist gefunden. Es ist Stéphane Beemelmans, Staatssekretär im Verteidigungsministerium – sagte am Dienstag Stéphane Beemelmans. Doch der Skandal birgt weit mehr Sprengstoff. Jetzt kommt auch der Bundesdatenschutzbeauftragte in die Gänge.

Manchmal wird das »Sich-Kleinmachen« als wahre Größe gewertet. Gestern hat der beamtete Staatssekretär im Verteidigungsministerium Stéphane Beemelmans die volle Verantwortung für die nicht ausreichende Information seines Vorgesetzten übernommen. Er habe, so bekannte der Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages, den Minister nur einmal in einer Vorlage am 13. Mai dieses Jahres mit den Drohnenproblemen behelligt. Damals sei eine Grundsatzentscheidung notwendig gewesen, sagte Beemelmans in einer vorbereiteten Erklärung.

Ein ebenso tapferer wie vergeblicher Versuch, den Minister, der am Mittwoch als Zeuge erscheint, zu entlasten. Doch Ministerium sowie Euro Hawk GmbH sind auch in anderer Weise belastet. Sie verstoßen offenbar fortwährend gegen den Datenschutz. Das wurde über Umwege deutlich. In der Befragung von EADS-Cassidian-Chef Bernhard Gerwert hatte der am Montag auf die einfache Frage, wer Eigentümer des gerade im Test befindlichen Prototypen und dessen Missionslast ISIS (Integriertes Signal Intelligence System) sei, geantwortet: »Ich gehe davon aus, dass es der Auftraggeber ist.« Er zeigte auf Bundeswehr und Ministerium und wies Verantwortung von sich.

Im Bericht der ministeriellen Ad-hoc-Arbeitsgruppe aber liest man: »Das System Euro Hawk umfasst das Luftfahrzeug der Firma Northrop Grumman, das Missionssystem ISIS ... sowie die zum Betrieb des Full Scale Demonstrators notwendigen Bodenstationen und Ersatzteile. Mit Beendigung des Entwicklungsvertrages (voraussichtlich Ende September 2013) geht der Full Scale Demonstrator in das Eigentum der Bundeswehr über.«

Dass ausgerechnet in der Eigentumsfrage so gegenteilige Ansichten bestehen, muss einen Grund haben. Womöglich lässt der sich beziffern – mit einer »Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren«. Die steht jemandem zu, der »als Amtsträger oder als für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter die Vertraulichkeit des Wortes verletzt«. So heißt es im Paragrafen 201 des Strafgesetzbuches. Der findet Anwendung, wenn jemand beispielsweise Mobiltelefone abhört.

EADS-Boss Gerwert hat zugegeben, dass bei den »Euro Hawk«-Testflügen, die vom bayerischen Manching gestartet werden, private Telefongespräche abgehört werden. Logisch, das gehört zum geforderten Fähigkeitsprofil der Aufklärungsdrohne. Es seien – so Gerwert – »alle Fähigkeiten getestet worden. ISIS wird die Zulassungsbedingungen erreichen.«

Projektleiter Rüdiger Knöpfel hatte bereits in der letzten Woche zugegeben, dass auch »Daten aufgefangen werden, die nicht zum Erprobungsbereich« gehören. Das ist weit mehr als »nur« Handy-Verkehr. Doch, so schob er eilig nach, gebe es »entsprechende Vorkehrungen«, damit diese Daten gelöscht werden.

Entsprechende Vorkehrungen – was ist das? Auf eine entsprechende Anfrage der Bundestags-Linksfraktion hatte das Verteidigungsministerium im Juni lapidar mitgeteilt: »Durch technische und administrative Maßnahmen ist sichergestellt, dass die Erfassung und die Auswertung von Mobilfunkverbindungen und SMS unterbunden werden.«

Selbst wenn man das glaubt, so bleibt der zweite Lauscher. Der sitzt vermutlich in den USA. Seit Mitte 2012 weiß man bei EADS (auch im Verteidigungsministerium?), dass die Flugleitung der Drohne mit derselben Verschlüsselungstechnologie funktioniert wie die Übermittlung der Aufklärungsdaten. Die Technologie wurde vom größten US-Geheimdienst, der NSA, geliefert.

Nach einer nd-Anfrage erklärte die Sprecherin des Bundesdatenschutzbeauftragten am Dienstag, man sei bislang in die Vorgänge nicht eingebunden gewesen, habe aber jetzt einen Bericht beim Verteidigungsministerium angefordert. Man rechne damit, Ende nächster Woche mehr sagen zu können.

Denkbar, dass der mutmaßliche Gesetzesverstoß auch den weiteren Verbleib der nun überflüssigen Euro-Hawk-Drohne regelt. Denn Strafgesetzbuchparagraf 201 sagt: Die »Abhörgeräte, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden.«

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 31. Juli 2013


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