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Erneut Forderung nach Kampfdrohnen

Bundeswehrverband: Einsatz in Afghanistan schon ab 2015 denkbar *

Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus (FDP), hat sich für die Anschaffung von Kampfdrohnen ausgesprochen. Gegenüber dpa sagte er, die unbemannten Flugkörper böten deutschen Soldaten und Verbündeten in Auslandseinsätzen besseren Schutz. Allerdings dürften ethische Fragen bei diesem Thema nicht zu kurz kommen. Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, André Wüstner, präzisierte: »Das ist eine Fähigkeit, die auch wir gebrauchen können, daher ist auch der Bedarf da – gegebenenfalls bereits für die Folgemission in Afghanistan ab 2015.« Wenn Soldatinnen und Soldaten in den Einsatz geschickt werden, »muss ihnen auch das Optimum an Ausrüstung zur Verfügung gestellt werden«. Der Oberstleutnant erinnerte in diesem Zusammenhang an den Koalitionsvertrag und entsprechende Aussagen der neuen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Auch Generalmajor Jörg Vollmer, Kommandeur der Bundeswehrsoldaten in Afghanistan, hält bewaffnete Drohnen »unverändert für ein Mittel, das bestmöglich den Schutz unserer Soldaten gewährleistet«.

Wüstner hatte sich zuvor bereits verbandsintern Gedanken zur Zukunft Afghanistans gemacht: »Wer den ›Patienten Afghanistan‹ von der Intensivstation direkt auf die Straße kippt, braucht sich über negative Folgen nicht zu wundern.« Der Chef des Soldatenverbandes fordert daher »Vernunft, Wille und besondere Diplomatie« und verlangt von von der Leyen wie von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), »gemeinsam und zügig Impulse zu setzen – im Bundeskabinett, aber auch und vor allem auf der internationalen Ebene und über die rein militärische Frage hinaus«. Von der Leyen äußerte sich bislang nicht zur Drohnenproblematik. Steinmeier hatte – noch bevor er Außenminister wurde – klargemacht, dass er in Sachen bewaffnete Drohnen nicht von einer Entscheidung in dieser Legislaturperiode ausgeht.

Gegner der Beschaffung von Kampfdrohnen befürchten, dass die Hemmschwelle für den Waffeneinsatz sinkt, wenn man unbemannte Flugzeuge einsetzt. hei

* Aus: neues deutschland, Freitag, 3. Januar 2014


Eine Drohne mit ganz kleinen Bomben?

Verteidigungsministerium stößt auf viele Probleme bei der Beschaffung von Killerrobotern für die Bundeswehr

Von René Heilig **


Um es mit einem Lieblingswort der Kanzlerin zu sagen: Die Beschaffung bewaffneter Bundeswehr-Drohnen ist aus Regierungssicht alternativlos. Aber welche taugt was und ist wann genehmigungsfähig?

Das Stichwort Drohnen – auch UAS genannt – ist stets und zurecht für Aufregung gut. Leider verlaufen viele Debatten über die Ausrüstung der Bundeswehr mit solchen fliegenden Robotern konfus. Das liegt erstens daran, dass man Äpfel und Birnen vermengt. Zweitens sind zu viele Voraussetzungen für die Beschaffung von unbemannten Fluggeräten unklar. Drittens möchte das Militär solche Fluggeräte (samt Zulassung!) so schnell wie möglich nutzen können.

Langfristig vom Tisch ist die Beschaffung strategischer deutscher Aufklärungsdrohnen à la »Euro Hawk«. Der Bundestagsuntersuchungsausschuss hat eine lange Liste der Beschaffungs- und Zulassungspannen bei diesem HALE-Projekt (High Altitude Long Endurance) angelegt. Die wird nun lektionsmäßig abgearbeitet, um ähnliche Skandale bei zu beschaffenden MALE-Flugkörpern (Medium Altitude, Long Endurance) zu vermeiden.

Die Bundeswehr flog und fliegt bereits solche MALE-Drohnen in Afghanistan – auch schon zu Bruch. Der jüngste Totalverlust eines solchen Aufklärers: 1,7 Millionen Euro. Die »Heron 1« sind vom Herstellerland Israel geleast. Als »Zwischenlösung«. Der Vertrag läuft 2014 aus. Im Bundesministerium der Verteidigung wird daher seit Monaten an einer Nachfolgelösung gearbeitet.

Im Rennen sind der »Predator B« der US-Firma General Atomics sowie der »Heron TP« von Israel Aerospace Industries. Ein Modell aus EU-Fertigung würde zwar gern genommen, doch das gibt es von EADS (jetzt Airbus) nur als Computeranimation oder Holzmodell auf Messen.

Bei den künftigen Systemen wird auf Typen geschaut, die auch bewaffnet eingesetzt werden können. Natürlich wolle man diese Vögel nicht zum Killen von mutmaßlichen Terroristen einsetzen, betont die Bundesregierung und versucht so die von den USA verfolgte Strategie aus besorgten Hirnen zu drängen. Heer und Luftwaffe begründen die Waffenvariante mit vielen – »völkerrechtlich korrekten« – Argumenten. Kampfroboter, die die eigenen Truppen im Einsatz begleiten, könnten in Gefechtssituationen sofort mit ihren Waffen eingesetzt werden. Zur Unterstützung herbeigerufene Flugzeuge oder Kampfhubschrauber brauchen im »Afghanistan-Schnitt« eine halbe Stunde, bis sie am Ort des Geschehens sind.

Ergo: Drohnen können Leben retten oder zumindest besser schützen. Nicht nur das der eigenen Soldaten, so lautet eine besonders perfide Logik. Während sich herbeigeeilte Jetpiloten am Kampfort erst über Freund, Feind und Unbeteiligte informieren müssten, wären die Piloten der permanent eingesetzten Drohnen zu jeder Zeit zu exakter Lagebeurteilung fähig. Sie könnten so Fehlschüsse vermeiden.

Sowohl der »Predator B« wie der »Heron TP« besitzen die erwünschten Fähigkeiten. Nun zählen andere Kriterien. Beispielsweise die Zulassungsfähigkeit. Da hat das billigere israelische Produkt eindeutig Vorteile. Auch bei der Art der Bewaffnung favorisieren die Militärs den »Heron«. Sie hat kleine, lenkbare Gleitbomben am Rumpf. Die Hellfire-Raketen und die 250-Kilo-Bomben des US-Konkurrenzprodukts seien zu wuchtig. Das Argument nehmen verantwortliche Politiker gern auf, denn sie denken schon jetzt daran, wie sie den Tod unschuldiger Zivilisten rechtfertigen können.

** Aus: neues deutschland, Freitag, 3. Januar 2014


Die Moral vom Drohnenwahn

René Heilig über Wunderwaffen und Koalitionsgeschwurbel ***

SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold twitterte am Donnerstag nach einem Pressegespräch: »Bei den Zeitungen ist Sauregurkenzeit, so dass ich mich sicher auf ordentliche Artikel freuen kann.« Gut gedacht, dumm gelaufen. Die dpa hatte das Thema »Krieg und Frieden« schon besetzt. Nicht mit Tolstoi – das wäre vergleichsweise neu gewesen –, sondern mit Drohnen und Drohen. Der Wehrbeauftragte, ein Afghanistan-General, der Bundeswehrverband – alle wollen Wunderwaffen. Solche, die auch Raketen schießen und Bomben werfen können.

Auch wenn man im Moment noch uneins ist, welche Maschine am effizientesten tötet – die Dinger werden schon bald eingesetzt. Skrupel? Ach wo! Im Koalitionsvertrag steht doch, vor der »Entscheidung über die Beschaffung qualitativ neuer Waffensysteme« würden alle damit im Zusammenhang stehenden völker- und verfassungsrechtlichen, sicherheitspolitischen und ethischen Fragen geprüft. »Sorgfältig«. Gerade weil es um »neue Generationen von unbemannten Luftfahrzeugen« geht, »die über Aufklärung hinaus auch weitergehende Kampffähigkeiten haben«. Auch das macht Merkels Monsterkoalition unter sich aus.

Egal, was man da für sich und vor Gott zurecht geschwurbelt hat – Krieg, also der Einsatz von Waffen, und Menschlichkeit schließen einander aus. Zudem ist es höchst naiv zu glauben, die Taliban (oder wie unsere nächsten Feinde heißen mögen) hätten nicht längst eine blutige Antwort auf deutschen Drohnenwahn parat.

*** Aus: neues deutschland, Freitag, 3. Januar 2014 (Kommentar)


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