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Kampf um Geldquelle

Nord-Süd-Konflikt bei der UNO: Entwicklungsländer fordern, Zugang zu Wasser als Menschenrecht zu verankern. Industriestaaten mauern

Von Thalif Deen, IPS *

In den Vereinten Nationen bahnt sich ein elementarer Nord-Süd-Streit an. Ein Großteil der Entwicklungsländer will das Recht auf Wasser als allgemeines Menschenrecht festschreiben. Doch vor allem einige Industriestaaten blockieren den Vorstoß. Der zweiseitige Entwurf geht auf eine Initiative Boliviens zurück und soll bis Ende Juli der UN-Vollversammlung zur Abstimmung vorliegen. Im Moment wird noch an den Formulierungen gefeilt, damit er alle politischen Hürden nehmen kann - und das sind nicht wenige.

Vor allem die kanadische Regierung stellt sich bisher quer. »Aber auch Australien, die USA und Großbritannien halten den Prozeß auf«, so Maude Barlow, die Gründerin des in Kanada beheimateten »Blue Planet Project«, das sich für den Schutz der weltweiten Wasserressourcen einsetzt. »Ich möchte es eigentlich nicht als Nord-Süd-Konflikt betrachten, aber genau danach sieht es jetzt aus«, sagte Barlow. Würden die 192 Mitglieder der Vollversammlung zustimmen, käme dies ihrer Meinung nach der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Weltorganisation nach dem Zweiten Weltkrieg gleich. Ein Diplomat, der ungenannt bleiben wollte, wies darauf hin, daß es keine rechtliche Grundlage für die Aufnahme von Wasserversorgung und Abwasserentsorgung in die Allgemeinen Menschenrechte gebe, daher müßten aufwendige Definitionen und Abgrenzungen gefunden werden. Daran werde bei der UN in Genf bereits seit längerem gearbeitet, die Vollversammlung mache hier einen Schnellschuß. »Wasser und Abwasser sind so kritische Themenkomplexe, daß hier unbedingt ein Konsens über die Resolution hergestellt werden muß. Alles andere würde genau die Bedeutung der Angelegenheit untergraben, die ihr gebührt«, so der Diplomat.

Laut Maude Barlow leben weltweit nahezu zwei Milliarden Menschen in Trockengebieten, drei Milliarden müssen weiter als einen Kilometer für Trinkwasser laufen. In einem Brief an alle 192 UN-Botschafter weist sie darauf hin, daß 1948 bei der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte kaum jemand habe vorhersehen können, daß es einmal Wasserkonflikte geben würde. »Im Jahr 2010 ist es aber nicht übertrieben zu sagen, daß fehlender Zugang zu sauberem Wasser die größte Menschenrechtsverletzung der Welt darstellt«, so Barlow, die bis 2009 den Präsidenten der UN-Vollversammlung in Wasserfragen beriet. Sie macht vor allem die kanadische Regierung für die Torpedierung der Anerkennung des Menschenrechts auf Wasser verantwortlich. Ottawa habe seine Gründe bisher nicht im Detail erläutert, verweise lediglich darauf, daß eine rechtliche Festschreibung für Kanada bedeuten könnte, daß es seine Wasservorkommen mit den USA teilen müßte. »Das ist eine bloße Ausflucht«, so Barlow. Es sei wohl eher so, daß eine offene Aussprache bei den Vereinten Nationen denjenigen in die Quere käme, die Kanadas Wasser privatisieren wollten.

Ann-Mari Karlsson vom »Stockholm International Water Institute« (SIWI), das die Initiative Boliviens ebenfalls unterstützt, hat keine Probleme mit einer Privatisierung der Wasserwirtschaft. »Wir sind nicht prinzipiell dagegen. Unser Hauptanliegen ist, daß der Staat seiner Verantwortung gerecht wird und die Aktivitäten privater Unternehmen überwacht und reguliert, so daß sich jeder Bürger Trink- und Brauchwasser und die Entsorgung des Abwassers leisten kann«, erklärte sie. Ob diese Dienstleistungen von einem staatlichen oder privaten Unternehmen erbracht würden, sei ohne Belang für den Status von Wasser und Wasserentsorgung als Menschenrecht, so die SIWI-Sprecherin.

Ein Zusammenschluß von internationalen Nichtregierungsorganisationen hat unterdessen einen Brief an alle Abgeordneten des Europaparlaments geschrieben, um sie auf das Problem aufmerksam zu machen: »Angesichts der Anerkennung von Wasserzugang als Menschenrecht durch die Europäische Union ist es unabdingbar, daß die EU eine Schlüsselrolle bei der Vorlage dieser Resolution bei den Vereinten Nationen übernimmt«, heißt es in dem Schreiben.

* Aus: junge Welt, 20. Juli 2010


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