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De Maizière verstrickt sich

Opposition will Untersuchungsausschuss zur »Euro Hawk«-Pleite beantragen

Von Uwe Kalbe *

Die Demontage des Bundesverteidigungsministers setzt sich fort. Bei seiner Aussage am Montag im Verteidigungsausschuss des Bundestages konnte sich Thomas de Maizière keine Luft verschaffen.

Womöglich kommt es nun noch auf den letzten Metern der Legislaturperiode zu einem weiteren Untersuchungsausschuss. Am Mittwoch wollen die Grünen einen solchen im Bundestag beantragen, um die Widersprüche um das Drohnenprojekt »Euro Hawk« aufzuklären. Am Montag ist Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière erneut ein Stück zurückgewichen, indem er weitere Versäumnisse einräumte. Im Verteidigungsausschuss des Bundestages räumte er ein, dass er nun doch nicht erst am 13. Mai dieses Jahres Unterlagen in die Hand bekommen hat, die die ausweglose Lage der Euro-Hawk-Drohne dokumentierten. Noch in der vergangenen Woche hatte der Minister beteuert, vor diesem Datum keine Vorlage erhalten zu haben. Bei seinem Auftritt am Montag gestand de Maizière wiederum Fehler bei der Führung des Ministeriums ein, nicht aber bei den Entscheidungen über den »Euro Hawk«. Einen Rücktritt lehnte er erneut ab.

Vorausgegangen war unter anderem die Veröffentlichung der Antworten auf eine Kleine Anfrage des LINKE-Abgeordneten Michael Leutert. Schon im Juni 2012 hatte de Maizières Ministerium demnach die Mehrkosten für die Drohne in vagen Aussagen über mögliche Verzögerungen und den »Risikocharakter« des Projekts verschleiert. Sie waren jedoch offenkundig schon damals bezifferbar. Die entsprechenden Dokumente wurden nachträglich als vertraulich eingestuft. Im Dezember desselben Jahres erhielt der Minister anlässlich eines Besuchs bei EADS/Cassidian in Manching aus seinem Haus eine 38-seitige Mappe, in der es auch um den »Euro Hawk« gegangen sei, wie der »Spiegel« berichtete. Zuerst habe das Ministerium die bekannten Risiken verschwiegen, und heute behaupte sein Chef auch noch, der Bundestag sei 2012 vollständig informiert worden, zeigte sich Leutert über die »doppelte Lüge« empört.

SPD und LINKE zeigten zunächst wenig Begeisterung über den Vorschlag der Grünen zu einem Untersuchungsausschuss, stimmten der Forderung dann aber zu. Dass der Ausschuss vom Wahlkampf getrieben sein dürfte, darauf lassen auch Äußerungen aus der Koalition schließen. So kündigte der CDU/CSU-Verteidigungsexperte Ernst-Reinhard Beck an, in diesem Fall die Verantwortung von SPD und Grünen zur Sprache zu bringen. »Das ist ein rot-grünes Projekt, von Anfang an ein rot-grünes Projekt. Wir würden dann auch die entsprechenden Väter und Mütter hierher zitieren«, wurde er von der Agentur dpa zitiert. Linksparteichef Bernd Riexinger knüpfte ein Ja zum Ausschuss denn auch an die Bedingung, dass der Untersuchungsauftrag alle Vorgänge seit der Jahrtausendwende umfassen müsse. Dann müssten alle Verantwortlichen aussagen, »ob sie nun Trittin, Steinbrück oder de Maizière heißen«, sagte er der »Freien Presse«.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 11. Juni 2013


Indrohnisiert

Von Uwe Kalbe **

Längst ist der eigentliche Skandal in den Hintergrund getreten. Die größte Kraft entfaltet die Opposition im Schulterschluss. Und so ballen sich ihre Vorwürfe rings um den Terminkalender des Verteidigungsministers. Jener Disput hingegen, ob Drohnen für die Bundeswehr angeschafft werden sollen, zu welchem Preis und mit welchen Zielen, würde im Chor der Kritiker schnell zu Dissonanzen führen. Der nun in Aussicht stehende Untersuchungsausschuss wird dies wieder ein wenig deutlicher erkennen lassen. Die Drohnen, darauf weist die CDU zu Recht hin, waren ein Projekt schon der rot-grünen Bundesregierung.

Doch geht es allein darum, die Krise, in die sich der Verteidigungsminister auf unnachahmliche Weise manövriert hat, zur Krise der Bundesregierung aufzuschäumen. Eine Art Indrohnisierung des Ministers als ständiger Unsicherheitsfaktor findet da statt – mit dem klaren Ziel: Rücktritt. Das ist das einende Ziel der in der Sache »Euro Hawk« sehr unterschiedlich urteilenden Oppositionsparteien, und die Erfolgschancen stehen nicht schlecht. Selbst Koalitionspartner FDP lässt erkennen, dass ihm das Agieren de Maizières nicht geheuer ist. Als schwächstes Glied in der Koalition fällt es den Liberalen am schwersten, ein Pokerface aufzusetzen, ist ihnen als ersten die Panik anzusehen. So bleibt jetzt nur noch offen, wie lange es dauert, bis auch die Bundeskanzlerin genug hat. Mit jedem neuen Widerspruch, in den sich de Maizière verheddert, zieht sich die Schlinge zu. Und Angela Merkel hat die Wahl zwischen Geduldsfaden und Reißleine.

** Aus: neues deutschland, Dienstag, 11. Juni 2013


Verteidigungsminister klebt an seinem Stuhl

De Maizière lehnt Rücktritt ab. SPD und Grüne beantragen Untersuchungsausschuß ***

Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) will nicht gehen, wird sich aber einem Untersuchungssauschuß stellen müssen. Nach einer Sitzung des Verteidigungsausschusses am Montag lehnte er einen Rücktritt wegen der »Euro Hawk«-Affäre ab. Der Minister räumte lediglich Fehler ein. »Wir haben handwerklich nicht sorgfältig genug gehandelt.« In der Sache sei seine Entscheidung aber richtig gewesen, deshalb gebe es »keinen Rücktrittsgrund«.

Die Oppositionsparteien werfen de Maizière hingegen vor, über das Scheitern der Aufklärungsdrohne »Euro Hawk« schon früher Bescheid gewußt zu haben, als er heute behaupte. Dazu sagte de Maizière: »Die Entscheidung zum geordneten Ende des seit über zehn Jahren dauernden ›Euro Hawk‹-Projekts ist richtig. Auch der Zeitpunkt ist richtig gewesen. Eine frühere Entscheidung hätte den Schaden eher vergrößert als verringert.«

Eine Distanzierung von de Maizière aus den eigenen Reihen zeichnet sich derzeit nicht ab. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich zuvor erneut hinter ihren Minister gestellt. Auch aus den Reihen des Koalitionspartners FDP bekam er am Montag Unterstützung.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier kündigte gestern hingegen an, daß die SPD in dieser Woche die Einsetzung des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuß beantragen werde. Gemeinsam haben SPD und Grüne die dafür erforderliche Mehrheit.

Die Linkspartei bekräftigte ihre Forderung nach einem Rücktritt des Ministers. »Es ist offensichtlich, daß er nicht die Wahrheit gesagt hat«, erklärte Linken-Geschäftsführer ­Matthias Höhn am Montag. Inge Höger, abrüstungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, ergänzte: »Immer deutlicher wird auch, daß im Verhältnis von Rüstungsindustrie und Bundesregierung der Schwanz allzu oft mit dem Hund wedelt: Das ›Euro Hawk‹-Projekt ist die Spitze eines Eisberges aus Gutgläubigkeit, Intransparenz, Schönrechnerei und Lieber-nicht-so-genau-wissen-Wollen«.

*** Aus: junge Welt, Dienstag, 11. Juni 2013


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