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Raubtiere für die Bundeswehr

Schwarz-Gelb will Kampfdrohnen anschaffen / Entscheidung steht kurz bevor

Von Christian Klemm *

Bisher setzt die Bundeswehr in Afghanistan unbemannte Flugkörper nur zur Aufklärung ein. Das wird sich nun wohl ändern.

Die Bundesregierung steht vor der Anschaffung bewaffneter Drohnen. Diese können erkannte Ziele »reaktionsschnell, präzise und skalierbar bekämpfen«, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linkfraktion im Bundestag. »Außerdem werden durch diese Fähigkeit gegnerische Kräfte einer ständigen und für sie nicht prognostizierbaren Bedrohung ausgesetzt und in ihrem Handlungsspielraum eingeengt.« Durch die Drohnen könne ein »Sicherheitsgewinn vor allem durch glaubhafte Abschreckung« erreicht werden, heißt es in der Antwort weiter.

Deutlicher kann eine Kaufabsicht kaum artikuliert werden. Die Bundesregierung bemühte deshalb erst gar kein Dementi, stellte aber klar: Man habe noch keine endgültige Entscheidung über die Anschaffung der bewaffneten Flugkörper getroffen. Der stellvertretende Sprecher des Verteidigungsministeriums, Christian Dienst, gab zu Protokoll, dass die Bundeswehr es für militärisch sinnvoll halte, über Kampfdrohnen zu verfügen. Er gehe davon aus, dass die Entscheidung noch im ersten Halbjahr fallen werde.

Offenbar steht die Entscheidung kurz bevor. Omid Nouripour, Sprecher für Sicherheitspolitik der Grünenfraktion im Bundestag, sagte gegenüber »nd«, er rechne damit, dass über die Beschaffung sogar noch in diesem Quartal entschieden wird.

Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold erkennt keine »aktuelle Fähigkeitslücke« bei der Bundeswehr. Eine Beschaffung von bewaffneten Drohnen lehne er allerdings nicht »per se« ab, sagte der Bundestagsabgeordnete im Gespräch mit »nd«. Mögliche völkerrechtliche Vorbehalte müssten aber zuvor geklärt werden. Arnold warnte vor einem Alleingang der Bundesregierung. »Man muss alles tun, eine europäische Lösung zu finden«, so der Politiker.

Die Friedensbewegung dagegen sprach sich strikt gegen den Erwerb aus. Reiner Braun von der deutschen Sektion der Internationalen Vereinigung der Anwälte gegen Atomwaffen sagte auf nd-Anfrage: »Drohnen senken die Hürde für einen Kriegseinsatz.« Sie seien »nicht nur völkerrechtswidrig, sondern eine gezielte Tötung besonders von Zivilisten«, so Braun. »Die angebliche Präzision ist ein Mythos technikgläubiger Kriegsbefürworter.« Laut Gregor Gysi, Fraktionschef der LINKEN im Bundestag, sollen die Menschen durch den Einsatz der Drohnen immer weiter von der Waffe, die sie bedienen, entfernt werden, um das Töten zu erleichtern.

Ab 2016 sollen die neuen Drohnen zum Einsatz kommen. Welcher Typ das sein wird, ist noch offen. Zur Auswahl steht unter anderem das Modell »Predator« (Raubtier). Diese Flugkörper werden von den US-Streitkräften in Pakistan eingesetzt. Auch die deutsche Luftwaffe soll den Kauf des »Predators« befürworten.

Bis nächstes Jahr stehen der Bundeswehr Aufklärungsdrohnen vom Typ »Heron« zur Verfügung. Sie werden im Afghanistan-Krieg eingesetzt. Zusammen mit Frankreich will die Bundesrepublik ein eigenes System entwickeln, was sich noch mehrerer Jahre hinziehen dürfte.

Der Einsatz von US-Drohnen hat bereits viele Opfer gefordert. Wie viele genau, ist unbekannt. Alleine in Pakistan wurden laut New America Foundation seit 2004 bis zu 3300 Menschen durch Drohnen getötet.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 26. Januar 2013


Tödliche Menschenjagd

Von Christian Klemm **

Vorgestern Abend war er wieder im Fernsehen zu sehen: der Predator. Ein außerirdisches Raubtier, das Jagd macht auf Menschen und Aliens. Der Predator kennt keine Gnade und tötet alles, was sich ihm in den Weg stellt. Alles nur Science-Fiction aus Hollywood? Mitnichten! Die Menschenjagd ist bittere Realität: In Afghanistan, Pakistan und Jemen benutzt die US-Armee sogenannte Predator-Drohnen, um Aufständische auszuschalten. Per Joystick werden diese Flugkörper aus sicherer Entfernung gesteuert, auf Knopfdruck Menschen getötet. Nach getaner Arbeit packt der Soldat seine Frühstücksdose wieder ein und verabschiedet sich in den wohlverdienten Feierabend.

Die Bundesregierung hat nun durchblicken lassen, dass auch sie die Raubtiere gern von der Kette lassen möchte. Der Grund: Aus Afghanistan sind zu viele Zinnsärge mit getöteten Bundeswehrsoldaten zurückgekehrt. Das hat dazu beigetragen, dass die Mehrheit der Deutschen den Kriegseinsatz ablehnt. Damit bei zukünftigen Kriegen weniger Deutsche getötet werden, müssen Einsatzstrategien und Waffen her, die die eigenen Verluste möglichst gering halten. Dafür sind die unbemannten Flugkörper ideal. Dass durch sie immer wieder auch Zivilisten umgebracht werden, scheint die Bundesregierung nicht zu interessieren.

Was auch immer sich die Ingenieure einfallen lassen, eine »saubere Kriegsführung« gibt es nicht. Krieg ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Kampfdrohnen hin oder her.

** Aus: neues deutschland, Samstag, 26. Januar 2013 (Kommentar)


"Das sind Killerwaffen in staatlicher Hand"

Bewaffnete Drohnen, wie die Bundeswehr sie haben will, müssen international geächtet werden. Ein Gespräch mit Tobias Pflüger ***

Tobias Pflüger ist Mitglied des Parteivorstandes der Partei Die Linke und des Vorstandes der Informationsstelle Militarisierung Tübingen (IMI).

Die Bundesregierung hat in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion angekündigt, die Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen ausrüsten zu wollen. Welche Möglichkeiten sehen Sie, das zu verhindern?

Wir müssen in der Öffentlichkeit deutlich machen, daß Drohnen brutale Mörderwaffen sind. In der Friedensbewegung starten wir gerade eine Anti-Drohnen-Kampagne. Ein erster Schritt wäre, daß in Deutschland ein Moratorium beschlossen würde und keine bewaffneten und militärisch nutzbaren Drohnen angeschafft werden. Drohnen müssen als Waffen international geächtet werden. Das alles müssen wir einfordern.

Wie soll das denn geschehen?

Leider ist es so, daß die Bundesregierung voll darauf setzt, bewaffnete Drohnen für die Luftwaffe anzuschaffen – Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) hatte schon vor Monaten angekündigt, was die Bundesregierung jetzt offiziell bestätigt hat. Interessanterweise ist mittlerweile auch die UN skeptisch geworden. Der Hohe Kommissar für Menschenrechte hat Untersuchungen darüber eingeleitet, in welchem Maße Zivilisten zum Opfer von Drohnenangriffen werden.

Mit diesen ferngelenkten Waffen kann man aus dem Büro heraus Krieg führen, kein deutscher Soldat wird ins Ausland geschickt. Senkt diese neue Technik nicht die Schwelle zur Kriegsbereitschaft?

Enorm. Es ist ja auch viel einfacher, Gegner zu töten, die man nicht sieht und nicht kennt. Und man entscheidet sich schneller für einen solchen Angriff als für eine Großinvasion mit Soldaten und Panzern.

Der Einsatz von Drohnen ist auch billiger. Hat bei dieser Entscheidung vielleicht auch der Wunsch nach betriebswirtschaftlicher Optimierung der Streitkräfte eine Rolle gespielt?

Das paßt in die Entwicklung, daß die Bundeswehr quantitativ zwar abrüstet, qualitativ aber aufrüstet.

Welche Rolle spielt die Industrie bei dieser Entscheidung? Rheinmetall zum Beispiel stellt solche Fluggeräte her und will sie sicher auch gern exportieren. Da winkt ein Milliardengeschäft.

Das ist im Moment ein spannendes Rennen zwischen den Anbietern. Zur Zeit hat die Bundeswehr einige Aufklärungsdrohnen »Heron« aus Israel im Einsatz – die Herstellerfirma will natürlich im Geschäft bleiben. Verschiedene europäische Rüstungsfirmen, darunter Rheinmetall und EADS, wollen auch zum Zuge kommen. Da läuft ein heftiges Wettrennen um die Aufträge, bei dem die deutschen Firmen ganz vorne mitspielen wollen.

Verändert nicht die Möglichkeit, über Drohnen zu verfügen, das militärische Denken?

Durch und durch – es werden ja keine Soldaten im direkten Kampf eingesetzt, man braucht keine Rücksicht auf eigene Verluste zu nehmen. Man erspart sich auch unangenehme Schlagzeilen in der Presse und damit Proteste zu Hause, wenn keine eigenen Opfer zu beklagen sind.

Muß das Vorhaben vom Bundestag abgesegnet werden, oder kann die Regierung das einfach beschließen?

Ich bin der Ansicht, daß der Bundestag mindestens beteiligt werden muß. Die Linksfraktion hat übrigens mehrfach darauf hingewiesen, daß der militärische Einsatz von Drohnen ausgeschlossen werden muß – es geht immerhin um eine Grundsatzentscheidung. Aber offensichtlich soll das wie eine »normale« Beschaffung behandelt werden.

Die SPD gibt sich kritisch und meldet Bedenken an: Die Beschaffung von Drohnen müsse ethisch diskutiert werden und in der EU abgestimmt sein. Wie verstehen Sie das?

Das läuft auf nichts anderes hinaus, als daß bewaffnete Drohnen nicht von Deutschland allein, sondern zugleich auch von anderen Staaten eingeführt werden. Und die Forderung nach ethischer Diskussion erinnert mich an den Knaller von de Maizière, der behauptete, Waffen seien für ihn »ethisch neutral«. Genau das Gegenteil ist doch der Fall: Das sind Tötungsinstrumente in staatlicher Hand, damit wird gemordet. Das einzig ethisch verantwortbare ist das Verbot der Killerwaffen Drohnen.

Läßt sich auf Europa-Ebene dagegen etwas unternehmen?

Das Europaparlament und der Europarat müßten Kriterien beschließen, die einen Einsatz solcher Waffensysteme verbieten.

Interview: Peter Wolter

*** Aus: junge Welt, Samstag, 26. Januar 2013


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