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Trotz de Maiziéres Debakel: Aufrüstung mit Drohnen bleibt auf der Agenda

Der weltweite deutsche Luftkrieg soll möglich werden

Von Ulrich Sander *

Die Bundeswehr hat für eine halbe Milliarde Euro das untaugliche Testgerät einer Späh-Drohne „Euro Hawk“ gekauft und darüber den Rechnungshof und die Luftsicherheit nicht ausreichend informiert. Zudem wurden Hunderte Millionen für die Vorbereitung des Einsatzes von Späh-, aber auch Kampfdrohnen ausgegeben. Näheres weiß nur das Bundesluftfahrtsamt, das offenbar Schwierigkeiten machte – wegen der Gefährdung des deutschen Luftraums. Das weist auf beabsichtigte Gesetzesverstöße hin, die schwerwiegend sind.

Sparsamkeit und Vernunft walten jedenfalls nicht bei der Truppe. Das viele Geld, das in den Sand gesetzt wurde, ist jedenfalls nicht aus der Sicht des Militärs vergeudet. Die Entwicklungs- und Beschaffungspläne für „Global Hawk“, „Heron“ oder „Talarion“, die Aufträge an den Luft- und Raumfahrtkonzern EADS wurden nicht storniert, auch nicht die an die Euro Hawk GmbH. Am Tage der Ministerrede zum vorläufigen Rückzug aus dem Koloß Euro Hawk - oder kurz davor - erschienen dort, wo die Drohnen stationiert werden sollen und dort, wo sie gelenkt und geleitet werden, höchste Vertreter des Kriegsministeriums, um zu signalisieren: Die Vorbereitung auf den Weltraumkrieg par Roboter - mittels Beobachtungs- wie Kampfdrohnen - laufen wie geplant weiter.

Inge Höger, abrüstungspolitische Sprecherin der Fraktion der Linkspartei im Bundestag, die das Projekt schon seit Jahren kritisiert, informierte darüber, daß für die erste Testversion der Drohne „Euro Hawk“ nicht nur über 500 Mio. Euro verpulvert wurden, sondern daß zudem mit Millionenkosten der Luftwaffenstützpunkt Jagel für die Nutzung durch die Drohnen umgebaut wurde. Umgebaut wurde auch in Kalkar/Uedem.

Der Generalinspekteur gab weiter grünes Licht

Dort erschien zeitgleich mit der Ministerrede im Reichstagsgebäude „Deutschlands ranghöchster Soldat“, wie das Provinzblatt „Rheinische Post“ stolz verkündete. Der Generalinspekteur der Bundeswehr General Volker Wieker „machte sich vor Ort ein Bild vom Stand der Umstrukturierungsmaßnahmen im Zuge der Neuausrichtung der Bundeswehr.“

Diese „Neuausrichtung“ genannte „Reform“ mache die Bundeswehr billiger, behauptete der Minister de Maiziére im Parlament. Aber gerade das „Kommando Operative Führung“ in Kalkar/Uedem am Niederrhein wird künftig einen auf eintausend Mann verdoppelten Personalstand haben. Es handelt sich um Spezialisten, die den Luftraum Europas und Asiens nördlich der Alpen mit „unmanned airkraft systems“ (UAS) nicht nur „sichern“, sondern auch beschießen können (lt. Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 11.11.2011) - ganz anders als de Maiziére es darstellte, der von Drohnen als "Gefechtfeldwaffen" spricht. UAS können sowohl Späh- als auch Kampfdrohnen sein. „Im Mittelpunkt des Interesses des Gastes aus dem Verteidigungsministerium stand der Aufbau des Zentrum Luftoperationen, das zum 1. Juli dieses Jahres seinen Dienst in Kalkar und Uedem aufnimmt. In dieser Kommandobehörde werden künftig einmalige Fähigkeiten von der Sicherheit im Luftraum, über die Erstellung eines Weltraumlagebildes bis hin zu einem Hauptquartier für die Führung von Luftoperationen im Rahmen der NATO, gebündelt.“ So die Rheinische Post am 17. Mai 2013.

Der Aufbau des Zentrum Luftoperationen – gemeinsam von Bundeswehr, USA und Nato betrieben - sei auf einem guten Weg, befand der Kommandeur vor Ort, Generalleutnant Joachim Wundrak. Und Generalinspekteur Wieker sicherte diesem „die Unterstützung des Ministeriums“ zu.

Inge Höger verlangte in ihrer Erklärung zur Ministerrede: „Allein die Unfähigkeit des Ministeriums, die Vorschriften der Luftsicherheit zu berücksichtigen, wodurch ja auch die zivile Luftfahrt gefährdet wird, sollte Anlaß genug sein, jeglichen Drohnenträumen der Bundeswehr ein Ende zu bereiten.“ Offenbar habe der politische Druck, die Drohnen als Machtinstrument zu etablieren, in Kombination mit dem Versuch, die transatlantische Rüstungskooperation zu stärken, eine gefährliche Eigendynamik erzeugt.

Medien betreiben Kriegsverherrlichung

Die Drohnenpläne der Bundesregierung - egal ob es um Überwachung im Inland oder um das heimtückische Töten von vermeintlichen Gegnern überall auf der Welt geht – werden von der Friedensbewegung als ein Angriff auf Demokratie und internationales Recht, ja auf den Weltfrieden angesehen. Doch wer sich dem Schwur von 1945 verpflichtet fühlt: "Nie wieder Krieg und Faschismus", wird von Leitmedien wie die „Süddeutsche Zeitung“ als "naiv" bezeichnet. Ganzseitig wird eine – kostenlos oder bezahlte - Werbung in Artikelform abgedruckt: „Entscheidet Euch“ (11. Mai 2013). Diese Medien möchten, daß wir uns für Krieg, noch dazu für einen mit Kampfdrohnen entscheiden.

Der Kanzler des Kalten Krieges, Konrad Adenauer (CDU), strebte nach Atombomben für die BRD und nannte einst die Nuklearwissenschaftler auch "naiv", denn sie hätten nicht begriffen, daß Atomwaffen eine "weiterentwickelte Artillerie" seien. Die Militärs und ihre Reserveoffiziere in den Redaktionen reden nun auch davon, daß Kampfdrohnen „Gefechtsfeldwaffen" und somit zulässig sind. Sie werden aber nicht auf dem Gefechtsfeld eingesetzt, es sei denn, man sieht alles Gebiet nördlich der Alpen als dauerhaften Kriegsschauplatz an.

Die US-Drohnen werden von Florida und Nevada aus gesteuert. Und die deutschen sollen von Ramstein und Kalkar/Uedem aus gesteuert werden. Offiziell behauptet man, die Entscheidung über den Kauf und die Verwendung von Kampfdrohnen werde erst nach den Wahlen fallen. Sie ist jedoch gefallen. Nun wird nach dauerhaften Stationierungsorten gesucht. Für die Patriot -Raketen, ebenfalls von Kalkar aus steuerbar, wurde schon ein Stationierungsort gefunden: an der türkisch-syrischen Grenze. Dort hat die deutsche Luftsicherheit nichts zu sagen.

Es soll uns eingeredet werden, daß mit Drohnen Militärfotografen und Scharfschützen ersetzt werden, um „unsere Soldaten“ zu schützen. Im Schutz der Drohnen und mit ihrer Hilfe können dann Bewohner des besetzten Landes umgebracht werden – über die Zahl der Opfer spricht man in den Medien nicht mehr. Es können damit auch Massenvernichtungswaffen transportiert und eingesetzt werden. In Kalkar am Niederrhein und Jagel in Schleswig-Holstein – nicht zu vergessen im US-Hauptstützpunkt Ramstein und am A-Waffen-Standort Büchel – sind nun weitere Aktionen der Friedensbewegung notwendig, um die Öffentlichkeit auf die Gefahren hinzuweisen: Kriege beginnen hier! Und hier müssen sie gestoppt werden! So hieß es bereits bei ersten Mahnaktionen in Kalkar und vor dem möglichen Drohnenproduzenten Rheinmetall in Düsseldorf.

* Uli Sander, Dortmund, Journalist, ist einer der Sprecher der VVN-BdA (Vereinigung der verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschist_innen) und aktiv in der Friedensbewegung (Ostermarsch Ruhr, Bundesausschuss Friedensratschlag).
Dieser Beitrag erschien in der Sozialistischen Wochenzeitung "unsere zeit" vom 24. Mai 2013



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