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Neue Vorwürfe im Drohnendebakel

De Maizière gerät wegen Flugunfällen weiter unter Druck *

Das Bundesverteidigungsministerium kommt in Sachen Euro Hawk nicht zur Ruhe. Neue Vorwürfe kommen unter anderem vom Bundesrechnungshof.

Das Verteidigungsministerium hat sich am Wochenende erneut gegen Vorwürfe zu Drohnenprojekten zur Wehr setzen müssen. Der Bundesrechnungshof bemängelte laut »Süddeutscher Zeitung« die Stückelung von Änderungsverträgen beim gescheiterten Euro-Hawk-Projekt, die wegen des jeweils geringeren Kostenvolumens dann nicht dem Parlament vorgelegt werden mussten.

Der Rechnungshof beschäftigte sich laut dem Bericht mit Änderungsverträgen zu dem Anfang 2007 unterzeichneten Entwicklungsvertrag für die Aufklärungsdrohne. Die Opposition hatte moniert, dass allein 2012 binnen fünf Monaten drei neue Änderungsverträge abgeschlossen wurden, die das Vertragsvolumen um insgesamt 38,3 Millionen Euro erhöhten. Bei einer einzelnen Änderung wäre die Grenze von 25 Millionen Euro überschritten worden, ab der ein solcher Vertrag dem Parlament vorgelegt werden muss. Das Verteidigungsressort wies der »Süddeutschen« zufolge in seiner Stellungnahme für den Rechnungshof den Vorwurf der bewussten Umgehung des Parlaments zurück. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) hatte das Projekt im Mai gestoppt, als bereits mehr als 500 Millionen Euro Kosten entstanden waren.

Wegen des Drohnendebakels will sich der Verteidigungsausschuss am Mittwoch als Untersuchungsausschuss konstituieren. Die Abgeordneten einigten sich laut »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« (F.A.S.) weitgehend über dessen Mandat.

Das Verteidigungsministerium wies am Wochenende auch Vorwürfe aus der Opposition zurück, den Bundestag nicht ausreichend über Drohnen-Unfälle bei der Bundeswehr aufgeklärt zu haben. Ein Sprecher kritisierte, dass Zahlen aus einer Antwort des Ministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion, die auch von der »F.A.S.« zitiert wurden, »verkürzt dargestellt« worden seien. Den Zahlen zufolge verlor die Bundeswehr von 871 bislang betriebenen Drohnen 124 durch Flugunfälle. Das Verteidigungsministerium habe aber im März 2011 nur den Absturz von zwölf Drohnen zugegeben, im Februar 2012 habe es 17 Abstürze aufgelistet. Zu diesem Zeitpunkt habe die Bundeswehr jedoch schon 116 Unfälle verzeichnet.

* Aus: neues deutschland, Montag, 24. Juni 2013



De Maizière soll Abstürze verheimlicht haben

Jede siebte Bundeswehr-Drohne geht verloren. Opposition bezichtigt Verteidigungsministerium der Lüge **

Bislang unbekannte Zahlen über abgestürzte Bundeswehr-Drohnen bringen Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) in Bedrängnis. Sein Ministerium soll den Bundestag jahrelang falsch über das Ausmaß von Drohnenunfällen bei der Bundeswehr informiert haben. Die Opposition beruft sich auf die Regierungsantwort zu einer Anfrage aus der Linksfraktion. Laut dem Papier, das der Linken-Abgeordnete Andrej Hunko veröffentlichte, hat die Bundeswehr von 871 betriebenen Drohnen 124 durch Flugunfälle verloren. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) hatte berichtet, daß das Ministerium im März 2011 den Absturz von lediglich zwölf Drohnen gemeldet habe, im Februar 2012 seien insgesamt 17 Abstürze aufgelistet worden. Zu diesem Zeitpunkt habe die Bundeswehr tatsächlich jedoch schon 116 Unfälle verzeichnet.

Die von der FAS zitierte Antwort auf die parlamentarische Anfrage sei verkürzt dargestellt worden, hieß es in einer am Samstag in Berlin veröffentlichten Stellungnahme des Verteidigungsministeriums. Unter den jetzt genannten 124 verlorenen Drohnen seien auch solche, die bei einer »systemkonformen Landung« so beschädigt worden seien, daß eine Reparatur nicht wirtschaftlich gewesen sei. »Den Vorwurf, daß das Verteidigungsministerium den Bundestag im unklaren gelassen bzw. Abgeordnete falsch informiert hätte, weise ich deutlich zurück«, erklärte ein Sprecher des Hauses.

Hunko sagte der Zeitung: »Ich muß davon ausgehen, daß das Parlament wissentlich belogen wurde«. Rainer Arnold von der SPD äußerte »den Verdacht, daß der Minister alle Informationen unterdrückt hat, die seiner Absicht zuwiderliefen, zügig Kampfdrohnen zu beschaffen«. Unionsfraktionschef Volker Kauder betonte, die Bundeswehr müsse mit dem modernsten Gerät ausgestattet sein. »Unsere Soldaten müssen einen technologischen Vorsprung vor ihren Gegnern haben, denen oft jedes Mittel zur Tötung recht ist«, sagte der CDU-Politiker der Welt am Sonntag.

** Aus: junge Welt, Montag, 24. Juni 2013


Drohnen-Baron de Maizière setzt Täuschung des Parlamentes fort

Pressemitteilungen von Andrej Hunko

Freitag, 21. Juni 2013

„Die Bundeswehr will ihre 16 eigenen Drohnen zunächst als Aufklärungssysteme konzipieren und deren Bewaffnung später nachholen. Dies hat mir die Bundesregierung als ‚optionale Fähigkeit zur Wirkung aus der Luft‘ jetzt bestätigt. Es ist deshalb eine weitere Täuschung wenn der Verteidigungsminister behauptet, zur militärische Drohnen-Strategie zunächst den neu gewählten Bundestag zu fragen“, erklärt der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko anlässlich der Antwort auf eine entsprechende Kleine Anfrage.

Andrej Hunko weiter:

„Hinter den Kulissen wird die Beschaffung weiter vorangetrieben. Im Januar 2012 hat das Bundesverteidigungsministerium eine Anfrage in den USA zur Lieferung zunächst unbewaffneter ‚Predator B‘ gestellt. Die israelische Firma IAI hat zusammen mit der EADS-Tochter Cassidian Airborne Solutions zuvor ein informelles Angebot für den Typ ‚Heron TP‘ übermittelt. Auch diese Drohne kann nachträglich bewaffnet werden.

Zudem wurde der mögliche Ablauf einer Beschaffung mit Verteidigungsministerien der USA und Israels erörtert. Das ist ein Schlag ins Gesicht für deutsche Abgeordnete, denn hierzulande wird der Vorgang weiter vernebelt.

Noch im Juni wird das offizielle Angebot für die ‚Predator‘ erwartet. Danach will das Verteidigungsministerium die Vorschläge ‚hinsichtlich der wirtschaftlichen und technischen Aspekte‘ bewerten.

Zur Beschaffung der Kampf- und Spionagedrohnen für die Bundeswehr legt de Maizière die parlamentarische Kontrolle auf Eis. Bereits im April hatte ich dazu zwei Kleine Anfragen eingereicht, die innerhalb zwei Wochen beantwortet werden müssen. Dieses Fragerecht ist sowohl in der Geschäftsordnung als auch im Grundgesetz verankert. Der Zeitraum verstrich ohne Angaben von Gründen, die dreiwöchige Verlängerung wurde erst auf meine Nachfrage mitgeteilt. Auch diese Frist wurde - ohne mich wenigstens in Kenntnis zu setzen - grob überschritten.

Durch stetes Nachfragen konnten wir jetzt eine weitere Heimlichtuerei aufdecken. Die Bundeswehr verfügt über 871 Drohnen unterschiedlicher Größe. Allerdings sind bereits 124 Flugroboter abgestürzt, darunter allein 52 vom Typ ‚LUNA‘. Auf frühere Anfragen von mir und meinem Kollegen Paul Schäfer wurde jedoch geantwortet, es seien höchstens acht ‚LUNA‘-Drohnen vom Himmel gefallen. Hierzu erwarte ich eine umgehende Stellungnahme des Verteidigungsministeriums.

Ich muss davon ausgehen, dass das Parlament wissentlich belogen wurde. Der Unterausschuss zum ‚Euro Hawk‘ muss sich deshalb auch mit der Informationspolitik des Verteidigungsministeriums zu den übrigen Drohnen befassen.

Die Linksfraktion stemmt sich weiter gegen die undurchsichtige Drohnen-Strategie der Bundesregierung. Statt unbemannter Überwachung und einer neuen tödlichen Waffengattung brauchen wir eine internationale Drohnenkonvention. Die Entwicklung und der Einsatz von Drohnen muss strikt auf eindeutig zivile und humane Anwendungen begrenzt bleiben.“

Antwort auf die Kleine Anfrage „Militärische Drohnen-Strategie der Bundesregierung: Kampfdrohnen“

Antworten auf parlamentarische Initiativen des MdB Paul Schäfer zu Abstürzen von „LUNA“-Drohnen

Quelle: Website von Andrej Hunko, MdB; http://www.andrej-hunko.de


Drohnen zu stör- und vertuschungsanfällig

„Die Desinformation des Verteidigungsministeriums zum Thema Euro Hawk ist kein Einzelfall, sondern scheint Methode zu haben“, kommentiert Paul Schäfer, verteidigungspolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke, unterschiedliche Antworten des Verteidigungsministeriums auf schriftliche Fragen zu Drohnenabstürzen. „Das Verteidigungsministerium führt das Parlament in schlechter Regelmäßigkeit hinter die Fichte. Konsequenzen: Fehlanzeige.“ Schäfer weiter:

„Zwischen 2004 und 2011 sind nach neuen Angaben des Verteidigungsministeriums vom Juni 2013 allein über Afghanistan 40 LUNA-Drohnen abgestürzt. Am 24. März 2011, drei Wochen nach dem Amtsantritt von Thomas de Maizière, hingegen hat das Verteidigungsministerium gegenüber dem Parlament für diesen Zeitraum nur 4 Abstürze über Afghanistan eingeräumt. Diese Differenz lässt sich nicht mit schlampiger Datenerfassung oder langen Meldewegen begründen. Das Verteidigungsministerium nimmt es mit der Wahrheit nicht so genau. Die politische Verantwortung dafür trägt der Minister. Der Verdacht liegt nahe, dass die Drohnenbefürworter um Verteidigungsminister de Maiziere ihre Illusion der Lösbarkeit von Problemen nicht öffentlich hinterfragt sehen wollten.

Für die Fraktion DIE LINKE zeigt das: Drohnentechnologie ist zu störanfällig, und Drohneneinsätze sind zu vertuschungsanfällig. Im Licht der Absturzquote der LUNA-Drohnen muss die Risikobewertung neu vorgenommen werden, an eine allgemeine Luftraumzulassung ist nicht zu denken. Darüber hinaus wird es höchste Zeit für ein Moratorium für die Entwicklung, Beschaffung und den Einsatz von Kampfdrohnen. Außenpolitische Verhandlungen mit dem Ziel der internationalen Ächtung müssen umgehend folgen.“

Quelle: Website von Paul schäfer, MdB; www.paulschaefer.info/




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