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Ministerielle Blindflugstaffel

De Maizière und der Euro-Hawk-Skandal: Den letzten beißen die Selbstgerechten

Von René Heilig *

Man muss Thomas de Maizière nicht in sein Herz geschlossen haben, um festzustellen: Nicht jeder, der jetzt nach dem (einstweiligen) Euro-Hawk-Absturz Steine auf den Verteidigungsminister von der CDU wirft, ist frei von Schuld am Drohnen-Debakel.

Das Verteidigungsministerium hat zur Entwicklung und Beschaffung der Aufklärungsdrohne »Euro Hawk« das Geld mit vollen Händen rausgeworfen, obwohl man wissen konnte, dass der Roboter keine Genehmigung zum Abheben erhalten darf. Man wirft Minister Thomas de Maizière vor, er habe die Drohne noch am 8. Mai dieses Jahres - als das Kabinett seinen Bericht zur Neuausrichtung der Bundeswehr behandelte - zu den sogenannten strukturrelevanten Hauptwaffensystemen gerechnet.

Ja und? Das trifft für den Euro-Habicht - hergestellt vom US-Konzern Northrop-Grumman und EADS-Cassidian - ja auch zu. Er ist Teil eines militärpolitischen Konzepts, das der Bundeswehr gestattet, Einsätze in neuer Qualität zu führen. Das unbemannte Flugzeug ist eine global einsetzbare Plattform zur Erfassung aller elektromagnetischen Daten in einem zugewiesenen Aufklärungsraum. Keine noch so kleine Funknachricht, kein messbarer Radarstrahl entgeht ihr. Nur mit diesem Wissen kann man eigene angreifende Truppen effektiv schützen. Mit dem »Euro Hawk« - Reichweite rund 23 000 Kilometer - hätte Deutschland sich vor allem vom großen Bruder USA ein wenig abkoppeln und - wie Militärs schwärmen - eine gewisse Unabhängigkeit bei der Lageanalyse erreichen können. Auch die Führerschaft gegenüber den europäischen NATO-Partnern wäre gestärkt worden.

Doch plötzlich wird aus dem »hochfliegenden Meilenstein« ein Mühlstein, der die Verantwortlichen noch schneller im Beschaffungsmorast versinken lässt. Denn der Roboter, dessen Spannweite größer ist als die einer Boeing 737, bekommt keine Zulassung. Die müsste ihm ausgestellt werden von der Wehrtechnischen Dienststelle 61 in Manching. Wolfgang Steiger, Direktor dieser Musterprüf- und Zulassungsstelle hatte bereits im August 2011 darauf hingewiesen, dass man Gesetze einzuhalten habe. Das heißt, die dem Ministerium nachgeordnete Behörde kann nicht vergessen machen, dass der Drohne wesentliche Sicherheitssysteme fehlen, um die Gefahr eines Zusammenstoßes mit anderen Flugzeugen zu verringern.

Eigentlich könnte man die relativ einfach nachrüsten - wenn man wüsste, wie das Ding insgesamt funktioniert. Doch wie bei zahlreichen anderen Waffensystemen lassen die US-Hersteller ihre Kunden nicht in die »Black Box« schauen.

Allein diese Blindheit ist Grund genug, die für den derzeit erprobten Prototypen erteilte vorläufige Zulassung nicht für den Normalbetrieb zu erweitern. Wer ist nun Schuld daran? De Maizière! So jedenfalls tönen vor allem SPD und Grüne. Die Experten gerade dieser Parteien hätten allen Grund kleinlaut zu sein. Es waren Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) und sein Generalinspekteur Harald Kujat, die sich im Jahr 2000 das US-System »Global Hawk« als fliegenden Träger für die vom europäischen EADS-Konzern zu entwickelnde Aufklärungstechnik ausguckten. Damals regierte Rot-Grün. Danach reihten sich die Minister - Struck (SPD), Jung (CDU), zu Guttenberg (CSU) in die »Blindflugstaffel« ein und verschleuderten Steuergelder in dreistelliger Millionenhöhe.

Dabei gab es schon 2004 eine Studie, die insbesondere in der Auf- und Abstiegsphase des »Euro Hawk« Zusammenstöße mit anderen Fluggeräten befürchten ließ. Eine Zulassung im hochfrequentierten deutschen Luftraum wie in den Verantwortungsgebieten aller anderen 190 Mitgliedsstaaten der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) sei nicht möglich, hieß es. EADS versprach ein sogenanntes »Sense and Avoid-System« zu schaffen. Kontrolliert hat das offenbar niemand.

Schon bei der Überführung des Prototypen aus den USA nach Deutschland im Juli 2011 gab gravierende Pannen. Der irdische Pilot verlor offenbar zweimal für jeweils rund zehn Minuten den Satellitenkontakt zur Drohne, die vom Kurs abkam und die vorgeschriebene Flughöhe nicht einhielt. Ende 2011 lag dem Verteidigungsausschuss ein geheimer Bericht vor, in dem eingeräumt wurde, dass eine reguläre Musterzulassung für die Euro-Hawk-Serienflugzeuge nur mit erheblichem Mehraufwand von 500 bis 600 Millionen Euro zu erreichen wäre. Das wiederholte Staatssekretär Thomas Kossendey am 22. April 2013 in einem Sachstandsbericht: »Hinsichtlich des Erwirkens einer Muster- und Verkehrszulassung« seien nach aktueller Bewertung »erhebliche Risiken und Mehrkosten festgestellt worden«. Kein Abgeordneter zuckte. Umso »glaubhafter« sind jetzt Rücktrittsforderungen an Thomas de Maizière, der seinerseits die Dinge lieber ausgesessen hätte bis nach der Bundestagswahl.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 22. Mai 2013

Drohnen - strategisches Aufklärungssystem der Bundeswehr?

Vor fast genau 20 Jahren ist schon einmal ein strategisches Aufklärungssystem der Bundeswehr abgestürzt. Seine Entwicklung geht auf das »Positionspapier FmEloAufklLw« aus dem Jahre 1985 zurück. Nach mehreren Zwischenstufen entschied man sich dafür, gemeinsam mit den USA ein solches System zu entwickeln.

Das entsprechende Flugzeug wurde in enger Zusammenarbeit mit E-Systems (später Raytheon) von der deutschen Firma Burkhart Grob Luft- und Raumfahrt GmbH & Co. KG in Mindelheim-Mattsies entwickelt und gebaut.

1992 mehrten sich die Anzeichen, dass Bundesverteidigungsminister Volker Rühe (CDU) das System, das inzwischen LAPAS hieß, stoppen wollte. Dennoch stand Mitte Januar 1993 der Prototyp zur Erprobung bereit. Erst am 12. Mai 1993 beschließt der Verteidigungsausschuss das »Aus«. Ein geplanter Truppenversuch, um das Projekt zu einem »qualifizierten Abschluss« zu bringen, kommt nicht mehr zustande.

Im selben Jahr wurde die Verwicklung der Firma Grob in die sogenannte Amigo-Affäre publik. In diesen Bestechungsskandal war Bayerns Max Streibl (CSU) verwickelt. Ihm wurde vorgeworfen, sich unrechtmäßigerweise beim Bundesministerium der Verteidigung für den Zuschlag an Grob eingesetzt zu haben. Zudem soll er - so der nie bestätigte Vorwurf - beim Bundesministerium für Forschung und Technologie und der Landesanstalt für Aufbaufinanzierung Fördermittel für Grob erschlichen haben. hei




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