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De Maizières heiße Geschäfte

Drohnen, Sturmgewehre, Korvetten: Rüstungspannen sind der Normalfall

Von René Heilig *

Das »Euro Hawk«-Debakel hat Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) noch nicht überstanden. Nun schlägt ihm die Opposition den beabsichtigten Kauf von bis zu 16 Kampfdrohnen aus den USA um die Ohren. Im Hintergrund schwelt weiter das Problem mit den G36-Sturmgewehren.

»Nach dem Verschießen von Patronen im schnellen Einzelfeuer oder in kurzen Feuerstößen ... muss bei starker Rohrerhitzung das Rohr (bei offenem Verschluss) auf Handwärme abkühlen, bevor weitergeschossen werden darf.«

Diese Expertise, die Mitte 2012 zum Standard-Sturmgewehr deutscher Infanteristen abgeben wurde, fordert letztlich Krieg nach Laborbedingungen. Doch die gibt es in Afghanistan nicht. Dort klagen Soldaten weiter über das G36. Sie berichten auch von »einer erheblich größeren Streuung« heißer Waffen und kritisieren das schwache Kaliber. Man tröstete sie in dem Gutachten: »Nach dem Abkühlen ist die Funktionalität des Gewehrs wieder voll gegeben.«

Eiligst abgekühlt hatte sich damals auch die politische Debatte. Als wäre nichts gewesen, bestellte die Bundeswehr 2012 für rund 18 Millionen Euro weitere 7700 neue G36-Gewehre beim ohnehin skandalträchtigen Hersteller Heckler&Koch. Zusätzlich wurde eine Tranche von 210 Stück für das Projekt »Infanterist der Zukunft« und eine Modernisierung des aktuellen Bestands gebilligt. Kosten: 16 Millionen Euro.

Der aktuelle G36-Bestand liegt derzeit bei rund 170 000 Stück. Ursprünglicher Stückpreis 600 Euro. Ob bei den Bestellungen alles mit rechten Dingen zuging, will die Staatsanwaltschaft Koblenz klären. Sie ermittelt wegen Untreue gegen einen ehemaligen Referatsleiter de Maizières. Intern laufen Disziplinarverfahren.

Der Beschaffungsvorgang hat Ähnlichkeiten mit der Bestellung der »Euro Hawk«-Drohnen. Auch da wusste man seit Jahren Bescheid über offenbar nur schwer lösbare Zulassungsprobleme. Man ließ die Sache jedoch laufen und setzte 600 Millionen Euro in den Sand. Vorerst, denn die Verluste können noch höher werden. Nach der Ankündigung des Verteidigungsministeriums, das Projekt einzustellen und keine weiteren Exemplare zu beschaffen, betonte das Herstellerkonsortium Northrop-Grumman und EADS zu Wochenbeginn, an dem System und der Lieferung des kompletten Systems von fünf Drohnen für die Deutsche Luftwaffe festzuhalten.

Ähnliche Rüstungsprobleme hat die Marine wohl gerade ausgestanden. Die fünf K-130-Korvetten kommen jetzt – sieben Jahre nach dem Termin – nach und nach in Fahrt. Derweil wird die Bestellung des Nachfolgetyps K 131 vorbereitet.

Gestern sprach de Maizière auf der Berliner Strategiekonferenz des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. Auf die aktuellen Probleme ging er nicht ein, sondern visierte künftige Rüstungsprofite für die Industrie an: Deutschland unterstütze die Bestrebungen der EU-Kommission, einen gemeinsamen Rüstungsmarkt in Europa zu stärken.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 29. Mai 2013


Pfui Teufel

Von René Heilig **

Wenn es um Waffen geht, sollte man immer zuerst an jene denken, die mit deren Hilfe umgebracht werden. Auf wen werden Bundeswehr-Drohnenpiloten demnächst feuern, wenn die neuen Kampfroboter vermutlich aus den USA beschafft sind? Doch irgendwie scheint das nicht das Thema der aktuellen Aufregung. Wir reden übers Geld. Zugegeben, auch das ist richtig, denn es wird den Bürgern abgepresst, um es Rüstungskonzernen zu geben. Selbst dann, wenn sie Mangelhaftes liefern. Beispielsweise G36-Gewehre. Warum kauft man 170 000 Stück? Warum lobt man das Sturmgewehr – wider allen Einsatzerfahrungen? Warum sagt die Regierung nicht zum Hersteller: Deine Schießprügel taugen nicht zum Morden, die Bundeswehr hat Besseres verdient!

Unter anderem deshalb, weil die Bundeswehr auch eine Art Werbeträger ist. Nur so kann Heckler&Koch Waffen und Lizenzen quer durch die Welt verscherbeln. Gewehre und Pistolen sicherten deutschen Rüstungsfirmen 2012 Exporte im Wert von 76 Millionen Euro. Und noch lukrativer sind Schiffe und Panzer und Flugzeuge und ... Deutschland hat nicht umsonst einen Stammplatz auf dem Siegertreppchen der Todesexporteure.

Noch zwei Worte zu jenen Abgeordneten, die bei Empfängen und Kongressen der Rüstungsindustrie stets nach Häppchen gieren, seit langem von den Problemen mit den verpfuschten Waffen wissen und jetzt – wahlkampfgeil – unglaubliche Rüstungsskandale geißeln: Pfui Teufel!

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 29. Mai 2013 (Kommmentar)


De Maizière kauft neue Drohnen

Bundesregierung will bis zu 16 weitere unbemannte Kampfflugkörper anschaffen ***

Trotz des Debakels mit der Aufklärungsdrohne »Euro Hawk« erwägt Verteidigungsminister Thomas de Maizière weiter den Kauf von Kampfdrohnen für die Bundeswehr. Der unter Druck stehende CDU-Politiker will bis zu 16 unbemannte Flugkörper anschaffen, die bei Bedarf bewaffnet werden können. Die ersten fünf sollen 2016 einsatzfähig sein. Das geht aus dem Entwurf einer Regierungsantwort auf eine Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion hervor, die am heutigen Mittwoch vom Kabinett beschlossen werden soll. Darin werden auch US-Drohnen-Einsätze zur Unterstützung der Bundeswehr in Nordafghanistan bestätigt.

De Maizière hatte sich bereits im vergangenen Jahr für die Anschaffung von Kampfdrohnen ausgesprochen. Die ursprünglich für Frühjahr geplante Entscheidung darüber hat er aber auf die Zeit nach der Bundestagswahl verschoben. »Sie bedarf einer breiten gesellschaftspolitischen Debatte«, heißt es in der Regierungsantwort, die der Nachrichtenagentur dpa vorliegt und über die auch Spiegel online berichtete.

Das Verteidigungsministerium bestätigt darin, daß Drohnen aus Israel und den USA für einen Kauf in Frage kämen. Eine Voranfrage zur Beschaffung des US-Modells »Predator B«, das von den US-Streitkräften auch »Reaper« genannt wird, läuft bereits. De Maizière hatte im April während seiner USA-Reise erklärt, daß er mit einer positiven Antwort noch im Mai rechne. Allerdings könnten sich bei diesem Modell ähnliche Zulassungsprobleme für den europäischen Luftraum ergeben wie bei »Euro Hawk«, weil sich amerikanische Hersteller bei Konstruktionsdetails nicht in die Karten schauen lassen. Die bewaffnungsfähige israelische Drohne »Heron TP« gilt dagegen als noch nicht ausgereift.

Die Möglichkeit einer »optionalen Fähigkeit zur Wirkung aus der Luft« werde in die Pläne einbezogen, heißt es in dem Papier. Damit ist die Bewaffnung der Drohne mit lasergesteuerten Raketen und Präzisionsbomben gemeint.

*** Aus: junge Welt, Mittwoch, 29. Mai 2013


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