Roma wollen mehr als "Integrationsblabla"
Europäischer Gipfel berät Wege zur Beendigung der Diskriminierung der größten Minderheit in der EU
Von Uwe Sattler *
Auf dem zweiten Europäischen Roma-Gipfel im spanischen Córdoba beraten seit Donnerstag (8. April) Vertreter der EU-Kommission, der Mitgliedstaaten der Union, der Zivilgesellschaft und
Repräsentanten der Bevölkerungsgruppe über die Situation dieser Minderheit und Wege zur
Beendigung ihrer Diskriminierung.
Ausgerechnet aus den USA, nicht gerade das Mutterland der Menschenrechte, kam die Kritik:
Insbesondere in europäischen Ländern wie Italien, Rumänien oder Tschechien würde die Minderheit
der Roma diskriminiert, hieß es in dem Mitte März vom Außenministerium vorgelegten Jahresbericht
zum Stand der Menschenrechte in der Welt. Tatsächlich hatte es gerade in den vergangenen
Wochen genügend Anlass gegeben, um die Washingtoner Befürchtungen zu bestätigen.
So war es in Ungarn wiederholt zu Übergriffen gegen Roma gekommen. In Italien drohe mit dem
jetzt zur »Kriminalitätsbekämpfung« beschlossenen »Nomaden-Notstandsplan« Tausenden Roma
die Vertreibung aus ihren Siedlungen und die Unterbringung in isolierten Großlagern, befürchtet
Amnesty International. Auch der slowakische Ministerpräsident Robert Fico sieht die Roma am
liebsten in geschlossenen Einrichtungen.
Trotzdem hatten die spanische Regierung, im laufenden Halbjahr EU-Ratspräsident, und die EUKommission
in ihrem gemeinsamen Einladungsschreiben zum Gipfel die Situation der Roma sehr
diplomatisch beschrieben. Zwar sei die Bevölkerungsgruppe seit den Erweiterungsrunden der EU
von 2004 und 2007 zur größten Minderheit in der Union avanciert. »Der Reichtum, den diese
Gemeinschaft nach Europa bringen könnte, wird jedoch oft übersehen.« Stattdessen würden die
Roma mit Vorurteilen bedacht und sähen sich häufig ökonomischer, sozialer und politischer
Diskriminierung ausgesetzt. So antworteten auf die Frage der EU-Statistikbehörde Eurostat, ob sie
sich mit Sinti und Roma als Nachbarn wohlfühlen würden, im EU-Durchschnitt 24 Prozent der
Befragten mit Nein.
Veränderungen hat angesichts dieser Situation das Europäische Parlament verlangt. »In der
Erwägung, dass zehn bis zwölf Millionen Roma in Europa weiterhin unter einer beträchtlichen
strukturellen Diskriminierung leiden, ist das Parlament der Auffassung, dass die Bekämpfung der
Diskriminierung der Roma einen umfassenden europäischen Ansatz erfordert«, betont eine kürzlich
zum Gipfel angenommene Resolution. Das bekräftigte auch die Europaabgeordnete der LINKEN
Cornelia Ernst: »Wir brauchen eine europäische Roma-Strategie, die statt sporadischer Maßnahmen
und Projekte die Mitgliedstaaten verpflichtet, gegen Roma-Feindlichkeit und Ausgrenzung
vorzugehen.«
Untätigkeit kann man zumindest der EU-Kommission nicht vorwerfen. Der erste Roma-Gipfel im
September 2008 endete zwar mit unverbindlichen Erklärungen, sensibilisierte aber die Öffentlichkeit
für das Thema. Inzwischen hat die Brüsseler Behörde auch »Gemeinsame Grundprinzipien für die
Einbeziehung der Roma« beschlossen. Angemahnt werden u.a. gezielte Integrationsstrategien und
die dazu nötige Einbindung lokaler Behörden. Doch stößt die Kommission in den Hauptstädten oft
auf taube Ohren.
So sprach denn auch Rudko Kawczynski, Präsident des European Roma and Travellers Forum, von
einem europäischen »Integrationsblabla«. Am 21. März, dem Internationalen Tag der Vereinten
Nationen gegen Rassismus, kritisierte der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma,
Romani Rose, erneut, dass sich »angesichts der gewalttätigen Übergriffe die Regierungen in den
betroffenen Ländern meist passiv« verhielten und es »immer noch keine ausreichende
strafrechtliche Verfolgung dieser Form des Rassismus gibt«. Vom Gipfel wird mehr als eine neue
Betroffenheitserklärung erwartet.
* Aus: Neues Deutschland, 9. April 2010
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