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Schwelle abschleifen

Die Bundeswehr diskutiert Drohnen

Von Ronald Kohl *

Wie viele Menschen bisher in Afghanistan, im Irak, im Jemen, in Somalia und Libyen durch US-Drohnen ums Leben kamen, unterliegt strenger Geheimhaltung. In Pakistan ließ Friedensnobelpreisträger Barack Obama nach Untersuchungen des Londoner »Bureau of Investigative Journalism« bisher etwa 3000 Menschen mittels solcher Flugobjekte töten, jeder sechste war Zivilist. Dazu kamen mehr als 1000 Verletzte.

Deutsche Soldaten wollen bei solcherart »gezieltem Töten« nicht länger hintanstehen. Das Militärhistorische Museum der Bundeswehr in Dresden lud am Montag zu einem Podiumsgespräch mit dem Titel »Revolution der Kriegsführung? Drohnen im Einsatz – Anonymes Töten auf Distanz«. Mitveranstalter war das Zentrum für ethische Bildung in den Streitkräften, bei dem es sich – man kommt nicht gleich drauf – um eine katholische Einrichtung handelt.

Als Vertreter des Museums leitete Oberst Matthias Rogg die Diskussion mit den Worten ein, das Thema berge in sich »einiges an Zündstoff«. Darüber, wo die Grenze zwischen ethisch vertretbaren und zu ächtenden Waffen verlaufe, habe man sich schon im Mittelalter gestritten. Das sei natürlich ohne Einfluß auf die militärische Nutzung der Armbrust geblieben.

Als erster Referent kam Daniel Statman von der University of Haifa zu Wort. Statman ist als bekennender Befürworter von Drohneneinsätzen fest davon überzeugt, daß ein ideologieneutraler Roboter weniger gefährlich ist als gewöhnliche Soldaten. Hinzu käme die Zielgenauigkeit. Bei seinem ersten Familienausflug mit dem damals neuen GPS, erinnerte sich Statman, habe er dessen Anweisungen erst nach einem Kontrollblick auf die Landkarte befolgt. Diese Zeiten seien längst vorbei.

Der Völkerrechtler Stefan Oeter von der Universität Hamburg bezeichnete Drohnen als eine Waffenplattform wie jede andere auch. Zentral sei die Frage der »Vermeidung exzessiver Kollateralschäden«. Davon unabhängig bestehe das Problem einer neuen Dimension beim Töten außerhalb bewaffneter Konflikte. Aus völkerrechtlicher Sicht würde hier das Polizeirecht greifen, laut dem nur im Falle einer Gefährdung von Leib und Leben getötet werden dürfe. Bedenklich wäre auch die Tendenz, daß Militärs Entscheidungen aus der Hand gäben, meist an Nichtmilitärs mit »robusterem Handlungsansatz«.

»Meine These«, sagte Peter Rudolf von der Stiftung Wissenschaft und Politik, »ist die, daß die Verfügbarkeit die Schwelle für den Einsatz herabsetzt«. Die Zahl der Drohnen, die den US-Streitkräften zur Verfügung stehen, stieg im Verlauf des Afghanistan-Krieges von 54 auf mehr als 4000, und nicht nur NATO-Partner rüsten nach. Nach Ansicht von Rudolf führt allein das zu einer »geographisch sehr entgrenzten Sicht« auf zu lösende Probleme.

Nicht anwesend war der Kommandeur des Zentrums Innere Führung, Brigadegeneral Alois Bach. Er war auf seinem Weg von Koblenz nach Dresden im Stau steckengeblieben. Ein Herr Elsner vertrat ihn. Elsner hat seinen Dienstsitz in Dresden und sieht regelmäßig MDR, unter anderem »SOKO Leipzig«. In der letzten Folge, berichtete Elsner für alle, die nicht »SOKO Leipzig« gucken, hatte ein Major der Bundeswehr per Drohne ein Piratenschiff versenkt. Eine Untergebene des Majors war dahintergekommen, daß Kinder an Bord gewesen waren. Der Major wollte die Sache vertuschen, um seine anstehende Beförderung nicht zu gefährden. Er brachte die Frau um. Und dann noch einen weiteren unliebsamen Zeugen. Kein Wunder, schloß Elsner seine Ausführung, daß die Diskussion um den Einsatz von Drohnen in einem emotional gefärbten Klima stattfinde.

Im Anschluß kam das Publikum zu Wort, allen voran ein General der Bundeswehr: Ob man Drohnen befürworte oder nicht, sei eine Frage der Perspektive. Wir alle mögen uns doch vorstellen, wir wären die Angehörigen gefallener US-Soldaten. Auf die Frage, wo denn für ihn die Grenze der Technisierung läge, antwortete der General: »Die Grenze liegt für uns da, wo sie für die Soldaten der Bundeswehr immer gelegen hat.«

Da kommt was auf uns zu.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 23. Januar 2013


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