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Meerwasserentsalzung als Entwicklungshilfe?

Initiative dänischer Ärzte will Klimawandel mit Entwicklungspolitik unter einen Hut bringen

Ein Gruppe dänischer Ärzte machte sich Gedanken, wie Entwicklungshilfe, Reduzierung des CO2-Ausstoßes und Hungerbekämpfung in der Dritten Welt verbunden werden kann. Ihre Überlegungen wurden in der einflussreichen Tageszeitung »Politiken« veröffentlicht. Mit Claus Yding Andersen, Chefarzt an der Kopenhagener Universitätsklinik, sprach für das "Neue Deutschland" (ND) Andreas Knudsen.



Was haben Meerwasserentsalzung, Hungerbekämpfung und Reduzierung des CO2-Ausstoßes miteinander zu tun?

Eine ganze Menge. Hunger in der Dritten Welt ist ein permanenter Faktor, während in vielen Regionen die spärliche Vegetation verbrannt wird, um einerseits Ackerland von zumeist schlechter Qualität zu schaffen und andererseits Heizmaterial zu haben. Der Teufelskreis wird verstärkt, während gleichzeitig eine unerschöpfliche Energiequelle zur Verfügung steht. Unsere Idee ist es, Solarenergie im großen Umfang zu nutzen, um Meerwasser zu entsalzen und für die Bewässerung zur Verfügung zur stellen. Dadurch kann die lokale Lebensmittelproduktion angekurbelt und den Menschen vor Ort ein neues Dasein gesichert werden.

Soll die Sonnenenergie auch für Exportzwecke genutzt werden wie beim umstrittenen deutschen Großprojekt Desertec?

Wir haben nicht daran gedacht, Sonnenenergie, die in der Sahara in großen Mengen gewonnen werden könnte, für den Export nach Europa zu produzieren und zu speichern. Unser Ansatz ist lokal und zielt auf die lokale Bevölkerung. Man könnte gleichzeitig Fischteiche anlegen. Das würde die Proteinversorgung der Bevölkerung verbessern, während man den anfallenden Schlamm für die Düngung aufbereiten könnte. Man könnte auch energiereiche Pflanzen wie Zuckerrohr anbauen, um daraus vor Ort Bioethanol zu gewinnen. Wenn man erst mal über Möglichkeiten nachdenkt, findet man sicher auch noch andere Möglichkeiten.

An welche Länder wird gedacht?

Wir haben der Einfachheit halber auf Mauretanien geguckt. Das Land ist dünn bevölkert und die heute unfruchtbare Erde liegt dicht an der Küste. Afrika ist bereits zum Schwerpunkt dänischer Entwicklungshilfe erklärt worden und finanzielle Mittel stehen deshalb prinzipiell zur Verfügung. Mit unserem Vorschlag könnten potenziell Zehntausende von Menschen ein neues Zuhause und Arbeit finden. Dänemark oder andere interessierte Länder sollten ein großes Wüstengebiet von wenigstens 1000 Quadratkilometern für etwa 99 Jahre pachten, um es in diesem Sinne zu entwickeln.

Warum ein so langer Zeitraum? Kauft man sich nicht dadurch eine Kolonie?

Der lange Zeitraum sichert Arbeitsruhe und verpflichtet zugleich zu einem anhaltenden Engagement. Deshalb muss der Pachtvertrag im Vertragszeitraum unkündbar sein. Ein Teil der finanziellen Mittel muss für die Ausbildung der einheimischen Bevölkerung genutzt werden, damit das Projekt von ihnen im Laufe der Jahrzehnte übernommen werden kann. Ausländische Fachkräfte werden für lange Zeit unabdingbar sein, aber die Entwicklung einheimischer Expertisen und eines lokalen Verantwortungsbewusstseins für die Weiterführung des Projektes müssen die Experten von außen schrittweise ablösen.

Wie haben Sie sich die technische Durchführung gedacht?

Wir machen hier einen Vorschlag, den wir gern für Nichtregierungsorganisationen und Regierungen zur Verfügung stellen wollen. Er zielt darauf ab, wie Klimapolitik und Entwicklungshilfe Hand in Hand gehen können. Mein Kollege Mogens Gyde und ich sind Ärzte und zugleich Bürger, die sich Gedanken gemacht haben, welchen Beitrag wir zum Klimagipfel leisten können. Jetzt sind die Experten gefragt.

Wie war die Reaktion in Dänemark auf Ihren Vorschlag?

Nach der Veröffentlichung unseres Artikels gab es im Laufe des Sommers eine lebhafte Diskussion in den Medien. Wenn aber keine Nichtregierungsorganisationen oder Behörden wie das Umweltoder Klimaministerium den Ball aufnehmen, versandet sie letztlich. Ein Projekt wie von uns angedacht, ist organisatorisch und technologisch komplex und braucht starke und geduldige Partner in den Industrieländern und vor Ort. Letztlich käme es uns allen zugute.

* Aus: Neues Deutschland, 20. Oktober 2009


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