"Illegal, unnötig und außer Kontrolle"
Auch in den USA wird die Kritik an Obamas Drohnenpolitik in Pakistan und anderswo lauter
Von Max Böhnel, New York *
Seit Jahren setzen die USA in Pakistan
Drohnen ein, um tatsächliche oder
vermeintliche Extremisten aus der
Luft zu töten – trotz Protesten aus Islamabad.
Jetzt wies ein pakistanisches
Gericht die Regierung an, die
unbemannten Flugzeuge notfalls abschießen
zu lassen. Auch in den USA
wird das »targeted killing« immer
stärker kritisiert.
Rechtsstaatliche Fragwürdigkeit
und Geheimnistuerei – so lautet
der Befund, den Politiker der Obama-
Regierung vorhalten. Kritik
äußerte am Dienstag beispielsweise
Harold Koh, bis 2010 Chefjurist
des Außenministeriums. Die
Drohnenpolitik müsse sich endlich
»in Disziplin« üben. Das
Drohnenprogramm werde als »illegal,
unnötig und außer Kontrolle
« wahrgenommen. Es sei in
der Öffentlichkeit nicht mehr zu
verteidigen.
Seit einigen Wochen mehren
sich auch im Kongress die Stimmen
von Abgeordneten und Senatoren,
denen der Antiterrorkrieg
à la Obama nicht mehr einleuchtet.
Im öffentlichen National
Public Radio NPR nannte Obamas
ehemaliger Antiterror-Berater Michael
Boyle das Kind beim Namen:
»Die Regierung betreibt im
Prinzip eine Politik des Killensund-
nicht-Festnehmens.« Problematisch
sei auch, »dass du von denen,
die du umbringst, keine Informationen
mehr erhältst«.
Dass das Morden mit Tötungsrobotern
unerwünschte Resultate
bringt, erfuhren Mitte der
Woche hochrangige Politiker aus
erster Quelle bei Anhörungen im
Kongress. Zunächst kam die Juraprofessorin
Rosa Brooks zu Wort, die während der ersten
Obama-Regierung an hoher Stelle
im Verteidigungsministerium gearbeitet
hatte. Die Exekutive maße
sich das Recht an, »jedermann
irgendwo auf der Welt jederzeit zu
töten, aus Geheimgründen, die auf
Geheimbeweisen beruhen, die in
einem Geheimprozess von unbekannten
Beamten gewonnen wurden«, geißelte sie die Regierung.
Der jemenitische Journalist
Fadea Al-Muslimi berichtete von
einem USA-Drohnenangriff auf
sein Heimatdorf und die Reaktionen
der bäuerlichen Bevölkerung.
Der tödliche Terror aus der Luft
auf sein Dorf sei »keine Ausnahme
« gewesen und stelle »für viele
Jemeniten inzwischen das Gesicht
Amerikas« dar, warnte er. Wegen
der Drohnenangriffe schlössen
sich junge Männer Al-Qaida an.
Bis vor ein paar Monaten noch
waren es die linken Feministinnen
von »Code Pink« oder die
Rechtsanwaltsvereinigung »Center
for Constitutional Rights«, die
das Drohnenprogramm als Bedrohung
für die nationale Sicherheit
der USA kritisierten.
Hunderte von Aktivisten
sind in den vergangenen Jahren
wegen zivilen Ungehorsams vor
Militäreinrichtungen festgenommen worden. Ende April
wurden 31 Menschen an der »Hancock Air Force Base« im Bundesstaat
New York in Handschellen
abgeführt. Dort starten Drohnen.
300 Demonstranten hatten einen
symbolischen Beerdigungszug abgehalten,
um gegen Drohneneinsätze
in Pakistan, Jemen, Somalia
und Afghanistan zu protestieren.
Dabei verlasen sie eine Anklage
gegen Präsident Obama, das Militär
und Angestellte der Luftwaffenbasis
wegen »Verbrechen gegen
die Menschheit«.
Zum ersten Mal sprach ein Soldat,
der eine Killerdrohne
vom Computer aus bediente,
öffentlich über seine Tätigkeit
als »Drohnenpilot«.
Der 27-jährige Brandon Bryant erzählte
im öffentlichen
Radiosender NPR, wie er von einem PC-Terminal
in Las Vegas aus aufs
Knöpfchen drückte und mit einer
Hellfire-Rakete auf einer Predator-
Drohne Tausende Kilometer
entfernt Menschenleben auslöschte.
»Die Rakete trifft, und
wenn der Rauch weg ist, dann
siehst du die Körperteile.« Als er
in einem anderen Fall eine Rakete
abfeuerte, sah er in letzter Sekunde
ein Kind ins Blickfeld am
Monitor laufen. Doch es war zu
spät. Er habe das »dann nicht
mehr tun können«, erklärte Bryant.
Er quittierte seine Job und ist
heute in psychologischer Behandlung.
Unterdessen mehren sich die
Berichte, dass die Obama-Regierung
auf die Kritik reagieren will.
Die Verantwortung für das Drohnenprogramm
soll teilweise der
CIA entzogen und dem Pentagon
übertragen werden. Möglicherweise
legt die Regierung außerdem
die sogenannten »signature
strikes« auf Eis: das Umbringen
von »Verdächtigen«, deren Namen
nicht bekannt sind.
* Aus: neues deutschland, Samstag, 11. Mai 2013
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