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Über den Köpfen

Vorabdruck: Immer mehr und größere Drohnen: Polizei und Militär rüsten auf und setzen dabei zunehmend auf unbemannte Luftfahrzeuge

Von Matthias Monroy und Andrej Hunko *

jW veröffentlicht an dieser Stelle eine gekürzte Fassung des Beitrags »Immer mehr und größere Drohnen: Die Polizei rüstet auf« von Matthias Monroy und Andrej Hunko. Der Aufsatz befindet sich in dem von Peter Strutynski herausgegebenen Sammelband »Töten per Fernbedienung. Kampfdrohnen im weltweiten Schattenkrieg«. In Klammern sind Anmerkungen der Redaktion eingefügt. Das Buch erscheint zur Frankfurter Buchmesse und wird von Strutynski am jW-Stand (Halle 3.1, Stand A 156) am Donnerstag, dem 10. Oktober, um 15 Uhr vorgestellt.

Seit spätestens 2005 ist der Einsatz von Drohnen auch ein Thema für die deutsche Polizei. Mehrere Landeskriminalämter testen seitdem fliegende Kameras für die alltägliche Arbeit. Die batteriebetriebenen Quadrokopter gehören zur Klasse der »Mikrodrohnen« und werden noch auf Sicht gesteuert. Ihre Zuladung beträgt rund ein Kilogramm, was die Überwachungskapazitäten deutlich beschränkt. Sollen Bilder in Echtzeit übertragen werden, muß der kleine Flug­roboter zusätzlich mit Funktechnik ausgerüstet werden.

Als eines der ersten Bundesländer experimentiert Sachsen mit dem Einsatz der Quadrokopter. Die Polizei hatte Anfang 2008 zur »Anwendungserprobung« zwei Komplettsysteme eines »SensoCopters« für zunächst ein Jahr angemietet. Die »SensoCopter« werden vom Überlinger Rüstungskonzern Diehl BGT Defence in Kooperation mit der Firma Microdrones aus Kreuztal bei Siegen entwickelt. Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) kündigte damals einen Einsatz bei Fußballspielen oder Demonstrationen an, um etwa »Rädelsführer in der Menschenmenge« zu identifizieren und beweiskräftige Bilder bei Gericht vorlegen zu können. Die Geräte, die auch mit Nachtsicht- und Wärmebildkameras ausgerüstet werden können, werden von der Landespolizeidirektion Zentrale Dienste verwaltet, ihre Nutzung erfolgt über das Landeskriminalamt. Bislang steigt das Gerät insbesondere bei Fußballspielen in die Luft, mindestens einmal wurde auch eine antifaschistische Demonstration gefilmt.

Auch Niedersachsen hatte 2008 einen Quadrokopter angeschafft, zum Zuge kam wieder die Firma Microdrones. Laut dem damaligen Innenminister Uwe Schünemann (CDU) könnten die fliegenden Kameras eine »Schlüsselstellung zur schnellen Informationsgewinnung« einnehmen, etwa für die »Vorbereitung von Maßnahmen der Spezialeinheiten der Polizei gegen bewaffnete Straftäter«. Neben der Luftaufklärung, Einsatzführung, Beweissicherung und Dokumentation würde auch die Nutzung für die »nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr« infrage kommen, etwa bei sogenannten Großschadenslagen oder Katastrophen.

Mehrere andere Bundesländer haben inzwischen Quadrokopter beschafft. In Berlin fliegt ein »AR100« der Firma Air-Robot, derzeit allerdings nur zur Tatortdokumentation für die Mordkommission. Das Landeskriminalamt Hessen hatte 2008 ebenfalls einen »AR100« geleast, will sich aber zu Anwendungsgebieten nicht äußern. Um die Anstrengungen zu koordinieren, wurde 2007 eine gemeinsame »Bund-Länder-Projektgruppe ›Drohnen‹« eingerichtet. Sie unterstand dem Unterausschuß »Führung, Einsatz und Kriminalitätsbekämpfung« der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK). Auch die Bundespolizei war an der Arbeitsgruppe beteiligt. Bislang werden dort die beiden Systeme »ALADIN« und »FanCopter« geflogen. Der »FanCopter« ist wie die Geräte der Länderpolizeien ein Quadrokopter, während »ALADIN« als »Elektrosegler mit Klappropeller« bezeichnet wird. Beide Drohnen werden von der Firma Ingenieurgesellschaft Dipl.-Ing. Hartmut Euer mbH (EMT) aus dem bayerischen Penzberg gefertigt, die sich mit einem breiten Drohnensortiment zum Hoflieferanten der Bundesregierung entwickelt hat. Welche Kamerasysteme von den kleinen Drohnen mitgeführt werden, welche Software zur Steuerung genutzt wird oder welche weiteren technischen Hilfsmittel zur Auswertung der gelieferten Daten an Bord sind, soll geheim bleiben: Nach »sorgfältiger Abwägung des Aufklärungs- und Informationsrechts der Abgeordneten« kam die Bundesregierung bei der Beantwortung einer Kleinen Anfrage (der Linkspartei im Juni 2013; d.Red.) zu dem Schluß, daß die technischen Einzelheiten der Ausstattung »evident geheimhaltungsbedürftig« seien. Unaufgeregtere Details berichtet der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in seinem letzten Tätigkeitsbericht: Demnach werden Foto- und Videoaufnahmen an die tragbaren Bodenstationen übertragen, wo sie auf einem Monitor verfolgt werden können. Gespeichert werden die Bilder in der Drohne selbst, stehen also erst nach der Landung in voller Auflösung zur Verfügung. »Fancopter« und »ALADIN« sind längst in den Polizeialltag integriert, als Einsatzformen gelten die »Überwachung/Aufklärung im Rahmen von Schleusungen im Grenzbereich« oder das Ausforschen von Drogenanbauflächen. Sie werden aber auch für Observationen oder Zugriffe an Bahnanlagen eingesetzt. Mittlerweile testet die Deutsche Bahn selbst eine fliegende Kamera, um damit gerichtsfeste Beweise gegen gefaßte Graffitikünstler zu erlangen.

Drohnenforschung in der BRD ...

Der Abschlußbericht der »Bund-Länder-Projektgruppe ›Drohnen‹« von 2008 ist als Verschlußsache eingestuft, die Mitglieder hatten aber »weiteren Handlungsbedarf« skizziert. Demnach seien dringend Änderungen der luftverkehrsrechtlichen Vorschriften und eine »Marktbeobachtung und -auswertung technischer Lösungen« erforderlich. Zwei Jahre später wurde Drohnen in der Neufassung der Luftverkehrsordnung mit der Formulierung »unbemanntes Luftfahrtgerät« ein eigener Status eingeräumt. 2012 folgte schließlich die Änderung des Luftverkehrsgesetzes. In der Begründung erklärte die Bundesregierung, »neben ihren ursprünglich militärischen Einsatzbereichen« kämen Drohnen zunehmend zur polizeilichen Gefahrenabwehr in Betracht. Als weitere »Einsatzbereiche« gelten demnach »Feuerbekämpfung, Verkehrsüberwachung, Überwachung sensibler Objekte«. Sogar ein zukünftig unbemannter »kommerzieller Fracht- oder sogar Personenverkehr« wurde als »langfristig möglich« angekündigt.

Daß deutsche Polizeien auf »größere Systeme« unbemannter Luftfahrzeuge schielen, wurde im März letzten Jahres auf einer Tagung der Drohnenlobby in Berlin deutlich. Zutritt hatten nur geladene Gäste aus Industrie, Politik und Verwaltung. Die Eröffnungsrede sollte der Staatssekretär des Bundesinnenministeriums Ole Schröder halten. Weil dieser verhindert war, las der Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Klaus-Dieter Scheurle, dessen Traktat vor. Demnach würden die kleinen Quadrokopter seit Jahren erfolgreich genutzt. Allerdings seien die verwendeten »Miniaturkameras« für polizeiliche Zwecke nur noch bedingt geeignet. Deshalb forderte Scheurle, Drohnen der nächsten Generation müßten hochauflösende, schwere Kameras tragen. Außerdem sollten sie allerorten in Deutschland sofort verfügbar sein, um im Bedarfsfall sofort Bilder liefern zu können. Ähnliches gilt für das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK): Dort wünscht man sich Drohnen zum Einsatz bei Waldbränden und Deichbrüchen oder in havarierten Atomanlagen. Auch hier wird laut über die Beschaffung größerer Systeme nachgedacht: Die Drohnen müßten Lasten tragen, Hilfsgüter abwerfen oder mit Sensoren und Meßgeräten ausgerüstet werden.

Die gewünschten polizeilichen Einsatzformen werden in zahlreichen Forschungsprogrammen entwickelt. Hierzu gehört vor allem der zunehmend automatisierte Flug mittels Satellitennavigation (GPS), aber auch die Ausrüstung mit weiteren Kameras und Sensoren. Andere Vorhaben beschäftigen sich mit dem Aufstieg in Schwärmen, um ganze Gebiete teilautonom zu überwachen. Die meisten Projekte stehen unter Federführung der Bundesministerien für Bildung und Forschung (BMBF), Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) sowie Wirtschaft und Technologie (­BMWi). Häufig begünstigte Zuwendungsnehmer sind die Firmen EADS (bzw. deren Ableger Cassidian und Astrium), Diehl BGT Defence GmbH & Co. KG, Ingenieurgesellschaft Dipl.-Ing. Hartmut Euer mbH (EMT), Elektroniksystem und Logistik GmbH (ESG), Industrieanlagen Betriebsgesellschaft mbH (IABG), Carl Zeiss Optronics GmbH, OHB Systems GmbH, Atlas Elektronik GmbH, Rheinmetall Defence, die Universität der Bundeswehr in München sowie etliche Universitäten. (...)

Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Bundeskriminalamt könnten zukünftig Drohnen einsetzen. Dies geht aus einer Präsentation hervor, die ein Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums im Rahmen einer Serie von Workshops der Europäischen Kommission gehalten hat. Dieser sogenannte »UAS Panel Process« wurde vor zwei Jahren von der Generaldirektion »Unternehmen und Industrie« gestartet. Bis 2012 wurden dort zahlreiche Vorträge gehalten, die sich mit der Verfügbarkeit und dem Einsatz von Flugrobotern unterschiedlicher Größe befaßt haben. (...)

... und auf EU-Ebene

Viele polizeiliche Anwendungsgebiete größerer Drohnen werden auf EU-Ebene erforscht. Weil Testflüge über Land mit umständlichen Genehmigungsverfahren eingefädelt werden müssen, wird das Mittelmeer nun zum Testgebiet für entsprechende Projekte der EU-Mitgliedsstaaten. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)ist hierzu am Projekt »Demonstration of Satellites Enabling the Insertion of Remotely Piloted Aircraft Systems in Europe« (»DeSIRE« – Demonstration von Satelliten zur Ermöglichung der Einführung von ferngesteuerten Luftfahrtsystemen in Europa; d.Red.) beteiligt. »DeSIRE« soll die Integration größerer Drohnen in den zivilen Luftraum befördern und basiert auf »satellitengestützter Führung«. Probleme bereiten dabei die Zeitverzögerung in der Signalübertragung per Satellit oder die Entwicklung von Verfahren, die einen sicheren Flug auch bei Unterbrechung der Funkverbindung gewährleisten. »DeSIRE« ist ein Vorhaben der Europäischen Verteidigungsagentur und der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA). Es steht unter Leitung der spanischen Küstenwache, die seit über zehn Jahren das Grenzüberwachungssystem »Sistema Integrado de Vigilancia Exterior« (SIVE) betreibt und neben Satellitenaufklärung auch Radar und Drohnen einbindet. Industriepartner von »DeSIRE« sind die französischen und spanischen Rüstungskonzerne Thales und Indra, die Komplettsysteme zur satellitengestützten Grenzüberwachung produzieren.

Zu Flugsimulationen des DLR in Spanien (im Dezember 2012; d.Red.) reiste seitens der Bundespolizei der Referatsleiter Achim Friedl an. Friedl ist beim Bundesministerium des Inneren zuständig für Technik und Logistik. Bislang verwaltet sein Ressort lediglich die vier kleinen Senkrechtstarter »FanCopter« und »ALADIN«. Im Frühjahr fand dann ein erster Testflug statt. Geflogen wurde eine »Heron«-Drohne des israelischen Herstellers Israel Aerospace Industries (IAI), die auch von der Bundeswehr in Afghanistan eingesetzt wird. In sechs Kilometer Höhe wurde der allgemeine Luftraum durchquert, die Drohne von spanischen Fluglotsen in Barcelona wie ein gewöhnliches Flugzeug behandelt.

Die Forschungen von »DeSIRE« sollen bei Auslandseinsätzen genutzt werden: Das DLR bringt dessen Ergebnisse in das Vorhaben »Forschung und Entwicklung für die maritime Sicherheit und entsprechende Echtzeitdienste« ein, das von zwei Bundesministerien und vier Bundesländern mit 70 Millionen Euro gefördert wird. Die Projektwebseite nennt als Szenario die »Bekämpfung von Piraterie«. Als zukünftige Nutzer gelten das Technische Hilfswerk und die Bundespolizei. »DeSIRE« stellt aber auch auf die Aufrüstung der Aufklärungsfähigkeiten des EU-Grenzüberwachungssystems »­EUROSUR« ab, das ab diesem Jahr in Betrieb geht. In »­EUROSUR« werden bereits existierende, multilaterale Überwachungssysteme zusammengeschaltet. Hierzu gehören die gemeinsamen Plattformen mehrerer Mitgliedsstaaten zur Überwachung der Ostsee, des Schwarzen Meeres und des Atlantiks. In einer Mitteilung der EU-Kommission (vom 13.2.2008; d.Red.) werden auf mehreren Ebenen Forschungsvorhaben zum Einsatz von Drohnen in »EUROSUR« angeregt. Gefordert wird eine »gezielte Forschung und Entwicklung, um die Leistungsfähigkeit von Überwachungsinstrumenten und Sensoren (wie Satelliten, unbemannte Luftfahrzeuge/UAVs) zu steigern«.

Flüchtlinge im Fadenkreuz

In einem weiteren millionenschweren Projekt forciert die Europäische Union deshalb die grenzpolizeiliche Aufklärung des Mittelmeers mit Drohnen, Satelliten und Ballons. Die spanische Guardia Civil koordiniert ein EU-Projekt unter dem holprigen Namen »Collaborative evaLuation Of border Surveillance technologies in maritime Environment bY pre-operational validation of innovativE solutions« (»Closeye«). Die EU finanziert »Closeye« mit neun Millionen Euro, die Gesamtkosten liegen bei mehr als zwölf Millionen Euro. Geflogen wird eine »Predator«-Drohne, die vom US-Hersteller General Atomics gebaut wird. Zum feierlichen Start im Hauptquartier der Guardia Civil (am 18.4.2013 in Madrid; d.Red.) reisten neben den Projektpartnern auch Delegierte des Außen- und Wirtschaftsministeriums an, zu den weiteren Gästen gehörten zahlreiche Vertreter von Rüstungsfirmen. Einführende Redebeiträge der EU-Kommission kamen von den Direktoraten »Unternehmen und Industrie« sowie »Maritime Angelegenheiten« und »Fischerei«. Beteiligte von »Closeye« sind die Küstenwache Portugals und das italienische Militär. Vermutlich wird von dort die unbewaffnete »Predator« beigesteuert, deren erster Einsatz 2011 im Libyen-Krieg erfolgte. (...)

Mit den beschriebenen EU-Projekten »­Closeye« und »DeSIRE« geht die Einführung von Drohnen für (grenz-)polizeiliche Zwecke in eine neue Runde. Sie bauen damit auf Workshops auf, in denen Frontex (die Gemeinschaftsagentur der EU zur Überwachung der Außengrenzen; d.Red.) seit 2009 die Nutzung kleiner und großer Drohnen zur »Überwachung von Land- und Seegrenzen« befördert. Beinahe alle Flugroboter europäischer Hersteller wurden von den Herstellern präsentiert, einige wurden sogar in einer Flugschau gezeigt. Fast immer war die Bundespolizei zugegen. Frontex interessiert sich insbesondere für jene Drohnen, die in Europa derzeit nur militärisch genutzt werden. Hierzu gehören die israelische »Heron« (Israel Aircraft Industries), die amerikanische »Predator« (General Atomics und Diehl) oder die französische »Patroller« (Safran/Sagem). In einer der Präsentationen wurde auch die Spionagedrohne »Euro Hawk« vorgestellt, die eigentlich von der Bundeswehr in Serie beschafft werden sollte und im Sommer 2013 beinahe zum Rücktritt des deutschen Verteidigungsministers führte. Auch EADS, der wichtigste europäische Teilhaber des »Euro Hawk«-Auftrags, empfiehlt den Einsatz für Zwecke einer »Homeland Security«. Ein Sprecher des Konzerns zählt hierzu die Observation polizeilicher Großereignisse, die Überwachung von Atomanlagen und die Grenzkontrolle, aber auch Demonstrationen und »Unruhen in Vorstädten«. Dieses Jahr wird Frontex vermutlich ein Flugzeug des Typs »DA42 MPP Guardian« für mehrere Wochen probefliegen. (...)

Die Frontex-Veranstaltungen dienen laut der Bundesregierung der »Vorstellung am Markt befindlicher unbemannter Luftfahrtsysteme« und der »Definition von grenzpolizeilichen Anforderungs- und Leistungskriterien«. Der französische Rüstungskonzern Thales spricht hinsichtlich der Teilnehmenden einer Präsentation 2011 von »mehreren internationalen Herstellern«. Demnach hätten Firmen aus den USA und Israel dominiert. Thales hatte selbst sein System »Fulmar« vorgeführt. In einem Werbefilm wird dessen ausdrückliche Verwendung gegen »unerwünschte Migra­tion« vorgeführt. Die »Fulmar« fliegt bis zu 3000 Meter hoch und rund 150 Kilometer pro Stunde. Nach acht Stunden bzw. 800 Kilometern muß die »Fulmar« gelandet werden. Die leichten Thales-Drohnen wären somit gut geeignet, in Deutschland auch für polizeiliche Belange eingesetzt zu werden: Sie könnte in einem Rutsch unbemerkt von der Nordsee bis zum Bodensee fliegen. Thales hatte das EU-Forschungsprojekt »Wide Maritime Area Airborne Surveillance« (WIMAAS) angeführt und mit der spanischen Guardia Civil die grenzpolizeiliche Nutzung von Drohnen untersucht. »Fulmar«-Drohnen operieren zur Kontrolle von Migration bereits in Malaysia.

Gegen Kriminelle?

Zwar wurde bereits 2007 berichtet, einige Hersteller würden Drohnen mit Elektroschockgeräten bestücken. Der französische Hersteller Tecknisolar Seni rüstet Drohnen angeblich mit Flash-Ball-Pistolen aus, die auch Tränengas verschießen können. Vor drei Jahren schrieb das Technikmagazin Wired von Plänen Großbritanniens, fliegende »nichttödliche Waffen« zu entwickeln. Eingesetzt würden hierfür sowohl kleine Quadrokopter der Firma Air-Robot wie auch bislang die eher militärisch genutzten Herti-Drohnen der britischen Firma BAE Systems. Die Flugroboter könnten demnach mit »Soundkanonen« (»Long Range Acoustic Device«, LRAD) ausgerüstet werden. LRAD wurde bereits am »Camcopter« der österreichischen Firma Schiebel getestet.

Bislang waren die Berichte eher Zukunftsmusik. Jetzt will die EU auf diese Weise tatsächlich die Verfolgung von Kriminalität modernisieren. Unter dem Namen »Aeroceptor« startete die Kommission dieses Jahr ein Forschungsprogramm zur Nutzung von Drohnen, um flüchtende Fahrzeuge zu stoppen. Das Akronym »Aeroceptor« kann als »Unterbrechung aus der Luft« interpretiert werden. Dabei geht es den Machern vor allem um Fahrzeuge, in denen »unerwünschte Migranten« oder Drogen geschmuggelt würden: Die Drohnen sollen helfen, Autos oder Motorboote zu stoppen, wenn sich deren Fahrer einer Durchsuchung entziehen wollen. Laut der Projektbeschreibung seien derartige Maßnahmen gegen »nicht kooperative Fahrzeuge« immer mehr erforderlich. Denn das Verweigern einer Kontrolle und anschließende Verfolgungsjagden würden sowohl die Fahrzeuginsassen als auch die Beamten gefährden. Angestrebt wird eine größtmögliche Automatisierung. Die Flugroboter sollen mit Technik ausgerüstet werden, um die Fahrt der Autos oder Wasserfahrzeuge zu verlangsamen bzw. diese zu stoppen. Die polizeiliche Zwangsmaßnahme wird von einer Bodenstation aus überwacht.

Laut der Antwort der EU-Kommission (auf Anfrage der Linksparteiabgeordneten im Europa­parlament, Sabine Lösung, vom 22.2.2013; d.Red.) sollen bei »Aeroceptor« »unbemannte Hubschrauber« oder Quadrokoptor erprobt werden. Weil auch die Guardia Civil beteiligt ist, liegt nahe, daß ein »Camcopter« beforscht wird, denn dieser kommt bereits im EU-Projekt »Closeye« zum Einsatz. Die Technologien, mit denen ein Fahrzeug »auf sichere Weise zum Halten gebracht werden soll«, lesen sich wie Polizeiphantasien aus Entenhausen: Die Drohnen könnten Fahrzeuge per Lautsprecher zum Halten auffordern, diese mit Farbe markieren oder elektromagnetische Störungen zur Blockierung der Motorelektronik aussenden. Sofern dies nicht zum Erfolg führt, könnten Netze zum Einsatz kommen, in denen sich Räder von Fahrzeugen oder Propeller von Booten verwickeln. Möglich wäre auch das Versprühen eines »Spezial-Polymerschaumstoffs«, der dann verhärtet und das Fahrzeug zum Halten zwingt. Auch von »Vorrichtungen zum Durchstechen der Reifen« ist die Rede.

Obwohl die Bundespolizei nach Auskunft der Bundesregierung keine Beschaffung größerer Drohnen plant, ist sie auf mehreren Ebenen mit der Integration unbemannter Systeme befaßt. Das »Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt« sowie die »Deutsche Flugsicherung« fungieren als Schnittstelle zu EU-Projekten, Ergebnisse fließen in ähnlich gelagerte deutsche Vorhaben ein. Problematisch ist nicht nur die zunehmende Aufrüstung polizeilicher Drohnen. Stefan Zoller, Vorstandsvorsitzender der EADS-Rüstungssparte Cassidian, lobt den Nutzen der eigentlich zivilen Forschungen auch für das Militär: Es würde »in Zukunft kaum ein (Unmanned Aerial Vehicle) geben, das nur für militärische oder nur für zivile Anwendungen eingesetzt wird«. Aufgrund ihrer Fähigkeiten könnten diese »Missionen auf beiden Gebieten abdecken«.

Tatsächlich dienen die EU-Projekte »Closeye« und »DeSIRE« dazu, die Nutzung der derzeit in Afghanistan geflogenen Drohnen »Predator« und »Heron« für polizeiliche Zwecke zu beforschen. Ginge es nach dem Chef einer europäischen Drohnen-Lobbyvereinigung, könnte selbst die allgemeine Kriminalität mit größeren Drohnen überwacht werden. Als Beispiele nennt er illegale Müllbeseitigung oder Drogenbekämpfung. Auch Plünderungen bei Aufständen könnten demnach bequem aus der Luft überwacht werden.

Die entsprechenden Forschungen zur polizeilichen Aufrüstung von Drohnen müssen umgehend gestoppt werden, denn sie bereiten den Weg für zahlreiche problematische Anwendungen. Bereits der Einsatz von kleinen oder mittleren Hubschrauberdrohnen zur Beobachtung aus der Luft ist datenschutzrechtlich bedenklich. Jedem Upgrade, ob zur Spionage oder mit obskurer Polizeitechnik, muß widersprochen werden. Deutlich wird, daß die Drohnenstrategie der Europäischen Union wie auch der deutschen Bundesregierung eine Angelegenheit mehrerer Ministerien ist. Auch polizeiliche Drohnen können gegen Menschen eingesetzt werden und sollten deshalb Teil einer Antidrohnenstrategie sein. Auch sie müssen durch eine internationale Drohnenkonvention reguliert werden, welche die Entwicklung und den Einsatz von Drohnen strikt auf eindeutig zivile und humane Anwendungen begrenzt.

Zur Frankfurter Buchmesse erscheint von
Peter Strutynski (Hg.): Töten per Fernbedienung. Kampfdrohnen im weltweiten Schattenkrieg. Mit Beiträgen von Jürgen Altmann, Norman ­Paech, Knut Mellenthin, Lühr Henken u. a., Promedia Verlag Wien 2013, 224 Seiten, 14,90 Euro

* Matthias Monroy ist wissenschaftlicher Mitarbeiter von Andrej Hunko, MdB der Linksfraktion.

Aus: junge Welt, Montag, 7. Oktober 2013



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