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Minister: Drohnen sind "zulässige Kriegslist"

Bundesregierung sieht keinen Grund, der Tötung von Deutschen im Ausland durch die USA nachzugehen

Von Uwe Kalbe *

Drohnen töten plötzlich und sekundenschnell; die Aufarbeitung der Umstände hingegen kann Jahre dauern. Die Bundesregierung hat an dieser Langmut einen ganz eigenen unrühmlichen Anteil.

Angeblich duldet die Bundesregierung, dass die tödlichen Drohneneinsätze der USA im Ausland unter Beteiligung der US-Basis Ramstein gesteuert werden. Dass die Drohnen nicht direkt von dort gesteuert, sondern Ramstein als Relaisstation dient, ist Teil der sprachlichen Verwirrung, die die Beteiligung Deutschlands am Drohnenkrieg verschleiern soll. Die Regierung selbst bestreitet diese Beteiligung strikt. Aber sie teilt auch die Ansicht nicht, dass die Einsätze völkerrechtlich problematisch sind. Eine am Montag öffentlich gewordene Antwort der Regierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag ist jedenfalls wenig geeignet, Zweifel an der regierungsamtlichen Glaubwürdigkeit zu zerstreuen.

Genau besehen bestreitet die Bundesregierung nichts; sie äußert sich nicht zur Sache. Stattdessen zieht sie sich auf eine Bewertung zurück, die der Generalbundesanwalt abgegeben hat. Gezwungen war dieser zu der für ihn eher ungewöhnlichen Betrachtung dadurch, dass inzwischen auch deutsche Staatsbürger Opfer der tödlichen Drohnenangriffe geworden sind. Am 4. Oktober 2010 traf es im pakistanischen Mir Lai einen mutmaßlichen Angehörigen einer islamistischen Kämpfertruppe, der einen deutschen Pass besaß. Die deutschen Behörden sind in einem solchen Fall von Amts wegen zu Ermittlungen gezwungen. Doch im Juni 2013 wurden sie wieder eingestellt – mit der Begründung, eine Tötung sei in einem solchen Fall »völkerrechtlich zulässig und damit strafrechtlich gerechtfertigt«. Weil in Pakistan ein bewaffneter Konflikt herrsche, gelte dort das »Konfliktsvölkerrecht«. Wenn dessen Regeln eingehalten werden, gibt es keinen Grund zur Beanstandung. Auch Heimtücke sieht der Generalbundesanwalt bei Drohnenangriffen nicht. Beim Ausnutzen des Überraschungsmoments handele es sich vielmehr um eine »zulässige Kriegslist«.

Die Bundesregierung bestreitet überdies, die Einstellung des Verfahrens sei eine politisch gefärbte Entscheidung des Generalbundesanwalts. Zwar sei der ein politischer Beamter. Dem Kurs der Bundesregierung sei die Verfahrenseinstellung jedoch nicht geschuldet, wie die Fragesteller vermuteten. Vielmehr sei allein »auf Grundlage einer umfassenden rechtlichen Prüfung am Maßstab von Recht und Gesetz« entschieden worden. Damit ist die Sache für den Justizminister, seit Ende letzten Jahres bekanntlich Heiko Maas (SPD), offenkundig erledigt. Auch von seiner Weisungsberechtigung gegenüber dem Generalbundesanwalt gedenkt er nicht Gebrauch zu machen. Das komme nicht in Betracht, heißt es in der Antwort an die LINKE, wenn das Gesetz »keinen Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zulässt«. Eine rechtswidrige Weisung könne sogar strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, schiebt die Regierung beinahe ängstlich nach.

Die Ohnmachtsgefährdung gerät bei Ansicht der Antworten schnell in Vergessenheit. Denn auf insgesamt 51 Fragen der LINKEN gibt es sinngemäß immer nur die eine Antwort: kein Kommentar. »Aus den in der Vorbemerkung genannten Gründen sieht die Bundesregierung keinen Anlass, die rechtlichen Einschätzungen der Bundesanwaltschaft zu kommentieren.« Drohnenangriffe – Verstoß gegen die Genfer Konvention? Wie sind Kämpfer und Zivilisten zu unterscheiden? Wie ist eine Gruppierung als Konfliktpartei zu identifizieren, wie ein Mensch am Boden als Kämpfer? Wie ist seine Mitgliedschaft in einer Konfliktpartei nachzuweisen?

Die Antwort ist immer dieselbe: Auf obige Antwort wird verwiesen. Andrej Hunko, Abgeordneter der LINKEN, spricht von »Beihilfe für völkerrechtswidrige, außergerichtliche Hinrichtungen«, der sich die Bundesregierung schuldig macht. Diesen Vorwurf sieht er auch dadurch begründet, dass die Bundesregierung Telefonnummern von Gesuchten an die US-Behörden weitergab, was deren Ortung ermöglicht haben könnte.

Eines immerhin ist in den Antworten doch zu erfahren. Dass neben insgesamt drei Ermittlungsverfahren wegen der Tötung von deutschen Staatsangehörigen acht sogenannte Beobachtungen eingeleitet wurden. Bisher wurden alle derartigen Maßnahmen eingestellt. Von einem Einzelfall deutscher Drohnentoter ist demnach nicht zu reden. Von einem Einzelfall deutscher Mitverantwortung für völkerrechtlich fragwürdige Tötungen auch nicht.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 13. Mai 2014


Pressemitteilungen von Andrej Hunko

Montag, 12. Mai 2014

Bundesregierung findet US-Drohnenkrieg via Ramstein in Ordnung

„Die Bundesregierung hat kein Problem damit, dass die US-Basis in Ramstein als Relaisstation für Funkverbindungen des US-Drohnenkriegs genutzt wird. Ich sehe das als eine Beihilfe für völkerrechtswidrige, außergerichtliche Hinrichtungen“, erklärt der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko zur Antwort auf eine Anfrage zu Drohneneinsätzen gegen deutsche Staatsangehörige.

Das US-Militär hat bereits mehrere deutsche Staatsangehörige mit Kampfdrohnen getötet. Unbestritten ist, dass die Bundesregierung Telefonnummern Betroffener weitergab. Sie können zur Ortung genutzt werden. Der Generalbundesanwalt hat zu einigen „gezielten Tötungen“ Ermittlungsverfahren eingeleitet, diese aber sämtlich eingestellt: Es habe sich um Angehörige „organisierter bewaffneter Gruppen“ gehandelt, weshalb sie getötet werden dürften. Die eingesetzte Waffengattung sei dabei unerheblich, das Ausnutzen des „Überraschungsmoments“ durch eine Drohne sogar eine „zulässige Kriegslist“.

Andrej Hunko weiter:

„Eine Tötung ohne Gerichtsbeschluss ist laut dem Generalbundesanwalt völkerrechtlich zulässig. Ich kritisiere diese Einschätzung aufs Schärfste: Die oberste deutsche Strafverfolgungsbehörde stellt dem US-Drohnenkrieg damit einen Persilschein aus. Die Begründungen sind absurd: Die Bundesanwaltschaft behauptet, Angehörige des eigentlich zivilen Geheimdienstes CIA seien dem Militär gleichzustellen. Dies ergebe sich schon daraus, dass die von der CIA eingesetzten Drohnen als Teil des US-Militärs wahrgenommen würden.

Seit letztem Jahr weisen Journalisten nach, wie der US-Drohnenkrieg über Ramstein geführt wird: Die US-Basis in Rheinland-Pfalz dient als Relaisstation für Funkverbindungen zur Steuerung und Kommunikation. Abgeordnete werden hierzu an der Nase herumgeführt: In der nun vorliegenden Antwort wird erneut erklärt, von Ramstein würden keine Drohnen nach Asien und Afrika starten. Ein Taschenspielertrick, denn dies war auch nie behauptet worden.

Nun wirft die Bundesanwaltschaft eine neue Nebelkerze: Dort existiert ein Beobachtungsvorgang zur Beteiligung von US-Streitkräften in Deutschland am Drohnenkrieg in Afrika und Asien. Allerdings prüft der Generalbundesanwalt eine vermeintliche ‚Steuerung US-amerikanischer Drohnenangriffe von Ramstein und/oder Stuttgart aus‘. Auch dieser falsche Arbeitsauftrag wird also zur Einstellung führen: Denn es geht um die Nutzung des Standortes als unabdingbare Relaisstation.

Mit ihrer Haltung zum US-Drohnenkrieg macht sich die Bundesregierung wie bei der NSA-Spionage zum Pudel der USA. Völkerrechtswidrige Drohnenangriffe dürfen nicht von Deutschland aus unterstützt werden. Auch den Trainings von US-Drohnen über Stützpunkten der US-Armee in Bayern muss deshalb Einhalt geboten werden“.

Download der Antwort auf die Kleine Anfrage „Einstellung von Prüfvorgängen der Bundesanwaltschaft zur gezielten Tötung von deutschen Staatsangehörigen durch US-Kampfdrohnen“: Antwort der Bundesregierung ...


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