Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Zwei Männer haben Venezuela verändert: José Abreu und Hugo Chávez"

Laudatio von Jürgen Rochlitz bei der Preisverleihung des „Blue Planet Award”

Am 14. März 2009 fand in Berlin die Jahrestagung der Stiftung Ethecon statt. In deren Rahmen wurden zwei internationale Preise vergeben. Neben dem „Blue Planet Award“ für Menschen, die sich herausragend für Rettung und Erhalt des Blauen Planeten einsetzen, wird der „Black Planet Award“ vergeben. Mit diesem jährlich verliehenen internationalen Preis schmäht die Stiftung ausgewählte Personen, die herausragend für den Ruin des Blauen Planeten verantwortlich sind. In diesem Jahr war der "Preisträger" die weltweit operierende Kriegsfirma Xe, besser bekannt unter ihrem vormaligen Namen "Blackwater". Wir haben die "Schmährede" von Peter Strutynski sowie einen offenen Brief der Stiftung Ethecon hier dokumentiert.
Nachfolgend geht es um die Verleihung des Blue Planet Award. Er ging an José Antonio Abreu und Hugo Chavez, beide Venezuela. Wir dokumentieren die Laudatio von Jürgen Rochlitz.



Kurzfassung

Zwei Männer haben ein Land verändert: Venezuela ist zu einem neuen Hoffnungsträger des südlichen Amerika geworden. José Abreu und Hugo Chávez haben beide erfolgreich gegen die in ihrem Lande grassierende Armut gekämpft. Abreu tat dies mit den Mitteln der Musik und ihrer Instrumente. Mit dem Aufbau eines Systems aus Musikschulen und Jugendorchestern hat er Kinder und Jugendliche von der Straße, aus der Kriminalität, aus der Drogenszene, letztlich aus der Armut geholt. Chávez nutzte seine Popularität bei den Massen und sein Charisma, um nicht nur das Präsidentenamt mehrfach zu erringen, sondern um grundlegende Reformen anzugehen, die das Land aus der Zwangsjacke des Neoliberalismus führen sollten. Trotz heftigen oppositionellen Gegenwinds kann Chávez mit Beginn seiner dritten Präsidentschaft und heute nach zehn Jahren Bolivarischer Revolution auf beachtliche Erfolge bei der Armutsbekämpfung blicken. Es ist ihm gelungen, in seinem Land den Einstieg in einen Sozialismus des 21. Jahrhunderts sichtbar zu machen. Es ist nur zu hoffen, dass die Weltwirtschaftskrise mit ihren sinkenden Rohstoff- und Ölpreisen das bisher reiche Land nicht allzu sehr schüttelt. Doch immerhin steht Chávez vor dem Wetterleuchten des Kapitalismus an der richtigen Stelle.


Laudatio von Jürgen Rochlitz

Gegensätzlicher könnte man sich zwei Preisträger nicht vorstellen: Abreu, bald 70 Jahre alt, ist Musiker, Komponist, Künstler, der allerdings auch Volkswirtschaft und Jura studiert hat und alle diese Fächer als Uniprofessor auch gelehrt hat.
Chávez, bald 55 Jahre alt, war schon vom 17. Lebensjahr an Soldat, der schließlich bis zum Oberstleutnant avancierte. Er hat jedoch an der Militärakademie in Caracas auch als Lehrer gewirkt: für Sport- und Kulturaktivitäten.
Doch gemeinsam ist beiden: sie hatten einen Traum, den Traum von weniger Armut nicht nur in Venezuela, sondern in ganz Südamerika. Diesem Traum sind beide gefolgt – auf unterschiedlichen Wegen. Und beide berufen sich dabei auf den großen Befreier Lateinamerikas, Simon Bolivar.
So gründete Abreu 1975 die „Sinfonica de la Juventud Venezolana Simon Bolivar. Sein Ziel wollte er über die Musik erreichen. Und Chávez gründete schon 12 Jahre nach seinem Eintritt in die Armee eine parteiähnliche Organisation, das Movimento Bolivariano Revolucionario 200 (MBR-200).

In Venezuela lebten seit Jahren 75 % der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. In der Hauptstadt Caracas lebt ein Großteil der Bevölkerung in Barrios, in denen Kriminalität und Gewalt grassieren. José Antonio Abreu wollte helfen, das dadurch für die Kinder und Jugendlichen entstehende Elend zu mindern und diesen Kindern und Jugendlichen eine Chance zu geben. Das Mittel dazu war für ihn die Musik. 1975 gab es in Venezuela zwei Sinfonieorchester, die überwiegend aus europäischen Berufsmusikern bestanden. In diesem Jahr begann Abreu zunächst mit 11 jungen Musikern, und bald mit 75 Musikern den Aufbau eines Jugendorchesters. Dieses sollte – und damit schrieben er und die ersten Jungmusiker Geschichte – nicht nur als Orchester arbeiten, sondern den Kern für die Musikausbildung von Kindern und Jugendlichen von der Straße darstellen. Er wollte damit die Musik zur Bildung und seelischen und sozialen Stabilisierung der Kinder einsetzen. Die ersten Musiker sollten ihr Wissen und Können an Kinder aus den Slums weitergeben. Das venezolanische Gesundheitsministerium war bereit, das soziale Unternehmen zu subventionieren.

So entstand das „Sistema de Orchestra Juvenil e Infantil de Venezuela“, ein System von Jugend- und Kinderorchestern. Grundlage des Systems für die musikalische Ausbildung von Kindern aus armen Familien sind Musikschulen, in denen Kinder schon ab einem Alter von zwei Jahren aufgenommen werden. Dort können sie kostenlos die Musikinstrumente nutzen und kostenlos Unterricht an ihnen erhalten. In dieser sicheren und gewaltfreien Umgebung genießen sie viel Zuwendung, Aufmerksamkeit und Bestätigung; und die Lehrer können ihnen auch zu Kleider, Nahrung und weiteren Dingen des täglichen Bedarfs verhelfen, wenn ihnen etwas fehlt. Sobald die Kinder ein Instrument halten können, werden sie in Gruppen und Ensembles eingeteilt; dort mitzuspielen ist die einzige Pflicht. Zur Ausbildung gehört selbstverständlich auch Singen und Tanzen. In dieser positiven Atmosphäre werden die Kinder ermuntert und nie entmutigt; so können sie ihre erworbenen Kenntnisse an jüngere weitergeben.

Dieses System wurde von allen Regierungen seit 1975 unterstützt; für Hugo Chávez wurde es allerdings zur Chefsache. So gelang es, bis 2007 90 Montalban-Musikschulen zu schaffen, in denen 250 000 Kinder unterrichtet werden. 125 Jugendorchester, 57 Kinderorchester sowie 30 professionelle Sinfonieorchester wurden gebildet. 1500 angestellte Musiklehrer leisten die nötige Basisarbeit. Der venezolanische Staat unterstützte das Projekt mit 29 Mio Dollar, das ist weniger als der Jahresetat eines der größeren europäischen Opernhäuser.

Abreu wörtlich dazu: „Die Regierung unterstützt mein Projekt genau wegen seiner sozialen Ausrichtung. Der Staat hat sehr gut verstanden, dass das Projekt, wiewohl es mit den Mitteln der Musik arbeitet, zuvörderst ein soziales ist: ein Projekt zur Förderung allgemeiner menschlicher Qualitäten. Denn für die Kinder, mit denen wir arbeiten, stellt die Musik fast den einzigen Weg zu einem menschenwürdigen Dasein dar. Armut – das heißt Einsamkeit, Traurigkeit, Anonymität. Orchester – das heißt : Freude, Motivation, Teamgeist, Streben nach Erfolg. Wir sind eine große Familie auf der Suche nach Harmonie und jenen schönen Dingen, die allein die Musik den Menschen zu bringen vermag.“

Das „Sistema“ hat es ermöglicht, dass nicht nur tausende Kinder begeisterte Musiker wurden, für sich, für ihre Familie, für das arme Viertel; sondern sie wurden gerettet aus Armut, Kriminalität und Drogensumpf. Daneben ist es außerordentlich bewundernswert, dass das Sistema Orchester und Musiker von außerordentlicher Qualität hervorgebracht hat. Dazu gehören der Dirigent des Venezolanischen Jugendorchesters Gustavo Dudamel, der Geiger Alexis Cardenas und der Kontrabassist Edicson Ruiz. Ruiz wurde übrigens das mit 17 Jahren jüngste je aufgenommene Mitglied der Berliner Philharmoniker. Da wird verständlich, dass inzwischen regelmäßig Dirigenten wie Claudio Abbado, der Chefdirigent der Berliner Philharmoniker, Sir Simon Rattle, Zubin Mehta und Mitglieder ihrer Orchester nach Venezuela kommen, um mit den Jugendlichen zu musizieren.

Selbstverständlich hat eine solche Erfolgsstory zu einer Vielzahl von Ehrungen geführt; beispielhaft sei genannt, dass Abreu 2001 einer der Träger des Alternativen Nobelpreises wurde.

Hugo Chávez kann sich glücklich schätzen, einen solch kreativen Mitstreiter für eine bessere Welt in seinen Grenzen zu wissen.

Mit seiner parteiähnlichen Vereinigung MBR-200 putscht er 1992 gegen die Regierung, die eine rigoros neoliberale Politik verfolgte, die besonders die armen Schichten der Bevölkerung traf. Er musste aber das Scheitern des Putsches über das Fernsehen eingestehen und rief dabei die Mitstreiter auf, ebenfalls zu kapitulieren.
Dieser Putschversuch stieß auf größte Sympathie in den sozialen Bewegungen und in der verarmten Bevölkerung. Dadurch wurde Chávez zur Leitfigur und zum Hoffnungsträger der armen Bevölkerungsmehrheit. Schließlich machte diese beinahe 75% der Bevölkerung aus.
Schon nach zwei Jahren Gefängnis wurde Chávez 1994 vom Präsident Caldera begnadigt. Nach seiner Haftentlassung reorganisierte er die MBR-200 und gründete 1997 das Wahlbündnis MVR ( Movimento Quinta Republica). Gestützt auf diese beiden Organisationen gewann er die Präsidentschaftswahl vom Dezember 1998 mit einer Antikorruptions- und Antiarmutskampagne und daraus resultierenden 56% der Stimmen.

Es folgten turbulente Jahre mit der Einführung einer neuen Verfassung und einer absoluten Mehrheit für seine MVR in 2000. Zwei Jahre später wurde gegen ihn geputscht; trotz erfolgter Gefangennahme kam es zu seiner Wiedereinsetzung als Staatspräsident auf Grund der massenhaften Demonstrationen zu seinen Gunsten. Mit einem Generalstreik und verschiedenen Sabotageaktionen an der Ölförderung sollte er zum Rücktritt gezwungen werden. Aber Chávez blieb an der Macht und bei einem Referendum zu seiner Abwahl holte er für sich 59% der Stimmen. Auch 2006 erhielt er bei der letzten regulären Wahl 62,8% der Stimmen.

Mit welcher Politik und welchen Maßnahmen wollte er seinem Traumziel näher kommen? Die wichtigsten Projekte sind die folgenden. An ihnen zeigt sich auch, wie sehr die besitzende Klasse herausgefordert wurde. Nur die Unterstützung durch die arme Bevölkerungsmehrheit und durch das Militär hat ihm geholfen, nicht unterzugehen bei den Attacken von Kapital und Industrie, der USA und dem US-infizierten Kolumbien mit seinen eingesickerten Paramilitärs:
  • Wiederverstaatlichung privatisierter Betriebe (Strom, Telefon, Öl) und
  • Enteignung stillgelegter Fabriken und ihre Wiedereröffnung, sowie ein Verbot zur Stillegung von Betrieben
sollen dazu beitragen, dass die bisherige neoliberale Wirtschaftsform an ihrer Basis umgewandelt wird.

Die Misión Barrio Adentro hat mit Hilfe Kubanischer Ärzte eine kostenlose Gesundheitsversorgung in den Slum-Vierteln aufgebaut.

Die Misión Robinson begann im Jahr 2003 und ermöglichte es Erwachsenen, die bisher Analphabeten waren, kostenlos lesen und schreiben zu lernen. Anschließend können sie ebenfalls kostenlos die Grundschulausbildung sowie die höhere Schulbildung nachholen und ein Universitätsstudium aufnehmen. Es konnte 2006 festgestellt werden, dass mit höchstens 4% Analphabeten in der Bevölkerung zwischen 15 und 65 Jahren der Analphabetismus praktisch beseitigt war.

Durch die Misión Mercal wurde ein Netz von Supermärkten aufgebaut, in denen verbilligte Grundnahrungsmittel für die Bevölkerung bereitgestellt werden. Weitere Missionen sollen die soziale Situation älerer Menschen, schwangerer Frauen, der Straßenkinder, der Indigenas u.a. verbessern. Neu eingerichtete kostenlose Studiengänge ohne Aufnahmeprüfungen, Stipendien für Studenten aus den ärmeren Schichten und 50 neue Universitäten sollen den allgemeinen Bildungs- und Ausbildungsstand im Lande verbessern.

Die Mission Ché Guevara ermöglicht die Ausbildung in ökologischer Landwirtschaft, in der Agrarreform werden die Großgrundbesitzer enteignet.

Diese genannten Missionen werden vom staatlichen Erdölkonzern PDVSA direkt finanziert, um den passiven Widerstand in den Ministerien und nachfolgenden Behörden zu umgehen, die noch von Anhängern der alten Regierung besetzt sind.

Zu diesen Projekten passt das Sistema der Musikerziehung ganz vorzüglich. Mit diesen Maßnahmen befindet sich Chávez auf dem Weg in den von ihm postulierten Sozialismus des 21. Jahrhunderts. Tatsächlich stellt er sich damit der neoliberalen Wirtschaftsordnung in den Weg, die weltweit fast ohne Einschränkung gutgeheißen wird – selbst jetzt noch in der Phase der Krise des Kapitalismus.

Die sozialen und sozialistischen Projekte konnte Chávez bisher gut mit seinen sprudelnden Öleinnahmen finanzieren. Ja er konnte sogar mit diesen Geldern außenpolitisch soziale Politik betreiben: Nicaragua z.B. erhielt verbilligte Öllieferungen. Die Stadt London konnte mit seiner Hilfe unter dem Oberbürgermeister Ken Livingston (Labourparty) das so eingeführte Sozialticket finanzieren. Sein konservativer Nachfolger hat diese spezielle sozialistische Liaison sofort gestoppt.

In diesem Jahr jährt sich zum 10. Mal, dass Hugo Chávez Präsident Venezuelas wurde. Gegen den erbitterten Widerstand der alten konservativen Parteien, der katholischen Kirche und der Großgrundbesitzer gelang es ihm, im selben Jahr eine Bolivarische Verfassung – sogar schließlich durch ein Referendum abgesegnet – verabschieden zu lassen. Diese Verfassung und ihre basisdemokratische Weiterentwicklung ist das zentrale Dokument des in Venezuela stattfindenden revolutionären Prozesses. Dieser wiederum ist die Ursache für den allmählichen Abbau oligarchischer Strukturen, die verantwortlich sind für die grassierende Armut von Vielen neben beachtlichem Reichtum von Wenigen im Lande. Wie sehr sich die Situation in Venezuela verändert hat, zeigt der diesjährige Rechenschaftsbericht von Hugo Chvez am 13.1.2009:

Hieraus sei zitiert:

„Ich möchte an die Definition von Armut erinnern. Man geht davon aus, dass ein Haushalt oder eine Person arm sind, wenn das Einkommen nicht reicht, um neben dem Bedarf an Lebensmitteln auch Transport, Bildung, Gesundheitsversorgung, usw. zu bezahlen. Als extreme Armut gilt, wenn das Einkommen nicht recht, um genug zu essen zu bekommen.“ Soweit seine Definition- dann weiter: „ Seht Euch die Statistiken an: Das ist die allgemeine Armut. Im Jahr 1993 stand sie bei 71,6%, im Jahr 1995 bei 75,5%, von 100 Menschen in Venezuela lebten also 75,5 unter den Bedingungen der Armut. Das sind die Jahre der sozialen Explosionen, Rebellionen, Austände und zügellosen Gewalt. Dann kommt die revolutionäre Epoche, und seht wie – abgesehen von dieser Delle (2002/2003) als Ergebnis der Sabotage und des Erdölstreiks – die Armut zurückgegangen ist. Wir unterschreiten fast die Schwelle von 30%, und diese Zahl wird weiter nach unten gehen, darauf gebe ich mein Wort und mein Leben. Und ich verspreche allen, dass wir weiter kämpfen; diese schreckliche Variable, dieses Erbe des neokolonialen kapitalistischen Modells ungehemmter Ausbeutung, wird endgültig zerschlagen.
Unabhängig von den Grafiken und Zahlen bedeutet dieser Rückgang, dass zwischen 1998 und heute, in diesen zehn Jahren der Revolution und revolutionärer Regierung 2 733 108 Landsleute der Armut entkommen sind. Allein im Jahr 2008 schafften 437 317 Landsleute den Schritt aus der Armut.

Kommen wir nun zur extremen Armut. Hier sind die Fortschritte noch viel positiver, sehr viel schneller, denn wir haben uns diesem Phänomen intensiver gewidmet und .. ein Ministerium gegründet … das Ministerium der Volksmacht für sozialen Schutz und Volksbeteiligung … In den neunziger Jahren erreicht die extreme Armut – die extreme! – 42%. Die Revolution begann, diese Zahl zu senken … und jetzt ist dieser Wert bereits unter zehn Prozent. Die jüngste Schätzung für die zweite Hälfte 2008 liegt bei 9,1%. Das bedeutet, dass in zehn Jahren revolutionäre Regierung 2.196.392 Landsleute der extremen Armut entkommen sind.“ Und Chávez weiter: „Wir müssen diesen Prozess beschleunigen … die Geschwindigkeit des Rückgangs hat abgenommen … Der Rückgang darf nicht in Stillstand enden … Wir müssen alle Kräfte auf den Kampf gegen die extreme Armut konzentrieren … Und in den nächsten Jahren muss der Tag kommen, an dem das Elend, die extreme Armut auf Null sinkt.“


Wenn man diese venezolanische Situation vergleicht mit jener in den heutigen USA, dann kann man nur bestürzt feststellen: die Supermacht hat sich blind in Kriege gestürzt und hat dabei kein Auge mehr für die Sozialpolitik gehabt, sie allenfalls auf niedrigstem Niveau betrieben:
Insgesamt sind 35 Millionen Bürger der Vereinigten Staaten von Hunger und Mangelernährung betroffen. Auf der anderen Seite werden jährlich Lebensmittel im Wert von 31 Mrd. Dollar – was etwa einem Fünftel der gesamten Produktion entspricht – vernichtet, weil sie auf keine zahlungskräftige Nachfrage treffen. 49 Millionen Menschen hätten mit diesen Nahrungsmitteln ernährt werden können.
Wachsende Verelendung mitten im Überfluss kennzeichnet auch die Wohnsituation von immer mehr US-Amerikanern. Landesweit entstehen immer neue Zeltstädte – dort sammeln sich all jene ehemaligen Hausbesitzer, die ihre Hypotheken nicht mehr abbezahlen konnten und sich nach einer Zwangsversteigerung auf der Straße wiederfanden. Bisher kümmern sich alleine Wohltätigkeitsvereine mit Suppenküchen und Lebensmittelausgaben um die Ärmsten; eine Ausweitung der staatlichen Zuschüsse oder die Ausgabe von Lebensmittelkarten ist jedoch nicht in Sicht.

Unter dem neuen Präsidenten wird sich bald zeigen, ob und wie eine sogenannte demokratische Regierung das Armutsproblem löst. Der von den Medien und vor allem in den USA gerne als Diktator hingestellte Präsident von Venezuela ist jedenfalls einen sehr erfolgreichen Weg hinter gegangen.

Es ist hiermit deutlich geworden, wie sehr die venezolanische Sozialpolitik im Allgemeinen des Hugo Chávez zusammenpasst mit den sozial-musikalischen Erfolgen von José Abreu. Es sei auch erwähnt, dass seine außenpolitischen Initiativen immer sozialpolitische Komponenten aufweisen.

Öl und Öleinnahmen wurden von Chávez eingesetzt, um die befreundeten, von linken Präsidenten und Regierungen geformten Länder Nicaragua, Kuba, Bolivien, Ecuador und Paraguay zu unterstützen. Aber auch linksunverdächtige Länder wie Costa Rica, Honduras und Guatemala haben sich an den Öltropf von Venezuela gehängt. Das Beispiel London wurde schon erwähnt, wo Venezuela das Sozialticket für die U-Bahn finanziert hat, bis der konservative Nachfolger des Labour-Bürgermeisters Ken Livingston den interessanten Deal aufhob.

Mit den Staaten des ALBA-Bundes wurde erst kürzlich eine gemeinsame Währung und ein Finanzausgleich zwischen den Ländern Venezuela, Bolivien, Ecuador, Honduras, Nicaragua, Kuba und Dominica vereinbart: ein weiterer Schritt der Emanzipation der Länder des amerikanischen Südens unter Führung von Chávez.

Auf dem Weltsozialforum in Belém schließlich haben immerhin fünf südamerikanische Staatschefs (Chávez, Lula, Correa, Morales und Lugo) scharfe Kritik am Kapitalismus geübt und zur Offensive für eine Veränderung aufgerufen.

Abreu und Chávez haben, jeder auf seine Weise, gezeigt, dass diese Veränderung möglich ist. Eine bessere als die kapitalistische Welt ist möglich, dafür müssen wir uns mit allen Mitteln einsetzen.

In Venezuela jedenfalls kann diese Entwicklung weitergehen, nachdem Chávez nun erneut eine Abstimmung gewonnen hat und vor allem diejenige, die es ihm erlaubt, erneut zum Präsidentenamt zu kandidieren. Ziemlich schäbig waren die Kommentare in der Mainstream Presse hier in Deutschland: wiedergewählt würde er ja nur, wenn der Ölpreis auf alte Höhen zurückkehren würde. Und das muss man in einem Europa lesen, das sich vor Volksabstimmungen fürchtet wie der Teufel vor dem Weihwasser, vor allem, wenn es um die Verfassungsänderungen via Lissabon-Vertrag geht. Demokratie kann sich dieses Europa in Venezuela abgucken.
Und nicht nur Demokratie: Chávez sorgt für Nahrung, Lehrer, Ärzte und Musikschulen in Elendsvierteln.

Wichtig ist, dass in Südamerika – und wesentlich getragen durch die Veränderungen in Venezuela – lange vor Ausbruch des aktuellen ökonomischen Desasters der global dominante ökonomische Irrsinn und die von ihm beschleunigte Verelendung gestoppt wurde.


Zurück zur Seite "Friedenspreise"

Zur Venezuela-Seite

Zurück zur Homepage