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Deutsche Unternehmen suchen Überwindung (Umgehung) der Sanktionen

In Moskau fanden interne russisch–deutsche Verhandlungen statt

Von Elena Tschernenko, Galina Dudina, Olga Mordjuschina, Aleksej Schapalowa, Jana Zinojewa [www.kommersant.ru] *

Gestern besuchte eine repräsentative Delegation von Vertretern von Geschäftskreisen der BRD mit dem Vorsitzenden des Ost - Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, Eckhard Cordes an der Spitze, Moskau. Die Unternehmer trafen sich mit dem ersten Vize-Premier der RF, Igor Schuwaljow, und dem Chef des Außenministeriums der RF, Sergej Lawrow. Die Verhandlungen wurden intern geführt, jedoch, nach Information von «Ъ», war ihr Hauptthema die Erhaltung der Geschäftsbeziehungen der beiden Länder unter den Bedingungen der Sanktionen und der Krise in den Beziehungen zwischen Moskau und der EU. Die Quelle von «Ъ» aus dem Umfeld der Delegation teilte mit, daß die Geschäftsleute „ermutigt“ die Heimreise antraten.

Gestern hielt sich - mit einer eintägigen Visite - eine Delegation von Top- Managern deutscher Großunternehmen, die Geschäftsverbindungen mit Russland haben, in Moskau auf. Die Reise, während der Treffen mit der Führung der RF stattfanden, war vorher nicht publik gemacht worden. Darüber, daß die Delegation Moskau besuchte, hatte gestern nur kurz das russische Außenministerium mit der Mitteilung informiert, daß Außenminister Lawrow sich « mit Vertretern der deutschen Wirtschaft getroffen hat.» « Es fand ein interessierter und gegenständlicher Meinungsaustausch über den Stand und die Perspektiven der zweiseitigen Zusammenarbeit auf den Gebieten des Handels, der Wirtschaft und der Investitionen statt. Sergej Lawrow legte auch die russische Bewertung der gegewärtigen Lage der Dinge in der Ukraine, in den Beziehungen zwischen Russland und Deutschland, mit der EU und der NATO dar» wurde im Ministerium mitgeteilt. Über irgendwelche Einzelheiten des Treffens gegenüber «Ъ» zu informieren, wurde im Ministerium abgelehnt Wie «Ъ» in Erfahrung brachte, wurde die Reise vom Ost - Ausschuß der Deutschen Wirtschaft organisiert, einer anerkannten Organisation, die die Interessen von Unternehmen der BRD, die Geschäfte im postsowjetischen Raum und in Osteuropa betreiben, vertritt. Vom Pressedienst dieser Organisation wurde «Ъ» mitgeteilt, daß die Delegation vom Vorsitzenden des Ost Ausschusses, Eckhard Cordes, geleitet wurde.

«Wir können die Tatsache des Treffens mit Sergej Lawrow und mit Vertretern russischer Geschäftskreise bestätigen. Es wurden die russisch – deutschen Kontakte in der Wirtschaft und Wege aus der gegenwärtigen Krise beraten – ergänzte man im im Ausschuß – mehr können wir nicht sagen : Die Gespräche hatten internen und vertraulichen Charakter.»

Wie Werkzeugmaschinen aus den Sanktionen herausgenommen werden. Wie «Ъ» bekannt wurde, hat der Föderale Antimonopoldienst (FAS) ein neues Argument zu Gunsten einer schnellen Legalisierung des Parallelimports - Einfuhr von Waren ohne direkten Vertrag mit ihren Herstellern (Inhabern der Rechtstitel).

In der Behörde ist man der Meinung, daß dieser Schritt die Absicherung gegen Sanktionen ausländischer Staaten erlaubt, welche die Einschränkung der Lieferung einzelner Waren durch die offiziellen Vertriebsfirmen einschränken können.

Eine Quelle von «Ъ» aus dem Umfeld der deutschen Delegation teilte mit, dass zur Delegation im einzelnen gehörten: der Vorstandsvorsitzende der Winterhall Holding GmbH, Rainer Seele, der Vorstandsvorsitzende der Metro AG, Olaf Koch, der Leiter der Abteilung Politik und Außenbeziehungen der Daimler AG, Eckart von Kläden, sowie eine Reihe von Leitern und Top – Managern aus Vertretungen deutscher Unternehmen in der RF, darunter der Präsident der Siemens AG in Russland, Dietrich Meller. Insgesamt bestand die Gruppe aus 15 Personen.

Nach den Worten des Gesprächspartners von «Ъ» haben die Vertreter « dieser und einer Reihe anderer großer deutscher Unternehmen im Verlauf der letzten Monate versucht, die Regierung der BRD zu überzeugen, keine Sanktionen gegenüber Russland einzuführen, damit dem gemeinsamen Business kein Schaden zugefügt wird.» Das wichtigste Thema der gestrigen Gespräche war – nach seinen Worten – der «Bewahrung der vorhandenen Geschäftsbeziehungen der beiden Länder unter den Bedingungen der Sanktionen und der Krise in den Beziehungen zwischen Russland und der EU.»

Auf einem ähnlichen Treffen im Oktober mit Vertretern der Vereinigung des europäischen Business in der RF (es war offiziell) überzeugte Sergej Lawrow die Europäer, daß Moskau im Konflikt in der Ukraine «die Position der Wahrheit und Gerechtigkeit » verteidigt; er rief sie außerdem dazu auf, aktiver « die Regierungen ihrer Länder zu stimulieren, sich in die Richtung zu bewegen» die Sanktionen einzustellen. ( siehe «Ъ» vom 15. Oktober). Eine analoge Position hat Herr Lawrow – nach den Worten der Quelle von «Ъ» - auch bei dem gestrigen Treffen vertreten.

Nach Kenntnis von «Ъ» traf sich die deutsche Delegation gestern auch mit dem ersten Vize – Premier der RF, Igor Schuwaljow. In seiner Behörde wurde die Tatsache des Treffens bestätigt, aber man lehnte es ab, Einzelheiten mitzuteilen, indem man sich auf die « Vertraulichkeit und den delikaten» Charakter der Gespräche berief.

Entsprechend dem Oktoberbericht des Bundesamtes für Statistik der BRD ist vom Januar bis August 2014 der Export Deutschlands nach Russland im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2013 um 16,6,% zurückgegangen. In diesen Tagen hat die Zeitung Handelsblatt mit Bezug auf die Vereinigung der deutschen Maschinenbauunternehmen mitgeteilt, daß im Jahr 2014 der Export von Industrietechnik und Ausrüstungen aus Deutschland in die RF auf 35% zurückgehen kann.

Warum rechnet man in der EU mit der Abschaffung der Begrenzungen nicht später als 2015? Im Falle einer Verlängerung der Sanktionen im März nächsten Jahres (dafür ist eine neue einstimmige Entscheidung aller Länder der EU erforderlich) kann sich die Auswirkung auf die Wirtschaft der Eurozone als bedeutsam erweisen, wie in der überarbeiteten Makroprognose der Europäischen Kommission bis zum Jahr 2016 gesagt wird.

Der gegenseitige Außenhandelsumsatz Rußlands und der BRD hat im Jahre 2012 einen Rekord von 80,9 Mrd. Euro erreicht - aber schon im Jahr 2013 sank er um 5,4 % und in der Liste der wichtigsten Handelspartner Deutschlands bewegte sich die RF vom zehnten auf den elften Platz. Es wird erwartet, daß mit den Ergebnissen diesen Jahres die RF sich auf dem dreizehnten Platz erweisen wird.

Einen beträchtlichen Anteil an den Lieferungen aus Deutschland machten früher die Investitionsgüter und die Lieferungen der Autoindustrie (55,6%) aus, etwa 9% kamen auf die chemische und 6% auf die pharmazeutische Industrie.

Hauptsächlicher Export aus Russland sind – Erdöl, Gas, Erdölchemie und Erdölprodukte (86,7%).

Gemeinsame Schlüsselprojekte der deutschen Wirtschaft mit Partnern in der RF sind auf den Gebieten Kraftstoff-Energie-Komplex und Maschinenbau konzentriert. Im Einzelnen, die deutsche E.On verfügt seit 2008 über das Kontrollpaket in einem der größten Energieunternehmen Russlands, der « E.On Russland" (früher OGK-4).

Bis zum Jahresende sollen «Gasprom» und Wintershall (eine Struktur der deutschen BASF) einen Vertrag über den Austausch von Aktiva vollenden: der russische Monopolist erhält 100% in den Gasversorgungsunternehmen Wingas, WIEH и WIEE, Anteile in den unterirdischen Speichern in der EU und 50% von Wintershall Noordzee, die im Schelf des Nordmeeres arbeitet. Wintershall erreicht dafür 25,01% bei der Erschließung zweier Abschnitte der Atschimovsker Vorkommen der Urengoier Lagerstätten mit einem Vorrat von 274 Mrd. Kubikmeter Gas.

Im Maschinenbau ist der größte Investor aus der BRD in der RF die Siemens AG. Der Konzern produziert gemeinsam mit der Gruppe «Sinara»-«Ural-Lokomotiven», die Elektrozüge « Lastotschka», außerdem liefert der Konzern nach Russland «Sapsani» (unter diesem Begriff werden in Russland verschiedene Typen von Hochgeschwindigkeitszügen zusammengefaßt.) Siemens produziert Gasturbinen für den Kraftstoff-Energie-Komplex (für die Kapazitäten in Petersburg zusammen mit dem Unternehmen «Silowie Maschini») und Transformatoren in dem Werk «Siemens Transformatoren» in Woronesch. Siemens hat Pläne, gemeinsam mit der Firma von Oleg Deripaski «Russische Maschinen» die Montage von Waggons für die Metro zu organisieren.

In der RF führt eine Reihe deutscher Autokonzerne die Montage von Kraftfahrzeugen durch. Autos von Volkswagen werden im Betrieb des Werkes in Kaluga produziert und in den Kapazitäten der Gruppe GAS in Nishni Nowgorod. In den Jahren 2006 bis 2012 hat der Konzern in Russland 1 Mrd. Euro investiert und hatte vor, bis 2015 weitere 840 Millionen Euro zu investieren. Die Daimler AG besitzt 11% der Aktien von KamAS und noch 4 % zusammen mit der EBRD (Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung). Die «Mercedes-Benz Truck Vostok» ein paritätisches Gemeinschaftsunternehmen von Daimler und KamAS produziert Mercedes-Benz - Lastwagen. Daimler hat Pläne, in der RF die Produktion von PKWs Mercedes zu organisieren. Auch BMW führt in der RF die Montage von PKWs durch und zwar in den Werken von «Avtotor» in Kaliningrad.

Nach den Worten des Informanten von «Ъ» aus dem Umfeld der Delegation, die gestern Moskau besuchte, traten die deutschen Geschäftsleute «ermutigt» die Heimreise an.

[(Inoffizielle) Übersetzung aus dem Russischen: Helmut Semmelmann]

* Artikel im Original: Немецкий бизнес ищет проход через санкции www.kommersant.ru [externer Link]; 6 November 2014


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