Die Geber setzen auf wachsweiche Entwürfe
Skepsis vor der Konferenz zur Wirksamkeit der Entwicklungshilfe in Accra wächst
Von David Cronin, Brüssel *
Von der Europäischen Union, die mit Hilfsgeldern von 46 Milliarden Euro
zu den absoluten Top-
Gebern zählt, wird auf der kommenden Konferenz zur Wirksamkeit der
Entwicklungshilfe vom 2. bis
4. September in der ghanaischen Hauptstadt Accra Großes erwartet.
Bislang aber sind Beobachter
äußerst skeptisch.
Der Entwurf ist enttäuschend: Der Accra-Aktionsplan enthält zwar viele
schöne Worte etwa über die
Einbeziehung der Parlamente und Gewerkschaften, aber keine konkreten
Mechanismen oder
Zeitlimits, die die Geber in die Pflicht nähmen. »Wir befürchten, dass
das Treffen in Accra ohne
bindende Zusagen endet«, sagt Lucy Hayes vom europäischen Netzwerk für
Entschuldung und
Entwicklung EURODAD, einer Koalition von 56 europäischen
Nichtregierungsorganisationen (NRO).
»Einige der Delegationen in Accra werden aus über 1000 Vertretern
bestehen. Es wäre ein Skandal,
wenn sie nichts zuwege brächten.«
Die EU könnte mit voller Kraft auf die Tagung in Accra hinarbeiten,
befasst sich aber mit einem alten
Problem. Obwohl sich die EU-Staaten schon im Mai 2007 auf eine bessere
Koordinierung der
Entwicklungshilfe einigten, gibt es noch immer 28 verschiedene
Hilfspolitiken. Jeder EU-Staat
verfolgt seine eigene und die EU-Kommission eine weitere. »Wir verhalten
uns nicht so, als wären
wir der größte Geber der Welt«, kritisiert Joakim Stymne, der
schwedische Staatssekretär für
Entwicklungszusammenarbeit.
Auch Entwicklungskommissar Louis Michel stört die schlechte Koordination
der europäischen
Entwicklungshilfe. Der Bürokratiekrieg in Tansania sei ein Beispiel
dafür, was ein Staat auszuhalten
habe, wenn er es mit schlecht aufeinander abgestimmten Hilfsprogrammen
zu tun bekomme, meint
er. Tansania, so der Kommissar in einer Stellungnahme, habe jedes Jahr
2400 Berichte für seine
Geber und weitere 8000 für die multilateralen Entwicklungsbanken
vorzulegen. »Das ist ein
ernstliches Problem.« Das wird niemand von der Hand weisen, dennoch
gelten Michels
Bemühungen um eine bessere Koordinierung der Hilfe aus Europa etlichen
EU-Staaten als
Bedrohung der Souveränität.
Weiteres Missfallen im Vorfeld der Accra-Konferenz, an der Minister aus
über 100 Staaten
teilnehmen werden, entzündet sich am alten Thema der an Bedingungen
gebundenen
Entwicklungshilfe. Jahrzehnte standen Institutionen wie die Weltbank und
der Internationale
Währungsfonds (IWF), die in vielen armen Staaten auf diese Weise einen
Liberalisierungskurs
durchsetzten, im Mittelpunkt der Kritik. Jetzt hört sie verstärkt auch
die EU. Beobachter werfen der
Union vor, Hilfszahlungen von der Unterzeichnung der umstrittenen
Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) abhängig zu machen, die für die
Staaten aus dem
afrikanisch-karibisch-pazifischen Raum (AKP) an die Stelle der alten
Präferenzbeziehungen aus den
70er Jahren treten sollen. Als bloßes Lippenbekenntnis werten viele
Experten EU-Richtlinien, die
eine solche Konditionierung ausschließen.
Andere wie Joanna Maycock von der Hilfsorganisation »ActionAid« halten
die Diskussion über die
Wirksamkeit der Entwicklungshilfe in zunehmendem Maße für ein
Ablenkungsmanöver. Es solle
darüber hinwegtäuschen, dass die Geberstaaten ihren Hilfszusagen nicht
nachkämen. »Aber man
kann Qualität nicht durch Quantität ersetzen und umgekehrt«, so Maycock.
Alle EU-Staaten haben
eine Erhöhung ihrer Hilfsbudgets zugesagt, um die 2000 bei den Vereinten
Nationen vereinbarten
Millenniumsziele (MDG) voranzubringen. Im letzten Jahr aber haben über
die Hälfte der EU-Staaten
ihre Hilfe nicht nur nicht erhöht, sondern sogar heruntergefahren.
Die MDG sehen bis 2015 die Halbierung von Armut und Hunger vor,
Grundschulbildung für alle, die
Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Rolle der Frau,
zudem die Senkung der
Kinder- und Müttersterblichkeit, die Bekämpfung schwerer Krankheiten wie
HIV/Aids und Malaria,
die Sicherung der ökologischen Nachhaltigkeit und den Aufbau einer globalen
Entwicklungspartnerschaft zwischen den Ländern des Nordens und Südens.
IPS
* Aus: Neues Deutschland, 5. August 2008
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