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EU-Gipfel einigt sich auf Paket zum Schutz des Euro

Treffen in Brüssel von Krise in Portugal überschattet *

Scharfe Strafen gegen Defizitsünder, ein Pakt für mehr Wettbewerbsfähigkeit und ein ständiger Fonds für Notkredite sollen den Euro vor weiteren Krisen schützen. Die EU einigte sich auf einem Gipfel in Brüssel auf ein umfassendes Paket zum Schutz der Währung, wie EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy in der Nacht zum Freitag (25. März) mitteilte. Überschattet wurde das Treffen von der Krise in Portugal, das bald Milliardenhilfen benötigen könnte.

Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten gaben in Brüssel ihre Zustimmung zu dem Paket, das in den vergangenen Monaten ausgehandelt worden war. Auf dem Gipfel wurde der endgültige Beschluss dann noch durch eine Forderung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verzögert: Die Bundesregierung setzte sich schließlich damit durch, die Zahlungen für den ständigen Euro-Rettungfonds gleichmäßig auf mehrere Jahre zu verteilen.

Der ab 2013 geltende Rettungsfonds ist ein wichtiger Teil des Pakets zum Euro-Schutz: Er löst den derzeitigen Fonds ab und soll ein Volumen von 700 Milliarden Euro erreichen, um in Not geratenen Staaten Hilfe zu leisten. Da ein Teil des Geldes als Sicherheit hinterlegt werden muss, sollen schließlich 500 Milliarden Euro als effektive Ausleihsumme zur Verfügung stehen.

Neben Garantien müssen die Euro-Staaten auch 80 Milliarden Euro direkt als Bareinlage leisten. Auf Deutschland entfallen knapp 22 Milliarden Euro. Bisher sollte die Hälfte des Beitrags auf einen Schlag bis 2013 fällig sein, der Rest in drei weiteren Jahresraten. Van Rompuy zufolge sollen es nun ab Juli 2013 fünf gleichmäßige Tranchen sein. Auf Deutschland entfallen damit rund 4,3 Milliarden Euro pro Jahr.

Durch den gleichzeitig beschlossenen verschärften Stabilitätspakt drohen Defizitsündern nun nicht nur Geldstrafen, wenn die jährliche Neuverschuldung drei Prozent der Wirtschaftsleistung übersteigt, sondern auch wenn die Gesamtverschuldung über 60 Prozent der Wirtschaftsleistung liegt. Über den Pakt für den Euro wollen sich die Euro-Länder zudem freiwillig in der Sozial-, Steuer- und Haushaltspolitik eng abstimmen. Dies soll die Euro-Zone insgesamt wettbewerbsfähiger und weniger krisenanfällig machen.

Überschattet wurde das Treffen von den Entwicklungen in Portugal: Regierungschef José Socrates reiste nur noch als amtierender Ministerpräsident an. Der Portugiese hatte am Vorabend sein Amt niedergelegt, weil das Parlament eine neue Runde von Einsparungen ablehnte, mit denen das Land eine Flucht unter den derzeitigen Euro-Rettungsschirm vermeiden wollte.

Nun könnte das hoch verschuldete Land bald gezwungen sein, internationale Finanzhilfen anzunehmen. Nach der Ratingagentur Fitch stufte auch Standard & Poor's das Land zwei Stufen herab, was die Kreditaufnahme weiter verteuern dürfte.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagte jedoch nach den Beratungen, über ein Hilfsprogramm für sein Heimatland sei nicht gesprochen worden. Zu Hilfen für Portugal ist die EU jedoch bereit. »Portugal wird von den anderen Europäern nicht alleine gelassen«, versicherte Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker. Er brachte Hilfen in Höhe von 75 Milliarden Euro ins Spiel.

Am zweite Gipfeltag wollen die EU-Länder am Freitag über die Lage in Japan nach der Erdbeben- und Nuklearkatastrophe sprechen. Merkel will als Lehre der Störfälle in Japan strenge Stresstests für alle Atomkraftwerke in Europa durchsetzen.

* Aus: Neues Deutschland, online, 25. März 2011


Das Menetekel Portugal

Von Olaf Standke **

Es war ein zähes Feilschen, bis dieses nicht zuletzt von Deutschland geprägte »historische Paket« zur Stabilisierung des Euro geschnürt war. Doch was der EU-Gipfel nun verabschiedet, ist eine Mogelpackung, wie das Beispiel Portugal drastisch demonstriert. Der Regierungschef geht, weil sein rigides Sparprogramm im Parlament durchfällt, eine Staatspleite droht, das hoch verschuldete Land taumelt am sozialen Abgrund – dabei hat Lissabon doch durchzusetzen versucht, was der Generalüberholung des Euro so dienlich sein soll. Jetzt bleibt wohl nur die Flucht unter den EU-Rettungsschirm und so der endgültige Verlust der finanziellen Souveränität.

Während Ministerpräsident Sócrates weich fällt, sind die eigentlichen Opfer dieses EU-Sanierungsprogramms in den vergangenen Tagen auf die Straße gegangen, um gegen den enormen sozialen Druck und für ein menschenwürdiges Leben zu demonstrieren. Hohe Arbeitslosigkeit, massiver Lohnabbau, eingefrorene Renten, all das mussten sie schon hinnehmen. Und weitere Kürzungen im Gesundheits- und Rentensystem wurden angekündigt, um Brüssels Auflagen zu erfüllen und das Haushaltsdefizit zu drücken. Die wirklichen Ursachen der Krise werden damit aber nicht behoben. Doch die EU-Mächtigen setzen auf eine koordinierte Kürzungspolitik, um den Euro zu stärken. Das ist so unsozial wie ökonomisch fatal. In Portugal wie überall in Europa.

** Aus: Neues Deutschland, online, 25. März 2011 (Kommentar)


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