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Die spaltende Integration Europas

Ein Überblick

Von Steffen Lehndorff *

»Das Schlimmste der Krise liegt jetzt vielleicht hinter uns, aber das darf uns nicht selbstzufrieden machen. Um die Erholung zu verstärken und mehr Arbeitsplätze zu schaffen, müssen wir bei den Wirtschaftsreformen Kurs halten.«
Olli Rehn, 25. Februar 2014 [1]

Als nach Überwindung der unmittelbaren Folgen des weltweiten Finanz- und Wirtschaftseinbruchs Kurs auf »Sparmaßnahmen« und »Strukturreformen« genommen wurde, bezeichnete der US-amerikanische Wirtschafts-Nobelpreisträger Paul Krugman (2010) dies als einen »seltsamen Triumph gescheiterter Ideen«: »Die Fundamentalisten des freien Marktes haben sich in allem geirrt – doch jetzt dominieren sie die politische Szene noch gründlicher als vorher.« Diese Formulierung fanden wir so treffend, dass wir sie für den Titel unseres ersten gemeinsamen Buches zur europäischen Krise verwendeten.[2] Aber die Geschichte ist weitergegangen. Manche Veränderungen, die sich 2012 erst andeuteten, haben sich mittlerweile verfestigt, und in einer Reihe von Ländern ist das volle Ausmaß der Umbrüche erst heute erkennbar. Einerseits verspricht die konjunkturelle Entwicklung Licht am Ende des Tunnels. Doch zugleich sind vor allem innerhalb der Währungsunion die zentrifugalen Kräfte stärker geworden – wirtschaftlich wie politisch. Die wirtschaftlichen und sozialen Konturen unseres Kontinents im weiteren Verlauf dieses Jahrzehnts zeichnen sich heute klarer ab. Deshalb legen wir hier eine Fortsetzung unseres Buchs von 2012 vor: Über weite Strecken neu ausgearbeitete Länderanalysen, ergänzt durch – teilweise neu aufgenommene – Analysen der Politik der Europäischen Union (EU) und der Herausforderungen an die Strategie der Gewerkschaften.

Das Besondere an dem vorliegenden Buch besteht in dem Gewicht, das den unterschiedlichen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungswegen einzelner Länder beigemessen wird. Viele kritische Analysen der europäischen Krise befassen sich mit Fehlentwicklungen auf EU-Ebene und mit wirtschaftlichen Ungleichgewichten innerhalb der EU und der Eurozone. Es gibt eine verbreitete Befürchtung, dass die Währungsunion letztlich an diesen Problemen auseinanderbrechen werde. In diesen Diskussionen bleibt jedoch zumeist unterbelichtet, welche Rolle Wirtschaft und Politik auf jeweils nationaler Ebene in einem Prozess der Neuorientierung spielen müssten. Die nationale Ebene ist aber entscheidend, denn Anstöße zu Veränderungen der EU und der Eurozone werden von einzelnen Ländern (oder Ländergruppen) ausgehen. Und umgekehrt können Ansätze zu Veränderungen auf europäischer Ebene von einzelnen Ländern blockiert oder diskreditiert werden, sodass sie letztlich im Sande verlaufen. Um das Ausmaß dieser Herausforderung besser zu verstehen, ist es sinnvoll, sich die länderspezifischen Wirtschafts- und Sozialprobleme genauer anzusehen.

Dies ist die Botschaft des vorliegenden Buchs: Eine allmähliche Überwindung der chronischen Krise in der EU ist nur möglich, wenn es in einzelnen Ländern einen Kurswechsel gibt, der dann Reaktionen in der Politik anderer Länder und Erschütterungen auf EU-Ebene auslöst. Denn klar ist: Ein Kurswechsel in einem Land wird heute in den meisten Fällen ohne grünes Licht oder zumindest Tolerierung auf der Ebene der europäischen Institutionen nicht mehr zu verwirklichen sein. Diese Verzahnung wird in den Kapiteln dieses Buchs entweder von der nationalen oder der EU-Ebene her beleuchtet. Ich möchte im Folgenden versuchen, den Zusammenhang beider Seiten zu skizzieren und beginne mit der Politik, die mit Hilfe der EU zur Überwindung der gegenwärtigen Krise verfolgt wird.

1. Die Konkurrenzunion

Der tiefe Wirtschaftseinbruch der Jahre 2008/2009 schien schon überwunden, der Aufschwung hatte vor allem dank massiven Einsatzes von noch kurz zuvor als »Gießkannenpolitik« geschmähten Konjunkturprogrammen im zweiten Halbjahr 2009 wieder eingesetzt. Doch dann begann die Krise der Eurozone. Der Auslöser war winzig: Eine neu ins Amt gekommene griechische Regierung revidierte die Haushaltsdaten. Sie gab bekannt, dass Staatsschuld und Haushaltsdefi zit wesentlich höher seien als bislang öffentlich bekannt. Wenn man bedenkt, dass der Anteil Griechenlands an der Wirtschaftsleistung der EU damals 1,8% betrug (heute ist er noch kleiner), ist es eigentlich verwunderlich, dass diese Mitteilung eine Lawine auslöste, die die Europäische Währungsunion an den Rand des Zusammenbruchs brachte. Wo liegt also das Problem?

In der Europäischen Währungsunion ist nach herrschender Lehre jedes Mitgliedsland seines Glückes Schmied. Ein gegenseitiger Beistand war ursprünglich ausdrücklich ausgeschlossen (und ist es offi ziell immer noch – darüber wachen die Deutsche Bundesbank und das deutsche Bundesverfassungsgericht). Wenn »die Märkte« Staatsanleihen bestimmter Länder wegen »mangelnden Vertrauens« in deren Wirtschaftskraft oder Haushaltsführung nur noch kaufen, wenn sie dafür hohe Zinsen bekommen, durften andere Länder dem betroffenen »Schuldensünder« nicht aushelfen, um dessen akute Finanzierungsprobleme zu lindern. Der Wirtschaftsjournalist Thomas Fricke (2013: 63) nennt diese dem Euro zugrunde liegende Logik das »Schwäbische Hausfrauen-Theorem (SHT)«: »Sinkende Ratingnoten und hohe Zinsen auf Staatsanleihen (waren) die gerechte Strafe der Finanzmärkte für SHT-Sünder.« Die betreffenden Regierungen müssen also selbst dafür sorgen, ihren Staatshaushalt in Ordnung zu bringen, um »das Vertrauen der Märkte wieder herzustellen«. Klar, wenn das nicht sofort gelingt, und wenn tatsächlich die wirtschaftlich stärkeren Mitgliedsländer nicht sofort einspringen, werden »die Märkte« misstrauisch und entdecken noch weitere Wackelkandidaten innerhalb dieser Währungsunion. Wenn das »Vertrauen« einmal futsch ist, fallen die Kurse, und die Zinsen schießen in die Höhe.[3] Staaten können dadurch in akute Zahlungsschwierigkeiten kommen, sobald sie auslaufende Staatsanleihen durch neue ersetzen und eventuell auch darüber hinaus zusätzliche Kredite aufnehmen müssen. Auf diese Weise kann innerhalb weniger Tage oder Wochen eine Kettenreaktion mit Domino-Effekten entstehen, die das ganze Euro-Gebäude zum Einsturz zu bringen droht. Dieses Schauspiel durfte die staunende Weltöffentlichkeit dann tatsächlich ab Anfang 2010 beobachten.

Zur Verteidigung Angela Merkels sei darauf hingewiesen, dass das »SHT« nicht ihre Erfindung ist, sondern bereits Anfang der 1990er Jahre in Form der »Maastricht-Kriterien« in das Fundament der Währungsunion gemeißelt wurde. Die Eurozone ist ebenso wie der EU-Binnenmarkt als ein Verbund von Staaten konzipiert, die miteinander konkurrieren, als ob sie Unternehmen wären (Troost/Hersel 2012; Heise 2013).[4] Erweist sich diese Konstruktion bereits für den Binnenmarkt als höchst problematisch (zum Beispiel dadurch, dass in den Regeln, nach denen diese Konkurrenz stattfindet, soziale Standards nicht einmal im Ansatz das gleiche Gewicht haben wie der freie Kapitalverkehr), wird sie für die Währungsunion zu einer Knock-out-Klausel: Ohne gemeinsames Steuersystem, ohne Ausgleichszahlungen zwischen wirtschaftlich stärkeren und schwächeren Regionen, ohne gemeinsame Wirtschaftspolitik usw. – kurz: ohne zentralstaatliche Einrichtungen, die in der bisherigen Wirtschaftsgeschichte selbstverständliche Voraussetzung jeder Währungsunion waren – ist davon auszugehen, dass bestehende Unterschiede in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der teilnehmenden Länder eher größer als kleiner werden. Und so kam es denn auch: Das Konstrukt einer Konkurrenzunion zwischen einem export- und überschussorientierten Kern und einer Peripherie, die in hohem Maße von auslandskreditfi nanziertem Import abhängig ist, hat eine Dynamik zunehmender Ungleichgewichte innerhalb der EU freigesetzt (Horn u.a. 2009; Becker/Jäger 2009).

Allerdings dauerte es mehr als zehn Jahre, bis den Entscheidungsträgern auffiel, dass es da ein Problem gibt, denn das Wirtschaftswachstum Griechenlands lag stets über dem Durchschnitt des Euro-Raums. Doch 2008 platzte die Illusion. Dem Sturm der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise hielt die Fehlkonstruktion der Konkurrenzunion nicht mehr stand (Bieling 2011). Um zu verhindern, dass sie wie ein Kartenhaus weggepustet wird, wurden nach der Methode des »trial and error« – oder besser: »error and trial and another error« – mehrere Rettungsschirme aufgespannt und schließlich der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) geschaffen.

Doch dies führte noch nicht zur Beruhigung der Lage. Die Europäische Zentralbank (EZB) sprang deshalb Ende 2011 über ihren Schatten (genauer: den Schatten der Deutschen Bundesbank) und versorgte den Bankensektor mit faktisch unbegrenztem Kredit zum Nulltarif, um die Kreditvergabe an die Krisenstaaten zu niedrigeren Zinsen zu fördern. Natürlich wäre es einfacher gewesen, den betreffenden Staaten direkt Zentralbankkredite zu geben, aber das geht nach dem EZB-Statut nicht. Den Sinn des Umwegs hat der damalige Chefvolkswirt der Deutschen Bank gut auf den Punkt gebracht: »Indem die Banken billiges Zentralbankgeld mit Aufschlag an die Staaten weiterreichen, holen sie sich ihre Gewinne vom Steuerzahler. Es fällt nur weniger auf, als wenn Steuergelder direkt eingesetzt werden, um Bankbilanzen zu sanieren.« (Mayer 2012) Als auch dies noch nicht die Wogen glättete, erklärte EZB-Präsident Draghi im Juli 2012, dass die EZB notfalls selber auf den Märkten intervenieren und unbegrenzt Staatsanleihen kaufen werde, um die Zinsen für bedrohte Staaten zu senken. Bereits die Ankündigung genügte: Die Lage beruhigte sich und die Zinsen der Krisenstaaten gingen deutlich zurück.[5]

Die Regierenden in Berlin und Brüssel waren zwar über diese Aktivitäten der EZB nicht begeistert, aber sie ahnten schnell, dass »die griechische Krise ein Geschenk des Himmels für Anti-Keynesianer« war (Krugman 2013: 6). Sie leiteten eine »stille Revolution« ein, die Kommissionspräsident Barroso mit den Worten beschrieb: »Die Mitgliedstaaten haben akzeptiert, dass den europäischen Institutionen starke Machtinstrumente der wirtschaftlichen Überwachung und der wesentlich strikteren Kontrolle der öffentlichen Finanzen übertragen werden« (EUobserver 2011). So bekam Schritt für Schritt – oder »error by error« – der Wahnsinn Methode.

2. Das »austeritäre« Regime

Bundeskanzlerin Merkel hat 2013, in einer Rede auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos, die beiden Kernziele dieser »stillen Revolution« von oben mit folgenden Worten zusammengefasst: »Wir wollen in Europa (...) die Wirtschafts- und Währungsunion zu einer Stabilitätsunion fortentwickeln. Das ist das Gegenteil von einer kurzfristigen Notoperation. Es ist vielmehr ein dauerhaft angelegter Weg – ein Weg, dessen Leitplanken Strukturreformen für mehr Wettbewerbsfähigkeit auf der einen Seite und Konsolidierung der Staatsfinanzen auf der anderen Seite sind.« In einer Serie von Beschlüssen der EU-Institutionen (»Fiskalpakt«, »Sixpack«, »Twopack« usw.) nahm Gestalt an, was jetzt als »neue wirtschaftspolitische Steuerung« im Rahmen des »Europäischen Semesters « praktiziert wird. Leschke, Theodoropoulou und Watt beschreiben in ihrem Beitrag zum vorliegenden Buch die Grundstruktur dieses Instrumentariums und analysieren wesentliche Ergebnisse seines Einsatzes, und Schulten/Müller zeigen, was das für Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechte bedeutet. Deshalb sollen hier einige Schlaglichter genügen, die für das bessere Verständnis der Zusammenhänge zwischen EU-Politik und länderspezifi schen Entwicklungen besonders wichtig sind.

Der erste und alles beherrschende Schwerpunkt der »wirtschaftlichen Überwachung « ist die »Konsolidierung der Staatsfi nanzen«. Dies wird vorrangig mithilfe von Ausgabenkürzungen bewerkstelligt; die Einnahmeseite ist mit Ausnahme von (degressiv wirkenden) Verbrauchssteuern demgegenüber unterbelichtet. Schwerpunkte der Kürzungsmaßnahmen sind die Bereiche Gesundheit, Sozialleistungen, Renten und Investitionen in die Infrastruktur (OECD 2012: 41, 52ff.). In den folgenden Länderkapiteln werden die Konsequenzen dieses Herangehens eindrucksvoll beschrieben.

Der Fokus auf Haushaltskonsolidierung vor allem mithilfe von Ausgabenkürzungen – also die so genannte »Austeritätspolitik« – ist bemerkenswert, denn die Abfolge der Ereignisse liegt ja offen zutage: Erst kam die Krise, dann schnellten die Staatsschulden in die Höhe (s.u., Abbildung 2). Letzteres war nicht in erster Linie die Folge der Konjunkturpakete und steigender Sozialausgaben, wie dies auch in früheren Krisen üblich war, sondern der Rettung des privaten Bankensektors. In welchem Ausmaß die zuletzt genannte Aufgabe die diversen Rettungspakete für den griechischen Staatshaushalt bestimmten, wurde von attac Austria (2013) minutiös dokumentiert. Doch auch in Deutschland war der Anstieg der Staatschulden im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt von etwa 60% auf über 80% zum überwiegenden Teil das Resultat der Bankenrettung (BMF 2012).[6]

Der eigentlich atemberaubende Dreh bestand nun darin, die Folge zur Ursache, das Opfer zum Täter zu erklären. Die Sanierung der öffentlichen Haushalte ist im Selbstverständnis der führenden Akteure in Brüssel, Berlin und anderswo der Schlüssel für alles: Kurzfristig soll der Schuldenabbau der Abwehr spekulativer Attacken auf Staatsanleihen von »Schuldensündern« dienen; mittelfristig schaffe er das »Vertrauen«, das für die wirtschaftliche Erholung nötig sei; langfristig sei er der einzige Weg, der »unsere Kinder und Enkel« davor bewahre, die Kosten dafür zu tragen, dass »wir heute über unsere Verhältnisse leben«. Dieses Herangehen muss strategisch keineswegs durchdacht sein, ebenso wenig wie das oben erwähnte »Schwäbische Hausfrauen-Theorem«. Neoliberales Denken wurde über drei Jahrzehnte hinweg als ein von Raum und Zeit unabhängig gültiger Deutungsrahmen fest etabliert. So etwas wird nicht innerhalb weniger Monate über Bord geworfen. Schon gar nicht, wenn 95% der Journalisten fest daran glauben, dass 99% der »Wirtschaftsexperten« nicht irren können (die Zahlenangaben beziehen sich auf Deutschland, wo diese Frömmigkeit internationale Spitzenwerte erreicht – von der Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen in Brüssel einmal abgesehen).

Die Austeritätspolitik ist der harte Kern der EU-Krisenpolitik, doch diese geht mittlerweile weit darüber hinaus. Leschke, Theodoropoulou und Watt beschreiben in ihrem Beitrag die Bandbreite des so genannten »Scoreboard«, mit dem die EU-Kommission die wirtschaftliche Entwicklung der Mitgliedsländer überwacht. Dazu gehören zum Beispiel auch die vieldiskutierten Leistungsbilanz-Ungleichgewichte.[7] Im Zentrum der wirtschaftspolitischen Empfehlungen stehen jedoch – neben der Haushaltspolitik – die »Strukturreformen für mehr Wettbewerbsfähigkeit«. Hier wiederum sind es vor allem die Arbeitskosten, die aus Sicht der PromotorInnen der EU-Krisenpolitik über Wohl und Wehe entscheiden. Schulten und Müller zeigen, mit welchem Nachdruck das aus den 1980er und 1990er Jahren stammende Universalrezept einer Stärkung der preislichen Konkurrenzfähigkeit per Arbeitsmarkt-Deregulierung verfolgt wird, und in den betreffenden Länderkapiteln wird deutlich, welche Spuren diese Politik innerhalb kurzer Zeit hinterlassen hat.

Der Leitsatz der neoliberalen »Strukturreformen« lautet »one size fits all«. Man fühlt sich an die von Stiglitz (2002: 64) erwähnte Anekdote erinnert, dass in den Konditionen des IWF für die Kreditvergabe an von Finanzkrisen gebeutelte Länder in den 1990er Jahren einmal vergessen wurde, in einem Dokument beim »copy and paste« den Namen des betreffenden Landes zu ersetzen. Den Ländern, die mit der Troika »Vereinbarungen« abgeschlossen haben, wird das Kürzungs- und Deregulierungsprogramm in Form einer »neoliberalen Radikalkur« verordnet, wie es Maria Karamessini in ihrem Beitrag über Griechenland beschreibt.

Die Rettungsschirme bieten die Möglichkeit, wenigstens in einem Teil der EU-Länder ein – um ein französisches Wortspiel aufzugreifen – »austeritäres« Regime durchzusetzen (Dufresne/Pernot 2013: 4). Die entscheidende Rolle bei der Durchsetzung dieses Regimes hat die deutsche Bundesregierung gespielt.[8] Bundeskanzlerin Merkel (2013) hob in ihrer bereits erwähnten Rede in Davos hervor, dass die Krise dafür unbedingt als Chance genutzt werden müsse: »Die politische Erfahrung ist, dass für politische Strukturreformen oft Druck gebraucht wird. (...) Wenn Europa heute in einer schwierigen Situation ist, müssen wir heute Strukturreformen durchführen, damit wir morgen besser leben können.«

Wie aber lassen sich »Strukturreformen« auch dort durchsetzen, wo die Brechstange nicht angesetzt werden kann? Auch dazu äußerte sich die Kanzlerin in ihrer Davoser Rede: »Ich stelle mir das so vor (...), dass wir analog zum Fiskalpakt einen Pakt für Wettbewerbsfähigkeit beschließen, in dem die Nationalstaaten Abkommen und Verträge mit der EU-Kommission schließen, in denen sie sich jeweils verpfl ichten, Elemente der Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, die in diesen Ländern noch nicht dem notwendigen Stand der Wettbewerbsfähigkeit entsprechen.« Es geht also im Kern darum, durch schöpferische Weiterentwicklung der Verträge die EU-Exekutive zu stärken, um die Verbindlichkeit der im Rahmen des Europäischen Semesters defi nierten Ziele zu erhöhen.

Kritiker dieser »autoritären Konstitutionalisierung« (Oberndörfer 2013) halten sie für europarechtswidrig, aber mit dem Fiskalpakt sei diesbezüglich bereits »die Büchse der Pandora geöffnet« worden (ebenda: 84). Politisch dürfte aber auch die Überlegung eine Rolle spielen, dass die Drohung mit Sanktionen bei Nichterreichen zentraler Ziele, die bereits Bestandteil des Europäischen Semesters ist, unter den gegenwärtigen Voraussetzungen in der EU mit größerem Nachdruck vorangetrieben werden kann, wenn zuvor die nationalen Parlamente in den Prozess eingebunden worden sind.[9] Um Letzteres zu erleichtern, sieht das Konzept der »Wettbewerbspakte« auch ein System des Gebens und Nehmens vor zwischen Ländern, die ihre Ziele verfehlen, und solchen, die die Ziele erreichen.

Der Weg zur Etablierung der »Wettbewerbspakte« erweist sich jedoch als steinig. »Nur Merkel hat noch Lust auf Wirtschaftsreformen«, titelte die FAZ am 21.12.2013 und berichtete, dass sich aus der Sicht der Kanzlerin in den meisten Staaten »Reformmüdigkeit« breit mache, weil »der Druck der Finanzmärkte und damit der Reformdruck nachgelassen hätten.« Auch seien einige Staaten wie die Niederlande zu keinen solidarischen Leistungen mehr bereit. Die Eurostaaten dürften aber nicht erst reagieren, so warnte sie, »wenn uns die Märkte die rote Ampel zeigen.«

Die Arbeiten auf der Baustelle »Marktkonforme Demokratie« ziehen sich also noch etwas in die Länge. Es ist aber gut, gelegentlich daran erinnert zu werden, wer in letzter Instanz das Sagen hat und die Ampeln auf rot oder grün stellt.

Werfen wir nun einen Blick auf die Wirkungen der Reformen, die angeblich die Märkte dazu bewogen haben, von rot auf gelbes Blinklicht umzuschalten.

3. Krisenvertiefende Krisenbekämpfung

Zunächst: Was hat das austeritäre Regime für das Wachstum gebracht? Wie Abbildung 1 [diese und weitere Abbildungen können hier aus technischen Gründen nicht wiedergegeben werden; Anm.: AGF] zeigt, hat das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nur in vier der im vorliegenden Buch analysierten Länder das Vorkrisen-Niveau wieder erreicht oder übertroffen. Deutlich stärker als im Durchschnitt der Eurozone ist es in den Ländern der so genannten Peripherie zurückgegangen – am dramatischsten in Griechenland, wo am meisten »gespart« wurde. Im Durchschnitt der Eurozone wurden die Volkswirtschaften durch die Austeritätspolitik in eine sich vertiefende Rezession getrieben.

Dieser Zusammenhang wurde in letzter Zeit mehrfach vom Internationalen Währungsfonds (IWF) nüchtern bestätigt. Die Ökonomen des IWF sahen sich sogar veranlasst, die Folgen aller kurzfristigen Konsolidierungsprogramme einer erneuten Überprüfung zu unterziehen, die weltweit auf Betreiben des IWF in den zurückliegenden 30 Jahren durchgeführt wurden. Das Ergebnis: Innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren geht das BIP deutlich zurück, die Arbeitslosigkeit – insbesondere die Langzeitarbeitslosigkeit – steigt, die Löhne sinken und die Ungleichheit der Einkommensverteilung nimmt zu (Batini u.a. 2012; Blanchard/Leigh 2013).[10]

Selbstverständlich wird durch die verlängerte und vertiefte Rezession in den meisten Ländern die Arbeitslosigkeit erhöht (vgl. dazu das Kapitel von Leschke u.a.). Martin Wolf (2013a), Kolumnist der Financial Times, bringt es auf den Punkt: »Die Austeritätspolitik ist ein Fehlschlag. (...) Sie kann zwar die Wirtschaft nicht töten. Aber sie kann sehr viel unnötiges Leiden und große Verluste verursachen. Austerität ist eine Behandlung, die die Krankheit verschlimmert. (...) Was wir kurzfristig tun, wirkt sich langfristig aus.«

Ironischerweise wird durch diese Politik auch das unmittelbare Ziel verfehlt, die Staatsschulden im Verhältnis zum BIP zu senken (de Grauwe/Ji 2013). Da die Kürzung der Staatsausgaben das BIP noch schneller schrumpfen lässt als die öffentlichen Haushalte, ist die Staatsschuldenquote gestiegen (Abbildung 2).

Eine besonders verhängnisvolle Negativspirale löst die Konzentration der Krisenbekämpfung auf Senkung der Staatsschulden dadurch aus, dass Austeritätspolitik – wie durch die IWF-Ökonomen hervorgehoben – negative Verteilungswirkungen hat. Die zunehmende Ungleichheit der Einkommensverteilung gehörte in den meisten EU-Ländern zu den großen Strukturveränderungen während der zwei bis drei Vorkrisen-Jahrzehnte (OECD 2011; Ballarino u.a. 2012). In kritischen Analysen wird dies als eine der wesentlichen Ursachen der weltweiten Finanzkrise herausgearbeitet, weil größer werdende Gewinne und Kapitaleinkommen – ermutigt durch die Deregulierung der Finanzmärkte – bei teilweise hoher privater Verschuldung und längerfristig sinkenden wirtschaftlichen Wachstumsraten verstärkt in spekulative Anlagefelder reinvestiert wurden (Huffschmid 2002; Horn u.a. 2009; Krugman 2009). Die Krise 2008/2009 hat in den meisten Ländern diesem Trend – nach einem kurzen Gewinneinbruch – einen weiteren Schub gegeben (OECD 2013). Zu allem Überfl uss wird jetzt durch die Austeritätspolitik das Grundübel zusätzlich verschlimmert. Paul Krugman (2013: 13) bringt die Dinge nett auf den Punkt, wenn er schreibt, dass »die Wirtschaftspolitik seit der Finanzkrise zwar in fast jeder Hinsicht nach einem düsteren Fehlschlag aussieht, aber für die Reichen nicht so richtig schlecht gewesen ist. (...) Die Behauptung, das oberste ein Prozent der Bevölkerung sei Nutznießer der andauernden Wirtschaftskrise, ist vielleicht etwas übertrieben, aber besonders leiden tut es bestimmt nicht, und wahrscheinlich gibt es da auch einen Zusammenhang mit der Bereitschaft der Politiker, den Austeritätskurs zu beizuhalten.«[11]

Die folgenden Kapitel über die durch Krise und Krisenbekämpfung seit 2010 besonders stark betroffenen Länder zeigen eindrucksvoll, wie die aktuelle Austeritätspolitik die unteren Einkommensschichten ein weiteres Mal und mit noch stärkerer Wucht trifft, während die oberen Einkommensschichten weitgehend unbelastet bleiben. Die Beobachtung von Leschke u.a., dass die Sozialausgaben ausgerechnet in solchen EU-Ländern am stärksten gekürzt werden, in denen schon vorher die Armutsquote am höchsten war, ist so etwas wie eine traurige Pointe.

Wenn man nun bedenkt, dass der Anstieg der Staatsschulden, der ja den Anlass für die Austeritätspolitik geboten hat, zum größten Teil auf die Bankenrettung zurückzuführen ist, erkennt man den ultimativen Dreh der gegenwärtigen Entwicklung: Bislang wurde in kapitalistischen Krisen stets so viel Kapital vernichtet, dass das überlebende Kapital wieder profi tabel investierbar wurde. Diese ökonomische »Reinigungsfunktion« der Krise wurde seit 2008 durch die Verstaatlichung privater Schulden in beträchtlichem Maße blockiert (Deppe 2013: 38ff.). Zwar gab es durchaus erhebliche Verluste, aber die Profitabilität eines großen Teils des überschüssigen Kapitals wird einstweilen mithilfe von Steuermitteln aufrechterhalten. Mit anderen Worten: Die zunehmende Ungleichheit hat der großen Krise den Boden bereitet, und die Austeritätspolitik trägt nun dazu bei, diese Gefahr aufrechtzuerhalten. Das Opfer wird also anstelle des Täters verfolgt, und der Täter geht – bis auf Weiteres – sogar ge stärkt aus der Krise hervor.

Was bedeutet dies aber für den sich seit Ende 2013 andeutenden Wirtschaftsaufschwung? Zeigt er nicht, dass die Rosskuren letztlich doch zum Erfolg führen? Natürlich neigen Kritiker der EU-Politik zunächst dazu, auf die Labilität und Zerbrechlichkeit dieser Erholungstendenzen hinzuweisen. Dieser Versuchung möchte ich nicht nachgeben (obwohl an der Befürchtung viel dran ist), sondern auf ein anderes Problem aufmerksam machen. Allein schon wegen des Bedarfs an Ersatzinvestitionen gab es in jeder Krise, solange es Kapitalismus und zyklische Krisen gibt, irgendwann einen unteren Wendepunkt. Was wir aber in den letzten Jahren erlebt haben war, ist bildlich gesprochen, Folgendes: Die in der EU betriebene Krisenbekämpfung hat den unteren Wendepunkt hinausgeschoben und damit tiefer gelegt. Praktisch bedeutet dies, dass Arbeitslosigkeit, Armut und Sozialabbau derart gefördert wurden, dass die Wirtschaftsdaten sich auf diesem Wege verbesserten. Am Beispiel Spaniens: Durch die Ausbreitung sozialen Elends ging die Nachfrage nach importierten Gütern zurück; gleichzeitig sanken die Löhne so stark, dass die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Industrie besser wurde. So kann heute die Trendwende von einer chronisch defi zitären Leistungsbilanz zu einem leichten Exportüberschuss als Erfolg der Reformen verkauft werden. Zugespitzt formuliert: Was wir heute in einigen europäischen Ländern beobachten können, ist ein Aufschwung durch Verarmung. Dies aber ist ein Weg, der ein Land langfristig, auf Jahrzehnte hinaus prägt. Die Flurschäden zu erzeugen, geht schnell, sie zu beseitigen, dauert lange. Denn entwertet und brachgelegt wird das wichtigste Fundament jederVolkswirtschaft: die menschliche Produktivkraft.

Damit wird die »Reinigungsfunktion« der Krise in einem noch weitergehenden Sinne abgewürgt. Anders als in früheren großen Krisen hat die jetzige bislang keine (im positiven Wortsinn) Innovation hervorgebracht, weder im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung einzelner Länder, noch im Hinblick auf deren soziale und ökologische Neuorientierung. Von einem »Transformationsprojekt« wie dem, das von den USA der 1930er Jahre ausging und den Weg zum sozial gebändigten Nachkriegskapitalismus bahnte, ganz zu schweigen (Detje 2014: 49; Deppe 2013: 50). Zweifellos sind die Bedingungen für – und Anforderungen an – eine derartige Transformation heute völlig andere als in der Mitte des zurückliegenden Jahrhunderts, und sie wäre heute wegen geringerer Wachstumsraten auch mit wesentlich härteren Verteilungskonfl ikten verbunden als damals (Klein 2013: 47). Als Zwischenfazit bleibt aber festzuhalten: In der gegenwärtigen Krise gibt es viel Regression, doch keinerlei gesellschaftliche Innovation.

Dies gilt nicht allein für die Länder, die am stärksten und auffälligsten von dieser Krise betroffen sind. Das zeigt mit all seinen Unterschieden, Widersprüchen und Paradoxien das bunte Bild, das sich aus den Länderanalysen des vorliegenden Buchs ergibt.

4. Kontinentaldrift

Der erste Gesamteindruck, der sich aus den zehn Länderkapiteln ergibt, ist der eines auseinanderdriftenden Kontinents. Wenn man dann die Tendenzen im Zusammenhang betrachtet, zeigt sich, wie sehr die Fixierung auf die Kürzung öffentlicher Ausgaben und auf die Senkung der Lohnkosten als Dreh- und Angelpunkte der neuen wirtschaftspolitischen Steuerung in der EU die Wege zu einer dringend notwendigen Neuorientierung der sozialökonomischen Modelle in den Mitgliedsländern verbaut. Diese Beobachtung ist deshalb so wichtig, weil aus der Kritik an den »Strukturreformen«, die mit dem austeritären Regime vorangetrieben werden, nicht der Schluss gezogen werden darf, dass es – insbesondere in den am stärksten von der Krise betroffenen Ländern – keinen »Reformbedarf« gäbe. Ganz im Gegenteil. Wie die folgenden Länderanalysen zeigen, hat jedes Land seine ganz eigene Krankheit, die es für die Krise so anfällig hat werden lassen. Die Universalmedizin aber, die jetzt, »nach dem Ende der Party« (wie es James Wickham am irischen Beispiel formuliert), diesen Ländern verordnet wird, hat nicht das Geringste mit der jeweiligen Krankheit zu tun. Sie wird allenfalls dazu führen, dass die Uhren zurückgedreht werden.

Das Ausbleiben einer Abkehr von fragwürdigen oder sogar offenkundig gescheiterten Wachstumsmodellen fällt natürlich dort am meisten auf, wo die Krise am härtesten zugeschlagen hat. Werfen wir deshalb einen Blick zunächst auf diese Länder.

Krank machende Medizin

Griechenland hat nach der ersten Phase der Krise, der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009, von allen Ländern der Eurozone den dramatischsten Absturz erlitten. Maria Karamessini schildert den »Bestrafungscharakter« der Finanzhilfen und die Folgen der »Schocktherapie« für ihr Land, die eine »Spirale von Austerität – Rezession – Austerität in Gang gesetzt« hat. Sie beschreibt zum einen die sozialen Verwüstungen, die dadurch entstehen und die das Land auf längere Sicht prägen werden. Zum anderen hebt sie die wirtschaftliche Perspektivlosigkeit dieses Herangehens hervor: Austerität und Privatisierungen schlagen dem Staat die Instrumente aus der Hand, die für eine wachstumsfördernde Politik gebraucht werden. »Wachstum wird dann ausschließlich von Anreizen für ausländische Unternehmen und für die am stärksten international aufgestellten Teile des griechischen Kapitals abhängen. Der größte Anreiz soll eine verarmte Arbeiterklasse sein, die ihrer Rechte beraubt ist, und eine große Reserve von Menschen, die angesichts der Massenarbeitslosigkeit bereit ist, Beschäftigung zu allen Bedingungen zu akzeptieren.«

Italien hat im Gegensatz zu Griechenland eine große Tradition international konkurrenzfähiger industrieller Produktion – von der Bekleidungsindustrie bis zum Maschinenbau. Aber diese Stärke, die überdies nie an die südlichen Teile des Landes weitergegeben wurde, ist schon lange vor 2008 von einer schleichenden Krise erfasst gewesen. Annamaria Simonazzi sieht die endogenen Potenziale der italienischen Wirtschaft optimistischer als manche andere ExpertInnen aus ihrem Land, geht aber vor allem mit dem Staat und dem politischen System hart ins Gericht. Sie erklärt die »italienische Krankheit« u.a. mit dem »Zusammenspiel von Steuervermeidung, Steuerhinterziehung und Steuersenkungen «, das ebenso wie eine ineffi ziente und klientelistische öffentliche Verwaltung den Ausbau der Infrastruktur und vor allem der sozialen Dienstleistungen erheblich erschwert; mit der »eine perverse Umverteilung« vorantreibenden Steuer- und Sozialpolitik und einer Deregulierungspolitik auf dem Arbeitsmarkt, die (eine auch ihrer Meinung nach ungenügende!) Flexibilität durch soziale Unsicherheit herstellen will; mit dem Fehlen jeglicher Industriepolitik und mit einem politischen »Mehrheitsblock, der nur durch den Wunsch nach Machterwerb oder -erhalt zusammengehalten wird«. Vor diesem Hintergrund erklärt sie das seltsame Phänomen, dass Italien – trotz traditionell hoher Staatsverschuldung – durch die Finanzkrise nicht direkt betroffen war, aber die anschließende Rezession sich zu einer größeren und anhaltenden Belastung für die Wirtschaft des Landes auswuchs. Licht im Tunnel sieht sie nicht.

Stagnation ist demgegenüber etwas, was man mit Spanien am allerwenigsten in Verbindung bringen würde. Tatsächlich hat dieses Land in den zurückliegenden 30 Jahren im Vergleich mit dem übrigen Südeuropa den rasantesten kapitalistischen Modernisierungsprozess erlebt. Josep Banyuls und Albert Recio beschreiben eine wirtschaftliche und soziale Dynamik, die geprägt war durch eine Balance zwischen den gegensätzlichen Momenten einer neoliberalen Grundorientierung der Wirtschaftspolitik und »dem starken gesellschaftlichen Drängen auf einen sozialdemokratischen Ausbau des Wohlfahrtsstaats«.[12] Der Aufschwung wurde jedoch zunehmend durch die mit Auslandsverschuldung gespeiste Bau- und Spekulationsblase angetrieben, deren Platzen jetzt als Gelegenheit genutzt wird, ein »konservativ-neoliberales Projekt« umzusetzen: Privatisierungen im Gesundheits- und Bildungswesen, Abbau sozialer Dienstleistungen und Rechte, aber zugleich die Stärkung konservativ-elitärer Elemente. So werden in einer großen Bildungsreform mehr soziale Auslesemechanismen eingeführt, die finanzielle Basis des staatlichen Schulwesens geschwächt und der Staatsbürgerkunde-Unterricht zugunsten des katholischen Religionsunterrichts reduziert. Soziale und regionale Ungleichheiten werden gleichermaßen vertieft. Indem der Familie wieder »die Hauptlast der sozialen Absicherung zugeschoben wird und die Frauen die Lücken füllen, die durch das Fehlen öffentlicher Dienstleistungen und Daseinsvorsorge entstehen«, führt dies teilweise zu einem »Rückfall in das alte Mittelmeer-Modell«. Auch wirtschaftlich halten Banyuls und Recio die »Strukturreformen« für rückwärtsgewandt: Anstelle einer Förderung von wissenschaftlichem und technologischem Fortschritt, einer Öffnung zu produktiveren und kooperativen Produktionsmethoden oder der Beseitigung von Barrieren für soziale Mobilität »sind sie darauf gerichtet, ein zum Scheitern verurteiltes Produktionsmodell der Vergangenheit wiederzubeleben, das auf niedrige Löhne und prekäre Beschäftigung baut«.[13] Es ist genau jenes Produktionsmodell, das dem Land nach dem Übergang zur Demokratie bis in die 1990er Jahre hinein zunächst hohe Wachstumsraten ermöglichte, bis es durch die Osterweiterung der EU unter Druck geriet und teilweise durch den Immobilienboom der 2000er Jahre als neuem Wachstumsmotor abgelöst wurde.

Ähnlich wie in Spanien hat auch in Irland ein durch private Verschuldung finanzierter Immobilienboom den Weg in die Krise gepfl astert. Das Wachstum war so rasant, dass das traditionelle Auswanderungsland vorübergehend zu einem Einwanderungsland wurde. Als die Blase platzte, explodierte die Staatsschuldenquote von rund 25% am Vorabend der Krise auf fast 120% fünf Jahre später – in erster Linie als Ergebnis einer beispiellosen Übernahme sämtlicher Schulden des in besonderem Maße spekulationsgetriebenen Bankensektors.[14] Unter den Ländern, deren Staatshaushalte durch europäische Rettungsschirme aufgefangen wurden, wird vor allem Irlands Entwicklung von der EU-Kommission als ermutigend hervorgehoben. James Wickham arbeitet in seiner Analyse die Widersprüche und Pferdefüße dieser Erfolgsgeschichte heraus. Der neben dem Bankensektor wichtigste Wachstumsmotor sind ausländische – vor allem US-amerikanische – Direktinvestitionen. Die Attraktivität Irlands auf diesem Gebiet beruht in starkem Maße auf der niedrigen Unternehmensbesteuerung, die u.a. von großen Software- und Internet-Firmen für ihre weltweiten Geschäfte genutzt wird. Wickham findet es »geradezu bizarr«, dass das gesamte Parteienspektrum den niedrigen Unternehmenssteuersatz »zu einem Symbol der nationalen Unabhängigkeit gemacht hat«, das gegen die Kritik der übrigen EU-Mitglieder verteidigt werden müsse: »Die Krise hat nicht etwa zu einem Überdenken der nationalen Entwicklungsstrategie geführt, sondern das Vertrauen in ausländische Direktinvestitionen zu einem nationalen Fetisch gemacht.«

Das irische Wachstumsmodell ist nicht nur ein bezeichnendes Beispiel für die in der EU unter dem Eindruck der Krise eher noch stärker hervortretenden nationalen Egoismen (wie die Verteidigung der Londoner City vor der Finanztransaktionssteuer durch die britische Regierung, oder die Verteidigung der deutschen Automobilindustrie vor zu strengen CO2-Richtlinien durch die deutsche Bundesregierung). Es zeigt auch, wie groß die Hindernisse auf dem Weg zu einer abgestimmten Wirtschafts- und Steuerpolitik sind, die für eine funktionierende Währungsunion eigentlich erforderlich wäre, und wie vergleichsweise einfach es demgegenüber für die beteiligten Regierungen ist, sich auf die Kürzung von Sozialausgaben und die Deregulierung des Arbeitsmarkts als Rezept zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit zu einigen.

Unheil anrichten geht auch ohne Troika

Die vier Länder, an deren Beispiel das Festhalten an nicht nachhaltigen oder sogar offenkundig gescheiterten Wachstumsmodellen bisher skizziert wurde, sind Mitglieder der Eurozone. Die Konstruktion dieser Währungsunion beschleunigt zwar eine Zuspitzung der Probleme, aber auch in Ländern ohne Euro wird eine Revision der bisherigen Wachstumsmodelle unterminiert – selbst wenn dies, wie in Ungarn zu sehen, von anti-neoliberaler Rhetorik begleitet ist.

András Tóth beschreibt die sozial-ökonomische Entwicklung seines Landes unter der Regentschaft des rechtspopulistisch-charismatischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán als einen »selektiven wirtschaftlichen Nationalismus«. Das bisherige Modell setzte, ähnlich wie in Irland, auf ausländische Direktinvestitionen. Gewissermaßen war dies die andere Seite der Medaille des in den 1990er Jahren ins Stocken geratenen spanischen Wachstumsmodells, weil insbesondere deutsche Industrieunternehmen ihre Zuliefer- und Investitionsstrategie von Südeuropa und Frankreich in die neuen Mitgliedsländer umlenkten (Duval 2013). Von den neuen industriellen Leuchttürmen in Ungarn gehen jedoch seit Längerem nur schwache Impulse für die übrige Wirtschaft aus, wie sogar die EU-Kommission kritisch anmerkt (ECFIN 2014: 51). Rasch zunehmende sowohl private als auch staatliche Verschuldung in den Jahren vor der Krise führten zwar zu kurzfristigen Wachstumseffekten, änderten aber an dem Grundproblem nichts. Mit der Krise brach dieses Modell zusammen, und unter dem Druck der EU-Kommission schaltete die (damals noch sozial-liberale) Regierung auf Austerität um. Die dadurch ausgelöste breite Enttäuschung erleichterte es Orbán (ähnlich wie Rajoy in Spanien), das Pendel nach rechts ausschlagen zu lassen. Er errichtete ein von einer verfassungsändernden Mehrheit getragenes Regime mit starken Anklängen an Nationalchauvinismus, Rassismus und Antisemitismus, das durch die Parlamentswahlen im April 2014 im Amt bestätigt wurde. Orbáns Politik ist einerseits neoliberal geprägt, wie die »Arbeitsmarktreformen« mit massiven Sozialausgaben-Kürzungen und Einschränkungen gewerkschaftlicher Rechte zeigen, und sie ist weiterhin um das Anwerben ausländischer Investoren bemüht. Dies wird aber kombiniert mit einer systematischen Förderung und Bevorzugung einfl ussreicher inländischer Anbieter auf dem Binnenmarkt und bei öffentlichen Aufträgen. Auch wurde den hochverschuldeten Teilen der Mittel- und Oberschicht die Möglichkeit geboten, ihre Schulden bei ausländischen Banken zu einem sehr günstigen Wechselkurs auf einen Schlag zu begleichen – sehr zum Verdruss der vor allem österreichischen Kreditinstitute. All dies hat bereits wiederholt die EU-Kommission auf den Plan gerufen, aber selbst rechtliche Schritte sind nur Wasser auf die Mühlen einer nationalistischen Rhetorik. Tóth warnt davor, dass andere, größere Länder dem rechtspopulistischen Beispiel Ungarns folgen könnten. Denn kurzfristig ist dieser Mix aus Neoliberalismus und reaktionärem Nationalismus relativ erfolgreich, aber die grundlegenden Wirtschaftsprobleme werden nicht angegangen, und die Auswirkungen auf soziale Standards und die politische Kultur betrachtet Tóth als verheerend.

Während die Rechtsentwicklung in Ungarn noch durch Interventionen aus Brüssel zumindest mit-ausgelöst (wenn auch nicht verursacht) wurde, ist die vielleicht massivste Austeritäts-Dampfwalze Europas ohne jede Hilfe oder gar Zwang aus Brüssel oder Berlin in Gang gesetzt worden. Dies zeigen Damian Grimshaw und Jill Rubery am Beispiel Großbritanniens. Nach den sozialen Korrekturen (wie dem gesetzlichen Mindestlohn und der deutlichen Ausweitung öffentlicher Dienstleistungen), die in der Regierungszeit von New Labour am Thatcherismus vorgenommen wurden, betreibt die gegenwärtige Regierung eine radikale und breit angelegte Kürzungspolitik im Bereich von öffentlichen Dienstleistungen und Sozialausgaben, kombiniert mit einem neuen Privatisierungsschub, der erstmals auch das Gesundheitswesen erfasst. Grimshaw und Rubery betrachten dies als einen grundlegenden Umbau Großbritanniens zu einem »durchgängig neoliberalen Beschäftigungs- und Sozialmodell« mit jenem »Schrumpfen des öffentlichen Raums«, das traditionell zu den Kernanliegen des Neoliberalismus gehört. Selbst eine – nach jahrelanger, austeritätsbedingter Verzögerung – wieder wachsende Wirtschaft ändert weder etwas an den Grundproblemen der britischen Wirtschaft wie einer schwachen Produktivitätsentwicklung, niedrigen Investitionen und einer seit 30 Jahren defi zitären Leis tungsbilanz; auch weiterhin bleibt die Wirtschaft über die Maßen vom Londoner Finanzsektor abhängig (vgl. auch Wolf 2013b). Erschwerend kommt hinzu, dass – ähnlich wie in Spanien – die fortschreitende Vertiefung von sowohl sozialer als auch regionaler Spaltung das Land auf lange Sicht prägen wird. Grimshaw und Rubery befürchten, »dass wenig aus den offensichtlichen Mängeln der Wirtschaftspolitik in der Vorkrisenzeit gelernt wurde. Großbritannien ist drauf und dran, ein ›verlorenes Jahrzehnt‹ (...) zu erleiden.«

Das Beispiel Großbritanniens zeigt noch deutlicher als das Beispiel Ungarns, dass es einseitig und irreführend wäre, das in einer Reihe von EU-Staaten errichtete austeritäre Regime vorrangig als das Ergebnis von Troika-Diktaten oder des Drucks aus Brüssel (und Berlin) zu verstehen. Kein Zweifel, dieser Druck ist massiv, aber er stützt sich auf Grundsatz-Entscheidungen aller Staats- und Regierungschefs und der zahlreichen nationalen Parlamente, die z.B. den Fiskalpakt gebilligt und ihm teilweise sogar Verfassungsrang gegeben haben. Und ebenfalls kein Zweifel kann daran bestehen, dass die offi zielle Bezeichnung der Troika-Direktiven als »memorandum of understanding« eine lächerliche Beschönigung der tatsächlichen Machtverhältnisse darstellt. Aber gerade die Entwicklungen in Griechenland und Spanien zeigen, wie sehr diese Politik von den jeweiligen nationalen Eliten gutgeheißen und aktiv mit-betrieben wird, und wie sehr sie damit ihre eigenen unmittelbaren Interessen vertreten. Um es am Beispiel Spaniens zuzuspitzen: Die Wurzeln der gegenwärtigen Regierungspartei reichen bis in die Franco-Ära zurück, und sie stützt sich auf eine in der spanischen Gesellschaft immer noch vorhandene klerikal-reaktionäre Strömung. Aber diese Strömung ist – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der kapitalistischen Modernisierung der zurückliegenden Jahrzehnte – längst nicht mehr stark genug, um aus eigener Kraft die Basis zu schaffen, die für eine sowohl in sozialer als auch politischer und kultureller Hinsicht derart reaktionäre Regierungspolitik erforderlich ist. Hier kommen jetzt Brüssel und Berlin ins Spiel, die der spanischen Regierung eine willkommene Entschuldigung für das vermeintlich Alternativlose bieten, und die jenes Ausmaß an Entmutigung erzeugen, die einen großen Teil der spanischen Gesellschaft veranlasst, sich einstweilen mit einer Übermacht einheimischer und ausländischer Machthaber zu arrangieren. Dass die spanische Regierung immer wieder deutlich macht, wie lästig ihr diese ausländische Einmischung ist, dürfte sogar ehrlich gemeint sein und zum Stolz dieser in einem Umfeld von Korruption agierenden nationalistischen Eliten gehören. Auch wenn man das eigene Programm nicht ohne ausländische Hilfe durchsetzen könnte, heißt das noch lange nicht, dass man diese Helfer lieben muss.

Es ist diese Gemengelage, die einerseits dem Rechtspopulismus – wie in Ungarn – die Türen öffnet, und es andererseits der Opposition in vielen EU-Ländern so schwer macht, einen Kurswechsel im eigenen Land als ein realistisches Projekt vorstellbar zu machen. Zusätzlich erschwert wird ihnen dies dadurch, dass die Eliten der wirtschaftlich stärkeren Länder alles dafür tun, den Blick auf wesentliche Gründe ihrer (relativen) wirtschaftlichen und sozialen Stabilität zu verstellen und anderen Ländern eine Medizin empfehlen, die sie selber nicht nehmen.

Die verheimlichten Rettungsanker

Sieht man sich die Analysen aus jenen Ländern an, die den Einbruch 2008/2009 vergleichsweise robust verkraftet haben, springt eine Gemeinsamkeit ins Auge: Die betreffenden Regierungen haben Maßnahmen ergriffen, die – wie es Christoph Hermann und Jörg Flecker am Beispiel Österreichs zeigen – »vorübergehend mit dem neoliberalen Wirtschaftsparadigma brachen«. Dazu gehörten (ähnlich wie in Deutschland) sowohl die staatlichen Ausgabenprogramme als auch eine »Wiederbelebung der österreichischen Sozialpartnerschaft«. Als Stabilitätsanker der letzten Instanz erwies sich der Sozialstaat mit seinen »automatischen Stabilisatoren«.

In der Form verschieden, aber im Kern das Gleiche ist, was Dominique Anxo über Schweden berichtet: Zu dem Spektrum von stabilisierenden Maßnahmen gehörten zusätzliche zentralstaatliche Zuweisungen an die Kommunen auch über 2008/2009 hinaus, um Personalabbau im Bereich sozialer Dienstleistungen zu vermeiden, sowie die Erhöhung öffentlicher Investitionen in die Infrastruktur; aber auch Steuersenkungen und höhere Transferleistungen für einkommensschwache Haushalte. Wie bereits in früheren Krisen wurde zugleich die schwedische Krone abgewertet, aber »im Vergleich zu den Erholungsphasen nach früheren Wirtschaftskrisen wird das Wirtschaftswachstum in Schweden diesmal weniger durch Exportsteigerung vorangetrieben als durch den Anstieg des öffentlichen und des privaten Verbrauchs«. Anxo erinnert auch daran, dass die »Steuerlastquote in Schweden – trotz eines gewissen Rückgangs im zurückliegenden Jahrzehnt – nach wie vor eine der höchsten in Europa« ist. Dadurch konnte die Staatsverschuldung gering und zugleich das Niveau der staatlichen Sozial- und Dienstleistungen hoch gehalten werden.

All dies ist umso bemerkenswerter, als die konservative schwedische Regierung – noch weitaus radikaler als die Große Koalition in Österreich – zu den entschiedensten Befürwortern der neoliberalen Krisenpolitik in der EU gehört. James Wickham macht in seinem Irland-Kapitel auf ein vergleichbares Paradox aufmerksam, das er in Kontrast zu Griechenland stellt und als »das merkwürdige Überleben des Sozialstaats« bezeichnet: »In der veröffentlichten Meinung Irlands wird die Krise zunehmend nicht mehr auf die ›Übertreibungen‹ des Anglo-Amerikanischen Kasino-Kapitalismus zurückgeführt, sondern auf die angeblich übermäßigen Staatsausgaben. Dies ist eine merkwürdige Verkehrung der Realität. In Wirklichkeit hat doch die Krise gezeigt, dass der Staat in der Lage ist, die Bürgerinnen und Bürger vor den Wechselfällen des Marktes zu schützen. Nichts anderes als die Bewahrung des ›Europäischen‹ Wohlfahrtsstaates – so schwach und unvollkommen er auch immer sein mag – war es, die in Irland den sozialen Zusammenbruch verhindert hat.« Wenn jetzt in der EU die Erholung Irlands gefeiert wird, wird diese »Schattenseite« natürlich schamhaft verschwiegen. Der Sozialstaat ist ein äußerst ungeliebter Rettungsanker.

Dieses teilweise Auseinanderfallen von tatsächlicher Politik im eigenen Land einerseits und den »Lehren« für die gläubigen Medien und für andere Länder andererseits ist ein Muster, das von den Merkel-Regierungen unterschiedlicher Zusammensetzung zur Perfektion getrieben wurde: anderen eine Medizin zu verschreiben, die man selber nicht nimmt. Zumindest nicht jetzt nimmt, und schon gar nicht in der Dosis, die anderen zwangsverordnet wird. Denn in Schweden wird zwar seit einigen Jahren (weitaus zielstrebiger als in Österreich) an wichtigen Pfeilern des Sozialmodells gesägt – der Neoliberalismus macht auch um diese Länder keinen Bogen. Doch die Vorsicht, mit der dies ins Werk gesetzt wird, unterscheidet sich drastisch von dem Deregulierungseifer, der in den Agenda-Jahren in Deutschland seinen Höhepunkt erreichte und der jetzt in Europa zum Vorbild erklärt wird.

Die hier verborgene Pointe beschreibe ich im Deutschland-Kapitel. Die Deregulierungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt sind nicht der Grund dafür, dass Wirtschaft und Arbeitsmarkt den dramatischen Einbruch von 2008 überraschend gut verkraftet und sich seit dem zweiten Halbjahr 2009 vergleichsweise stabil entwickelt haben. Vielmehr haben sie vor der Krise das Anwachsen der Ungleichgewichte innerhalb der Währungsunion massiv beschleunigt und damit entscheidend dazu beigetragen, dem Beinahe-Zusammenbruch des Euro von 2010ff. den Boden zu bereiten. 2008/2009 wurden allerdings zuvor abgeschriebene Kernelemente des Vor-Agenda-Sozialmodells reaktiviert – insbesondere der Vorrang der internen betrieblichen Flexibilität, ermöglicht durch eine von stärkerem gewerkschaftlichen Selbstbewusstsein getragene »Sozialpartnerschaft «. Hinzu kam etwas, worauf der Rest Europas während der vorangegangenen Aufschwungjahre vergeblich gewartet hatte: Die durchschnittlichen Löhne begannen zu steigen, nicht zuletzt deshalb, weil die Gewerkschaften jetzt wieder mehr öffentlichen Rückenwind für ihre Lohnpolitik erhielten. Im Ergebnis wird zum ersten Mal in diesem Jahrhundert die deutsche Konjunktur stärker durch den Binnenmarkt als durch den (unverändert hohen) Exportüberschuss gestützt. Kurz gesagt: Die relativ stabile Entwicklung von Wirtschaft und Arbeitsmarkt in Deutschland ist vor allem darauf zurückzuführen, dass in den letzten Jahren begonnen wurde, die schädlichen Wirkungen der Agenda-Politik auf dem Arbeitsmarkt zumindest einzudämmen.[15]

Dass die von Bundesregierung und Medien verbreitete anderslautende Botschaft so breite Resonanz findet, hängt damit zusammen, dass die deutsche Industrie international außergewöhnlich erfolgreich ist – gestützt auf ihre primär produktbasierte Wettbewerbsfähigkeit. Dass auch dies mit der Agenda-Politik nichts zu tun hat, zeigt im übrigen der Blick in die Länderanalysen Österreichs und Schwedens. Dort hat es keine auch nur in Ansätzen vergleichbaren Deregulierungen auf dem Arbeitsmarkt gegeben, aber auch dort erwies sich die volkswirtschaftliche Wertschöpfungsbasis in den zurückliegenden Jahren als relativ robust. So konnte die erwähnte Abwertung der schwedischen Krone nur deshalb ihre unterstützende Wirkung für die Industrie leisten, weil diese Industrie »trotz« hoher Sozialstandards international wettbewerbsfähig ist.

Zugleich aber machen die Analysen der wirtschaftlich starken Länder auf eine weitere Gemeinsamkeit aufmerksam: Deutschland, Schweden und Österreich laufen in der einen oder anderen Weise Gefahr, ihre Stärken einzubüßen. In Deutschland sind es vor allem die Unterinvestitionen in soziale Dienstleistungen und die öffentliche Infrastruktur sowie die Versäumnisse in der Bildungspolitik mit ihren negativen Auswirkungen auf die Berufsbildung, die zukünftige wirtschaftliche Erfolge allmählich untergraben. Ähnlich Österreich, das es mit den Worten von Hermann und Flecker zwar »schafft, bestehende Errungenschaften beizubehalten, (aber daran) scheitert, die Investitionen für künftige Herausforderungen zu tätigen. (...) Als Resultat scheint das Land in einem Stillstand gefangen.« Und Dominique Anxo beschließt sein Kapitel zu Schweden – nach einem Hinweis auf die hohe Jugendarbeitslosigkeit und das Fanal der Unruhen in einigen mehrheitlich von Einwanderern bewohnten Stadtteilen vom Sommer 2013 – mit dem besorgten Ausblick: »Wenn es Schweden nicht gelingt, wieder die Voraussetzungen für eine Rückkehr zur Vollbeschäftigung zu schaffen und vor allem für größere Teile der benachteiligten Gruppen die Arbeitslosigkeit zu senken und die Beschäftigungsquote zu steigern, ist ein anhaltender Niedergang des schwedischen Modells, seiner Kohärenz und der Stabilität seines sozialen Zusammenhalts nicht auszuschließen.«

Frankreich befindet sich bereits in einem solchen Prozess. Hier kommt auf besonders beunruhigende Weise die gegenwärtig in Europa verbreitete Unfähigkeit wirtschaftlicher und politischer Eliten zur Geltung, die eigentlichen Stärken und Schwächen des jeweiligen Wirtschafts- und Sozialmodells zu erkennen und sich ohne ideologische Scheuklappen auf die Überwindung der Schwächen und den Ausbau der Stärken zu konzentrieren. Florence Jany-Catrice und Michel Lallement erinnern daran, dass die wirtschaftliche Entwicklung Frankreichs bereits seit Jahrzehnten, über verschiedene Krisen hinweg, durch eine starke Binnenmarktorientierung der Wirtschaft gestützt wurde (was bis in die jüngste Vergangenheit durch kontinuierliche Erhöhungen der durchschnittlichen Löhne ermöglicht wurde), und dass Frankreich zusammen mit Schweden zur »Gruppe der Länder mit den stärksten Schutzmechanismen« gehört, was in der Krise 2008/2009 »zweifellos antizyklisch« gewirkt hat. Doch schon die Tatsache, dass französische Unternehmen diesmal in viel geringerem Maße als deutsche auf Kurzarbeit zurückgriffen und stattdessen Arbeitsplätze abbauten, signalisierte eine Neuorientierung, die sich mehr und mehr auf die Ebene der Politik überträgt: Arbeitskosten zu senken, anstatt die Wertschöpfungsbasis zu stärken. Innerhalb von nur zehn Jahren ist der Anteil der verarbeitenden Industrie in Frankreich um fünf Punkte auf nur 10% gesunken (das ist weniger als halb so viel wie in Deutschland). Die von Jany-Catrice und Lallement zitierten kritischen Ökonomen erklären dies unter anderem mit der strategischen Vernachlässigung der Produktinnovation, die auch darin zum Ausdruck kommt, dass die F&E-Aufwendungen in Aktiengesellschaften 1992 noch 45% der Dividenden entsprachen, aber 2011 nur noch 25%. Diesseits des Rheins wird in der Regel nicht zur Kenntnis genommen, dass der Finanzmarktkapitalismus in Frankreich (ausgedrückt z.B. in der Börsenkapitalisierung der Unternehmen) trotz einiger verbliebener Staatskonzerne und eines immer noch bedeutenden »Etatismus « stärker als in Deutschland ausgeprägt ist und in einem geradezu symbiotischen Zusammenspiel mit elitären Organisationsformen in Wirtschaft und Staatsapparat eine innovationshemmende Wirkung entfaltet.

Die Auseinandersetzung um die wirtschaftspolitische Orientierung Frankreichs (und eventuell auch Italiens) dürfte in der nächsten Zeit eine Schlüsselrolle für die Frage spielen, wie ernsthaft die Verbindlichkeit der in Brüssel vereinbarten Vorgaben zur Stärkung der »Wettbewerbsfähigkeit« ist. Die Hollande- Regierung bringt bislang nicht mehr Mut auf, als dem Glaubenssatz hinterherzulaufen, dass die Arbeitskosten gesenkt werden müssten, um Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung voranzubringen. Die Enttäuschung über Die spaltende Integration Europas 31 diese Führungsschwäche lässt bei vielen derjenigen, die 2012 demonstriert hatten, dass sie eine Abkehr vom »Merkozy«-Kurs wollten, jetzt das Pendel nach rechts ausschlagen. So wird Frankreich zu einem anschaulichen Beispiel dafür, worin der wahre Kern von Kanzlerin Merkels Diktum besteht, die gegenwärtige Krisenpolitik sei »alternativlos«: Es mangelt an durchsetzbaren, weil politisch glaubwürdigen Alternativen.

5. Alle Veränderung in Europa geht vom Nationalstaat aus

Anders als in der eingangs zitierten Prognose des obersten Hardliners der EU-Kommission liegt »das Schlimmste« nicht hinter uns. Selbst wenn die Wirtschaft in der Eurozone wieder wächst, bleiben auf längere Sicht die Flurschäden des austeritäten Regimes zurück und bilden den Boden für die nächste Krise. Zugleich wird Europa durch die institutionalisierte Staatenkonkurrenz und durch die neue wirtschaftspolitische Steuerung auf einem Kurs der Stärkung von »Wettbewerbsfähigkeit« per Senkung der Arbeitskosten gefangen gehalten, der in der heutigen Weltwirtschaft und angesichts der ökologischen Heraus forderungen nie auf einen grünen Zweig führen kann.

Auch die politischen Flurschäden sind deutlich zu erkennen – »Europa« wird von immer mehr Menschen eher als Bedrohung denn als Hoffnung wahrgenommen, demokratische Rechte werden eingeschränkt. In der Eurozone zeigt sich am deutlichsten, wie realistisch die pessimistische Beurteilung durch Joseph Stiglitz (2013: 3) ist: »Der Euro sollte Wachstum, Wohlstand und ein europäisches Zusammengehörigkeitsgefühl fördern. Stattdessen brachte er Stagnation, Instabilität und Uneinigkeit.«

Diese Bewertung zielt auf das Kernproblem: Als Dreh- und Angelpunkt für die wirtschaftliche Gesundung des Kontinents gilt das »Vertrauen der Anleger« oder »der Märkte«. Wenn sich dadurch das Vertrauen der Menschen nicht automatisch einstellt, bietet sich ein völlig naheliegender Ausweg an: Soziale und wirtschaftliche Probleme werden zu nationalen Problemen erklärt (vgl. auch Sauer 2013: 124).

In gewisser Weise sind sie das ja tatsächlich. Nur sind es soziale Gegensätze innerhalb der Nationalstaaten und nicht zwischen den Nationalstaaten. Dies zeigen die Länderanalysen des vorliegenden Buchs. Die wirtschaftlichen Entwicklungsmodelle eines beträchtlichen Teils der europäischen Länder haben sich als nicht tragfähig erwiesen, und jetzt sollen sie auf dem Wege zunehmender sozialer Spaltung und der Schwächung von Arbeitsmarktregulierung und Sozialstaat revitalisiert werden. Währenddessen wachen die Regierungen in den wirtschaftlich stärkeren Volkswirtschaften, mit denen die schwächeren vor der Krise eine vergiftete Symbiose eingegangen waren, über die Befolgung der Regeln des austeritären Regimes. Doch auch für die Stärkeren wird dieses Regime immer mehr zu einer selbst gebauten Falle, die sie an der Bewältigung ihrer eigenen Probleme hindert. So werden die Teilnehmer an dieser Konkurrenzunion einander zur Last. Verbunden sind sie noch vor allem durch Probleme, und es eint sie ein gemeinsames Übel, dem sich niemand von ihnen stellen will: die zunehmende Ungleichheit, die sich als immer schwieriger zu schulternde Herausforderung an staatliches Handeln quer zu allen nationalstaatlichen Grenzen erweist.

Weil jetzt alle Mitgliedsländer in der von ihren Regierungen (unter Anleitung der deutschen Bundesregierung) gemeinsam gebauten Falle sitzen, die zudem durch schwer revidierbare Beschlüsse europarechtlich festgezurrt ist, verbreitet sich unter kritischen Geistern die Auffassung, dass eine fortschrittliche Reform des EU-Regelwerks und der Währungsunion auf absehbare Zeit nicht realistisch seien. Die Verteidigung der sozialen Errungenschaften, die vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im nationalstaatlichen Rahmen durchgesetzt wurden, sei deshalb einstweilen nur noch in diesem Rahmen möglich. Wolfgang Streeck (2013: 218, 223, 256) hat diese resignierende Sichtweise pointiert zu der Aussage verdichtet, dass »konstruktive Opposition unmöglich« sei: »Viel mehr als Sand in das Getriebe des kapitalistischen Austeritätskurses und -diskurses zu streuen bleibt der Opposition gegen den Konsolidierungsstaat gegenwärtig nicht.« Es gehe darum (wenn auch als zweitbeste Lösung), die historisch gewachsenen Institutionen und die »Restdemokratie in den Nationalstaaten « als »Bremsklötze auf dem abschüssigen Weg in den demokratiefreien Einheitsmarktstaat« zu nutzen.

Nun gibt es ja durchaus seit längerem Erfahrungen mit einer auf die Verteidigung nationalstaatlicher Errungenschaften beschränkten Strategie. Diese Strategie ist aus naheliegenden Gründen vor allem in Nord-Europa vorherrschend, und die Gewerkschaften dieser Länder konzentrieren sich auf diese Aufgabe derart, dass sie an Europapolitik vielfach nur gedämpftes Interesse zeigen. Sie haben dabei durchaus Erfolge, und doch erleben sie Schritt für Schritt eine Unterminierung ihrer institutionellen Machtressourcen und einen allmählichen Rückgang ihres Einflusses (vgl. dazu auch das Kapitel über Schweden). Es sind vergleichbare Erfahrungen, die Hans-Jürgen Urban in seinem Beitrag zu diesem Buch zu der Schlussfolgerung bringen, dass verbliebene Einflussmöglichkeiten nicht auf die »Konservierung der Status-Quo-Strukturen, sondern auf die Durchsetzung eigener Beiträge zur Neu-Konstruktion des sozial-ökonomischen Entwicklungsmodells« konzentriert werden sollten. Er bezeichnet dies als Entwicklung von »konstruktiver Veto-Macht« und sieht darin eine Schlüssel- Herausforderung an die Gewerkschaften in der europäischen Krise.

Um es hervorzuheben: Die Bewältigung dieser Herausforderung beginnt mit Konzepten oder konkreten Reformprojekten zur Neuorientierung des sozialökonomischen Entwicklungsmodells im eigenen Land. Dies ist die Basis, die für die Durchsetzung einer Neuorientierung auf europäischer Ebene benötigt wird, die von einer – wie Urban es nennt – »pro-europäischen Europa-Kritik« geleitet sein müsse. Die verbreitete Unsicherheit darüber, wie diese doppelte Herausforderung bewältigt werden kann, bezeichnet er als die europapolitische »Strategielücke« der Gewerkschaften. Dass diese Lücke keine deutsche Besonderheit ist, zeige ich in meinem Drei-Länder-Vergleich zur Strategie von Gewerkschaften in der Krise.

Die Gewerkschaften sind bei Weitem nicht die einzigen und teilweise nicht einmal die aktivsten Oppositionskräfte, die als »Bremsklötze« gegen den Abbau nationalstaatlicher Errungenschaften wirken. Maria Karamessini, Josep Banyuls und Albert Recio heben in den Kapiteln über Griechenland und Spanien die gesellschaftliche Opposition (an der sie sich selber beteiligen) gegen die Krisenpolitik ihrer Regierungen und der EU hervor. In den Zeitungen lesen wir gelegentlich, dass es wieder einmal einen Generalstreik oder eine große Demonstration gegeben habe.

Aber wer darüber hinaus (z.B. in Gewerkschaftszeitungen oder in Internetplattformen wie www.troikawatch.net) Reportagen über die Aktivitäten sozialer Netzwerke und Protestbewegungen liest, wird politisch wie auch menschlich beeindruckt sein von dem Ausmaß an Mut und Widerstand: Man denke etwa an die selbst organisierten Kliniken für die vielen aus dem öffentlichen Gesundheitssystem heraus gestoßenen Menschen in Griechenland, den breit organisierten zivilen Ungehorsam gegen Zwangsräumungen in Spanien, oder ebenfalls in Spanien an die monatelangen Demonstrationen, Unterschriftensammlungen und Streiks gegen die Privatisierung von sechs Madrider Kliniken, die zu einem vorläufigen Rückzug der Stadtregierung von diesem Vorhaben geführt haben.

Aber Banyuls und Recio machen zugleich auf das Problem aufmerksam: »Was die Lage besonders schwierig macht, ist die Tatsache, dass der neoliberalen Schocktherapie keine klare Gesamtalternative entgegengesetzt wird. Es gibt zwar wichtige soziale Bewegungen wie die des »15. Mai«, die Sozialforen im Bildungs- und Gesundheitswesen oder die Bewegung gegen die Zwangsräumungen. Aber sie konzentrieren sich auf – wenn auch sehr wichtige – Einzelthemen. Weil ein glaubhaftes politisches Alternativprojekt zur neoliberalen Politik der Kürzungen und Arbeitsmarkt-Deregulierungen fehlt, kann diese als einzig realistische Antwort auf die Krise dargestellt werden. Weder die Oppositionsparteien noch die Gewerkschaften bieten größere Pläne für neue Entwicklungswege an.«

Ein derartiges politisches Vakuum gibt es zwar in Griechenland nicht mehr, wie Maria Karamessini hervorhebt: Die stark gewordenen politischen Oppositionskräfte schlagen eine »Wachstumsstrategie (vor), die eine Verbesserung der Haushaltssituation durch eine Erhöhung der besteuerten Einkommen und durch eine radikale Steuerreform erreicht, und die Primärüberschüsse und externe Finanzhilfen für die Armutsbekämpfung und für öffentliche Investitionen verwendet«.[16] Aber sie sagt auch, dass derartige alternative Ansätze nur verwirklicht werden können, wenn die derzeit in der EU betriebene Krisenpolitik gestoppt und Spielraum für nationale Reformprogramme zugelassen wird. Deshalb könnten alternative Ansätze nur auf EU-Ebene verhandelt werden.

Zu Italien, das anders als Griechenland und Spanien nicht unter der verschärften Aufsicht der Troika bzw. der EU-Kommission steht und auch immer noch über größere eigene wirtschaftliche Potentiale verfügt, macht Annamaria Simonazzi die wohl härteste Aussage, die aber die komplexe Herausforderung auf den Punkt bringt: »Ein möglicher positiver Aspekt der Krise ist, dass sie die Italienerinnen und Italiener davon überzeugt, dass sich das Land gegenwärtig auf dem Weg in den Ruin befindet, von dem es weder von außen (durch Europa oder Deutschland) noch durch regionalen Egoismus oder die Versprechenpopulistischer Parteien gerettet werden kann. Erst wenn wir unsere Hausaufgaben gemacht haben, können wir um Europas Hilfe ersuchen – und sie sogar verlangen.« Und sie schließt: »Jetzt sind Notmaßnahmen erforderlich, die den Weg ebnen für einen langfristigen Wiederaufbau. Für eine Wachstumsstrategie, die dreierlei beinhalten muss: Erstens die Lockerung der Kürzungspolitik in den geschwächten Ländern der Peripherie, zweitens ein strategisches Investitionsprogramm sowohl für die Defizit- als auch die Überschussländer, und drittens neue Regeln, die das Entstehen genau jener Ungleichgewichte verhindern, die überhaupt erst zu der gegenwärtigen misslichen Lage geführt haben.«

Diese Verzahnung ist heute unausweichlich. Die Infragestellung und Erosion der sozialen Errungenschaften des Nachkriegskapitalismus hat ja lange vor der Einführung des Euro und der Etablierung des EU-Binnenmarkts begonnen. Die in diesem Zusammenhang geschaffenen Regeln und Institutionen haben den Druck verstärkt, aber nicht verursacht. Auch sollte nicht vergessen werden, dass es in Europa seit der ersten Mitterrand-Regierung in Frankreich zu Beginn der 1980er Jahre keinen Versuch mehr gegeben hat, auf nationaler Ebene den Weg für eine Alternative zum Neoliberalismus zu bahnen. Dem resignativen Vorschlag zu folgen, sich auf das Streuen von »Sand ins Getriebe« zu konzentrieren, bedeutet nur, sich im Versuch einer Bewahrung früherer Errungenschaften buchstäblich zu erschöpfen. Der Ausweg aus dem Dilemma ist nur nach vorne zu bahnen. Der Unterschied zu früheren Jahrzehnten besteht darin, dass dies immer weniger allein im nationalstaatlichen Rahmen möglich ist. Mochte im ausgehenden 20. Jahrhundert noch der Hinweis auf die Globalisierung zur Begründung dieser Herausforderung genügen (und der eben erwähnte, sehr schnell abgebrochene Versuch in Frankreich illustriert die Berechtigung dieses Hinweises), werden wir heute in Europa durch die Beschleunigung der wirtschaftlichen Verfl echtung und das Festzurren der autoritären Steuerung knallhart mit der wechselseitigen Abhängigkeit über Ländergrenzen hinweg konfrontiert. Wer darauf eine Antwort von Links sucht, sollte so realistisch sein zu akzeptieren, dass heute in Europa immer zwei Dinge zusammen gehören: Es muss auf nationaler Ebene massiven Druck für die Durchsetzung von Reformprojekten geben, damit die auf europäischer Ebene unvermeidlichen Konfl ikte vom Zaun gebrochen werden können, um die dort errichteten Blockaden für die Verwirklichung nationaler Reformprojekte zu überwinden.

Man mag einwenden, dass die europäischen Verträge dieses oder jenes nicht zuließen und die politischen Kräfteverhältnisse in der EU schon gar nicht. Was die Verträge betrifft, stimmt es nur zum Teil, denn Programme wie der sehr sorgfältig ausgearbeitete DGB-Vorschlag eines »Marshall-Plans für Europa« befassen sich detailliert mit den Möglichkeiten der Umsetzung im Rahmen der bestehenden Institutionen. Ähnliches gilt für das von der italienischen Gewerkschaft CGIL vorgestellte »Programm für Arbeit« (CGIL 2013), das die Spielräume für Reformen im nationalstaatlichen Rahmen Italiens aufzeigt. Aber richtig ist zweifellos, dass zum Beispiel die Ratsbeschlüsse zur Kontrolle der nationalen Haushalts- und Wirtschaftspolitik formal fest verankert und bis auf weiteres schwer zu kippen sind, von noch weitergehenden Ambitionen wie einer Sozialcharta, die den gleichen rechtlichen Rang in der EU wie die wirtschaftlichen Grundfreiheiten hätte, ganz zu schweigen. Doch wer fortschrittliche Veränderungen will, darf nicht nur daran denken, was in bestehenden Institutionen »geht« und was »nicht geht«, sondern vor allem darüber, wie eine politische Dynamik in Gang gebracht werden kann, durch die mehr geht, als zuvor für »machbar« gehalten wurde.[17] Nur auf diese Weise sind Institutionen zu verändern. Also: Weniger in den Kategorien von Institutionen, sondern mehr in den Kategorien von politischen Prozessen zu denken, ist gefragt.

Für die politische Dynamik innerhalb der Währungsunion ist ausschlaggebend, was der österreichische Ökonom Stephan Schulmeister (2013: 45) in dem Satz zusammenfasst: »Der Gläubiger ist nur so stark, wie der Schuldner schwach ist.« Mit anderen Worten: Das ernsthafte Eintreten für wirtschaftspolitische Alternativen im Bereich auch nur eines Nationalstaats, verbunden mit der Forderung nach (zumindest) Lockerung der Fesseln abweichend von den geltenden Beschlüssen und Grundsätzen des Europäischen Rats und der EU-Kommission, stellt das gesamte politische Gefüge von Binnenmarkt und Währungsunion auf die Probe. Je nach der Konfl ikt- und Bündnisfähigkeit der Regierung, die da aus der Reihe tanzt (und bis zu einem gewissen Grad das Einstimmigkeitsprinzip im Europäischen Rat ausreizen könnte), wären die übrigen Regierungen gefordert, sich mit dieser Provokation auseinanderzusetzen. Und je nachdem, wie groß ihre Angst vor der Beunruhigung »der Märkte« und einem möglichen Domino-Effekt in der Währungsunion wäre, müssen sie ihren bisherigen Kurs mehr oder weniger weitgehend lockern oder korrigieren. Aber auch die fortschrittlichen Bewegungen und die Gewerkschaften in anderen Ländern stünden vor einer neuen Situation. Bislang können sie den Eindruck haben, sie lebten in verschiedenen Welten, wie ich es in dem Kapitel über die Gewerkschaften in der Krise formuliere. Doch bei einer offensichtlich politisch – und nicht durch »die Märkte« – provozierten Krise hätten sie bessere Möglichkeiten, erkennbar an einem Strang zu ziehen. Für alle kritischen Kräfte wäre es leichter, soziale Solidarität über Ländergrenzen hinweg zu üben, an Stelle der nationalen Solidarität innerhalb des eigenen Landes, zu der das »Schwäbische Hausfrauen- Theorem« verleitet.

Viel spricht deshalb für die Auffassung von Peter Wahl (2013: 178), der in einem Kontroversen-Buch von attac das »Problem der Linken in ihrer Europa-Strategie« so beschreibt: »Man traut ihr – mit Ausnahme von Syriza – nicht zu, dass sie wirklich den Konfl ikt mit dem real-existierenden Europa und seinen Regeln riskieren würde, der unumgänglich wäre, um eine wirkliche Wende zu ermöglichen.« Er plädiert deshalb dafür, eine in der Linken verbreitete »binäre Logik« aufzugeben, nach der es als Ausweg aus der Krise der EU »entweder nur die weitere Vertiefung der Integration oder die Rückkehr zum Europa der Nationalstaaten gäbe« (ebenda: 180). Diese Sichtweise halte ich für realistisch: Ein Institutionengebäude wie das von Maastricht, das fast alle Ampeln für neoliberale Politik auf grün stellt, aber die für Sozialstandards und für gegenseitige Unterstützung und Annäherung der Volkswirtschaften auf rot oder bestenfalls gelb blinkend, kann nicht ohne harte Konfl ikte, Krisen und Brüche reformiert werden.

Die Impulse zu einem solchen unvermeidlich steinigen Reformprozess werden aus Ländern kommen, in denen der Wunsch nach Beendigung des austeritären Regimes und nach sozialer, wirtschaftlicher und ökologischer Neuorientierung des eigenen Landes so stark geworden ist, dass der Konfl ikt mit Brüssel, Berlin und anderen Machtzentren unumgänglich ist. »Konstruktive Opposition« auf EU-Ebene wird letztlich nur so wirkungsvoll sein, wie es die »konstruktive Opposition« für Reformen in einzelnen Ländern ist. Aus heutiger Sicht ist es schwer vorstellbar, dass ein solcher Impuls für Europa aus Deutschland kommt. Aber sicher ist, dass alles davon abhängt, wie Impulse aus anderen Ländern in Deutschland aufgenommen, wie sie von fortschrittlichen Kräften in Deutschland aufgegriffen werden. Zumindest für Deutschland gilt: Aus dem immer enger werdenden europäischen Zusammenhang gibt es keinen Ausstieg in Fahrtrichtung links.

Anmerkungen
  1. Der Vizepräsident der EU-Kommission bei der Vorstellung der Wirtschaftsprognose für 2014. Online: http://europa.eu/rapid/press-release_SPEECH-14-159_en.htm.
  2. Vgl. Lehndorff (2012). »Wir« – das ist ein Zusammenhang von Arbeitsmarktforscherinnen und -forschern aus zehn europäischen Ländern, die seit Längerem in verschiedenen Forschungsprojekten zusammenarbeiten, zuletzt in einem EU-Projekt über die »Dynamik nationaler Beschäftigungsmodelle« in den zurückliegenden 20 bis 30 Jahren (vgl. u.a. Bosch/Lehndorff/Rubery 2009 und Lehndorff 2009).
  3. Dass andere »Marktteilnehmer« diese Situation nutzen, um gegen die betreffenden Staaten zu spekulieren und auf noch höhere Zinsen in der Zukunft zu wetten, ist die andere Seite derselben Medaille. Wo etwas verkauft wird, muss es immer auch einen Käufer geben – die einzige Frage ist, welchen Preis die Transaktion ergibt. Dahinter einen Plan von bösen Spekulanten zu vermuten, ist eine als Kapitalismuskritik missverstandene Moralisierung, die eher vom Kern des Problems ablenkt. Zeise (2012: 93) schreibt völlig zu Recht: »Der Finanzmarkt kann erfahrungsgemäß auch ohne koordinierte Verschwörung höchst destruktiv agieren.«
  4. Wie bemerkenswert die diesem Konzept zugrunde liegende Logik ist, wird deutlich, wenn man sich eine einfache Frage stellt: Was passiert mit den Beschäftigten eines Unternehmens, das der Konkurrenz nicht standhält und vom Markt verschwindet? Den Leserinnen und Lesern bleibt es überlassen, diesen Faden weiterzuspinnen und auf Staaten zu übertragen.
  5. Der von der angelsächsischen, weniger dogmatischen Variante des Neoliberalismus beeinfl usste Pragmatismus der EZB – Draghi hat einige Zeit bei Goldman-Sachs an der Wall Street gearbeitet – hat Vertreter der Bundesbank veranlasst, periodisch unter Protest aus Führungsgremien der EZB auszuscheiden (was in einem Fall mit einem Wechsel an die Spitze der Schweizer Großbank UBS verbunden war). Nun zogen die deutschen Strenggläubigen vor das Bundesverfassungsgericht. Dessen erstes Urteil in dieser Sache vom Februar 2014 stellt im Kern seiner Argumentation »die gesamte Existenz der Währungsunion in Frage« – so die Einschätzung eines der Autoren des vorliegenden Buchs (Watt 2014a), der dazu anmerkt, dass glücklicherweise »die Märkte« diese neue Bedrohung bislang nicht ernst nehmen. Aber da das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist, tickt die Zeitbombe weiter (vgl. dazu auch den Beitrag von Annamaria Simonazzi in diesem Band). Selbstverständlich ist der 2012 eingeschlagene Rettungskurs der EZB erstens inkonsistent, denn als Teil der Troika zwingt die EZB die bedrohten Staaten zur selben Zeit, eine Medizin einzunehmen, die die Krankheit verschlimmert. Und zweitens ist sie undemokratisch, denn im Extremfall kann das durch keinerlei Wahlen legitimierte EZB-Direktorium entscheiden, welche Anleihen unbegrenzt gekauft werden und welche nicht – mit anderen Worten: ob Staaten, die sich dem Troika-Diktat nicht beugen wollen, zum Abschuss durch »die Märkte« freigegeben werden, solange man die gehorsamen Krisenstaaten durch eine Brandmauer schützen kann. Wie auch immer: Ohne diese EZB-Intervention wäre die Eurozone wahrscheinlich bereits auseinandergebrochen.
  6. Dass in Deutschland mit einem nicht geringen Teil dieser Mittel die Commerzbank gerettet wurde, wobei die Bundesregierung dabei ausdrücklich auf alle Rechte eines Großaktionärs – und damit auf die Chance der Schaffung einer gesundgeschrumpften öffentlichen Bank – verzichtete, und die Ökonomen dieser Privatbank von Steuerzahlers Gnaden dann in ihrem »Schuldenmonitor« Noten an Staaten verteilten à la »Belgien top, Niederlande so lala« oder »Geht Griechenland die Puste aus?«, beschreibt Fricke (2013: 65) als »bizarrstes Beispiel« für die Rolle von Unternehmen, »die gerade erst aus dem eigenen Desaster gerettet werden mussten und nun großspurig über die Solidität ganzer Länder urteilten«.
  7. Witzigerweise wurde die Überschuss-Grenze, ab der die EU-Gremien sich Sorgen machen sollen, mit 6% vom BIP deutlich höher angesetzt als die Defi zit-Grenze (4%) und liegt rein zufällig etwas oberhalb der Marke des deutschen Leistungsbilanz-Überschusses zum Zeitpunkt der Verabschiedung der betreffenden Richtlinie. Da der deutsche Überschuss mittlerweile aber diese 6%-Latte gerissen hat, musste die EU-Kommission dies in ihrem Jahresausblick für 2014 mit Stirnrunzeln – wenn auch selbstverständlich ohne Sanktionsdrohung – erwähnen. Allein dies löste bereits in deutschen Medien und bei »Wirtschaftsexperten« einen Sturm der Empörung aus. Auf die Tücken der Debatte über die deutschen Leistungsbilanzüberschüsse gehe ich im Deutschland-Kapitel ausführlich ein.
  8. Jürgen Habermas (2014: 88) hat diese Rolle mit den Worten zusammengefasst, dass die Bundesregierung die »halbhegemoniale Stellung« Deutschlands in Europa »ziemlich robust ausgespielt« und »die Krisenländer zu einschneidenden ›Reformen‹ genötigt (hat), ohne sich erkennbar der gesamteuropäischen Verantwortung für die drastischen Folgen zu stellen, die sie mit dieser sozial einseitigen Sparpolitik übernommen hat.«
  9. Immerhin muss selbst in Griechenland das Parlament den Troika-Diktaten zustimmen. Deshalb werden ja auch, wenn irgendwo Neuwahlen drohen, in Brüssel, Berlin und anderswo alle Hebel in Bewegung gesetzt, um eine Anti-Troika-Mehrheit zu verhindern (wie in Griechenland), oder noch einfacher: Die Troika lässt sich vor einer Wahl von der größten Oppositions-Partei unterschreiben, dass sie im zukünftigen Parlament im Falle einer eigenen Mehrheit dem »Memorandum« zustimmen werde (wie in Portugal). Zwar erklärte Kommissionspräsident Barroso Ende 2013, dass die Zeit der »eingeschränkten Souveränität« in Europa vorüber sei (FAZ, 30.11.2013), doch er bezog sich dabei auf den Druck, den die russische Regierung auf die Ukraine ausgeübt hat.
  10. Ungeachtet dessen arbeitet der IWF weiterhin im Rahmen der Troika an der Umsetzung der von seinen Ökonomen für falsch gehaltenen Politik. Immerhin scheinen aber die Spannungen innerhalb der Troika zuzunehmen.
  11. Krugmans Text ist eine ebenso brillante wie vernichtende Kritik der Verbohrtheit, mit der die Austeritätspolitik betrieben und durch den wirtschaftswissenschaftlichen Mainstream zur conditio sine qua non wirtschaftlicher Erholung erklärt wird. Wolfgang Streeck (2013) sieht in dieser Politik, die heute in Europa mehr als irgendwo sonst auf der Welt ihre Blüten treibt, den vorläufi gen Höhepunkt einer historischen Entwicklung vom »Steuerstaat« über den »Schuldenstaat« bis zum »Konsolidierungsstaat«, an der er das Spannungsverhältnis von Kapitalismus und Demokratie aufzeigt. Überzeugend analysiert er die Finanzkrise und die europäische Krisenpolitik als den aktuellen Ausdruck des seit über 100 Jahren bestehenden Problems, dass der moderne Staat die zur Erfüllung seiner wachsenden Aufgaben nötigen Mittel immer schwerer der »Gesellschaft von Privateigentümern abringen« kann: »Nicht zu hohe Ausgaben sind (...) Ursache der Staatsverschuldung, sondern zu niedrige Einnahmen« (ebenda: 98).
  12. Ein bezeichnender Indikator ist die enorme Zunahme der Frauenerwerbstätigkeit: Am Vorabend der Krise lag die Beschäftigungsquote von Frauen nach Eurostat-Angaben bei etwa 55%, im Jahr 2000 hatte sie noch 40% und 1990 rund 30% betragen. ZumVergleich: Der EU-27 Durchschnitt betrug 2008 rund 59% (1990 waren es in der EU-15 50%), gegenüber 47% bzw. 49% in Italien und Griechenland.
  13. Steinko (2013: 148) illustriert die damalige Wirtschaftsstrategie in Spanien mit dem Zitat eines Wirtschaftsministers aus dem Jahr 1990, dass »die beste Industriepolitik « die sei, »die nicht existiert«.
  14. Mittlerweile »blühen die gefährlichen Schattenbanken in Irland wieder auf«, wie die FAZ (1.3.2014) etwas besorgt berichtete, und wickeln schätzungsweise 70% der Finanzgeschäfte des Landes ab.
  15. Und wenn die jetzt in Angriff genommenen Reformen (wie der gesetzliche Mindestlohn und die Stärkung der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen) tatsächlich umgesetzt werden, werden Schäden nicht nur eingedämmt, sondern sogar ers te Reparaturarbeiten ausgeführt. Dies wird positive Nebeneffekte für Europa haben – wenn auch sicherlich unbeabsichtigt, da ja der EU-Teil der Koalitionsvereinbarung den schwarzgelben Kurs fortzusetzen versprach (Watt 2014b).
  16. Die sich von anderen Ländern unterscheidende Entwicklung der Oppositionskräfte in Griechenland hängt auch mit der Politik der Linkspartei Syriza zusammen, die seit der Wahl 2012 Kopf an Kopf mit der konservativen Regierungspartei ND liegt. Zur Reformprogrammatik, Bewegungsorientierung und Strategie von Syriza (vgl. Candeias/ Voelpel 2014: 170ff.).
  17. Umgekehrt wäre es unrealistisch zu glauben, dass der Druck für Reformen innerhalb einzelner Nationalstaaten gewissermaßen übersprungen werden könnte durch institutionelle Reformen auf der Ebene der EU und der Währungsunion. Auch eine parlamentarisch-demokratisch zustande kommende makroökonomische Steuerung auf EU-Ebene könnte neoliberalen Leitlinien folgen, und sozialstaatliche Errungenschaften auf nationalstaatlicher Ebene würden dann sogar mit noch größerer »Legitimation« abgebaut als gegenwärtig. Dass eine europapolitisch konstruktive Linke den Neoliberalen auf diese Weise in die Hände arbeiten könnte ist die Sorge, die Streeck umtreibt, und hier ist ihm grundsätzlich zuzustimmen – nur dass der Aufbau von Reformdruck innerhalb einzelner Nationalstaaten eben nicht übersprungen werden kann.

Literatur
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  • Wolf, M. (2013b): We still need to learn the real lessons of the crisis. Financial Times, December 19. Online: http://www.ft.com/intl/cms/s/0/25f004e6-673a-11e3-a5f9-00144feabdc0.html#axzz2waUDTMiJ.
  • Zeise, L. (2012): Euroland wird abgebrannt. Köln.

* Einleitender Beitrag zum Buch:
Steffen Lehndorff (Hrsg.): Spaltende Integration. Der Triumph gescheiterter Ideen in Europa – revisited. Zehn Länderstudien. VSA-Verlag: Hamburg 2014; ISBN 978-3-89965-574-2


Inhalt

  • Steffen Lehndorff: Die spaltende Integration Europas. Ein Überblick [siehe oben]
  • Josep Banyuls/Albert Recio: Eine Krise in der Krise. Spanien unter dem Regime eines konservativen Neoliberalismus
  • Annamaria Simonazzi: Chronik einer angekündigten Krise. Italien und Europa
  • Maria Karamessini: Die griechische Tragödie. Neoliberale Radikalkur in einer Währungsunion des Gegeneinander
  • James Wickham: Nach dem Ende der Party. Irlands Beschäftigungsmodell und das merkwürdige Überleben des Sozialstaats
  • Steffen Lehndorff: Der eingebildete Gesunde. Die neue Karriere des »Modells Deutschland«
  • Florence Jany-Catrice/Michel Lallement: Frankreich unter dem Druck der Krise. Die Verschärfung der sozialen Ungleichheit
  • Christoph Hermann/Jörg Flecker: Die Krise bewältigt, aber die Zukunft nicht. Das österreichische Modell in der Finanz- und Wirtschaftskrise
  • Damian Grimshaw/Jill Rubery: Neoliberalismus 2.0. Krise und Austerität in Großbritannien
  • András Tóth: Das Ende der Leidensgeschichte? Der Aufstieg des selektiven Wirtschaftsnationalismus in Ungarn
  • Dominique Anxo: Von einer Krise zur nächsten. Das schwedische Modell in turbulenten Zeiten – noch einmal betrachtet
  • Janine Leschke/Sotiria Theodoropoulou/Andrew Watt: Auf dem Weg ins »Europa 2020«? Austeritätskurs und neue Wirtschaftssteuerung auf EU-Ebene
  • Thorsten Schulten/Torsten Müller: Ein neuer europäischer Interventionismus? Die Auswirkungen des neuen Systems der europäischen Economic Governance auf Löhne und Tarifpolitik
  • Hans-Jürgen Urban: Zwischen Krisenkorporatismus und Revitalisierung. Gewerkschaftspolitik im europäischen Finanzmarktkapitalismus
  • Steffen Lehndorff: In verschiedenen Welten? Probleme gewerkschaftlicher Solidarität in der europäischen Krise



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