"Die friedliche Nutzung von Kernenergie nicht als Deckmantel für Waffenprogramme benutzen"
Nobel-Ansprache des Friedensnobelpreisträgers 2005 Mohamed ElBaradei
Am 10. Dezember 2005 wurde dem Präsidenten der Internationalen Atomenergoiebehörde, IAEA, in Oslo der Friedensnobelpreis 2005 überreicht. Im Folgenden dokumentieren wir die Rede des Preisträgers im Wortlaut.
NOBEL-ANSPRACHE DES FRIEDENSNOBELPREISTRÄGERS 2005 MOHAMED ELBARADEI
Oslo, 10. Dezember 2005
Eure Majestäten, Eure Königliche Hoheit, Ehrenwerte Mitglieder des Norwegischen
Nobelkomittees, Exzellenzen, meine Damen und Herren!
Diese höchste aller Ehren erfüllt die Internationale Atomenergie-Behörde und mich selbst mit
Bescheidenheit, Stolz und Freude. Vor allem aber bestärkt sie uns auf unserem Weg.
Meine Schwägerin arbeitet für eine Gruppe, die Waisenhäuser in Kairo unterstützt. Sie und ihre
Mitarbeiter kümmern sich um Kinder, die aufgrund ihrer Lebensumstände zu Waisen geworden sind.
Sie geben diesen Kindern zu essen, besorgen ihnen Kleidung und bringen ihnen das Lesen bei.
Bei der Internationalen Atomenergie-Organisation arbeiten meine Mitarbeiter und ich daran,
extremistischen Gruppen den Zugang zu nuklearem Material zu verwehren. Wir kontrollieren
kerntechnische Anlagen in der ganzen Welt, um sicherzustellen, daß die friedliche Nutzung von
Kernenergie nicht als Deckmantel für Waffenprogramme benutzt wird.
Meine Schwägerin und ich arbeiten auf unterschiedliche Weise auf das gleiche Ziel hin: die
Sicherheit der Menschenfamilie.
Doch warum ist es uns bisher nicht gelungen, diese Sicherheit zu erreichen?
Ich glaube, der Grund liegt darin, daß unsere Sicherheitsstrategien den Risiken, denen wir uns
gegenübersehen, noch nicht gewachsen sind. Die Globalisierung, die die Hindernisse für den freien
Verkehr von Gütern, Ideen und Menschen hinweggefegt hat, hat auch gleichzeitig jene Schranken
hinweggefegt, durch die Sicherheitsbedrohungen eingeschränkt und örtlich begrenzt werden konnten.
Ein Ausschuß auf der höchsten Ebene der Vereinten Nationen hat vor kurzem fünf Kategorien
von Bedrohungen aufgezeigt, mit denen wir konfrontiert sind:
-
Armut, ansteckende Krankheiten und zunehmende Umweltschädigung;
- Bewaffnete Auseinandersetzungen — sowohl innerhalb als auch zwischen den Staaten;
- Organisiertes Verbrechen;
- Terrorismus; und
- Massenvernichtungswaffen.
All dies sind „Bedrohungen ohne Grenzen“ — Bedrohungen, bei denen traditionelle
Vorstellungen von nationaler Sicherheit nicht länger zutreffen. Wir können gegen diese Bedrohungen
nicht vorgehen, indem wir neue Mauern errichten, größere Waffen entwickeln oder zusätzliche
Truppen entsenden. Ganz im Gegenteil. Gerade weil sie grenzenlos sind erfordern diese
Sicherheitsbedrohungen in erster Linie eine multinationale Zusammenarbeit.
Aber noch wichtiger ist die Tatsache, daß es sich dabei nicht um separate oder verschiedenartige
Bedrohungen handelt. Unter der Oberfläche sind sie eng miteinander verbunden und verknüpft.
Wir haben heute 1.000 Leute hier in diesem ehrwürdigen Saal. Stellen Sie sich einen Moment
lang vor, daß wir die Weltbevölkerung verkörpern. Diese 200 Leute zu meiner Linken wären die
Reichen auf der Welt — jene, die 80 Prozent der verfügbaren Ressourcen verbrauchen. Und diese 400
Leute zu meiner Rechten würden von einem Einkommen von weniger als $2 pro Tag leben.
Diese unterprivilegierte Personengruppe zu meiner Rechten ist nicht weniger intelligent oder
verdient ein gutes Leben nicht weniger als ihre Mitmenschen auf der anderen Seite des Gangs. Sie
wurden nur einfach in ihr Schicksal geboren.
In der realen Welt führt dieses Ungleichgewicht in den Lebensbedingungen unausweichlich zu
einer Chancenungleichheit und in vielen Fällen zu Hoffnungslosigkeit. Und noch schlimmer ist es, daß
nur allzu oft die Not der Armen darüber hinaus noch verschärft wird durch
Menschenrechtsverletzungen, durch einen Mangel an verantwortungsbewußter Regierungsführung,
und durch ein tiefes Gefühl von Ungerechtigkeit. Diese Verbindung schafft naturgemäß einen äußerst
fruchtbaren Nährboden für Bürgerkriege, organisiertes Verbrechen und die verschiedensten Formen
von Extremismus.
In Regionen, in denen man Konflikte Jahrzehnte lang schwären ließ, suchen Staaten fortdauernd
nach Wegen, ihre Unsicherheiten auszugleichen oder ihre „Macht“ zu projizieren. In manchen Fällen
könnten sie dazu verleitet werden, den Besitz eigener Massenvernichtungswaffen anzustreben, so wie
andere vor ihnen.
Meine Damen und Herren!
Vor fünfzehn Jahren, am Ende des kalten Krieges, hofften viele von uns, daß eine neue
Weltordnung entstehen würde. Eine Weltordnung mit Wurzeln in der zwischenmenschlichen
Solidarität — eine Weltordnung, die gerecht, alles umfassend und wirkungsvoll sein würde.
Doch heute sind wir weit von diesem Ziel entfernt. Es ist uns vielleicht gelungen, die Mauern
zwischen Ost und West abzureißen, aber wir haben es versäumt, die Brücken zwischen Nord und Süd
zu bauen — zwischen den Reichen und den Armen.
Betrachten Sie nur unsere Erfahrungen mit der Entwicklungshilfe. Im vergangenen Jahr haben
die Nationen der Welt über $1 Billion für die Rüstung ausgegeben. Aber wir haben weniger als 10
Prozent dieser Summe — bloß 80 Milliarden — als offizielle Entwicklungshilfe geleistet für die sich
entwickelnden Teile der Welt, in denen 850 Millionen Menschen unter Hunger leiden.
Mein Freund James Morris leitet das Welternährungsprogramm der UNO, dessen Aufgabe es
ist, den Hungrigen zu helfen. Er sagte mir kürzlich: „Wenn ich nur 1 Prozent des Geldes haben könnte,
das für globale Rüstung ausgegeben wird, dann brauchte niemand auf dieser Welt hungrig zu Bett
gehen.“
Es sollte daher keine Überraschung sein, daß Armut auch weiterhin eine Brutstätte für Konflikte
darstellt. Von den 13 Millionen Toten, die es in den letzten zehn Jahren aufgrund von bewaffneten Auseinandersetzungen gegeben hat, befanden sich 9 Millionen in den subsaharischen Ländern Afrikas,
in denen die Ärmsten der Armen leben.
Betrachten wir auch unsere Einstellung zu Begriffen wie Unverletzlichkeit und Wert des
menschlichen Lebens. In der Zeit nach den terroristischen Angriffen vom September 2001 in den
Vereinigten Staaten haben wir alle tief getrauert und unsere Entrüstung über dieses abscheuliche
Verbrechen zum Ausdruck gebracht — und das mit gutem Recht. Aber heute sind sich viele Leute
nicht bewußt, daß aufgrund des Bürgerkrieges in der Demokratischen Republik Kongo seit 1998 3,8
Millionen Menschen ihr Leben verloren haben.
Muß man daraus schließen, daß wir mit unseren Prioritäten schief liegen und daß unsere
Betrachtungsweise verzerrt ist?
Meine Damen und Herren! Wenn man dieses große Gesamtbild berücksichtigt, fällt es leichter,
die Veränderungen auf dem Gebiet der Nichtverbreitung von Kernwaffen und der nuklearen
Abrüstung zu verstehen.
Es gibt drei Grundzüge auf diesem sich ständig ändernden Gebiet: das Auftauchen eines
umfangreichen Schwarzmarktes für Nuklearmaterial und nukleare Ausrüstungen; die Verbreitung von
Kernwaffen und nuklearer Technologie; und die Stagnation in der nuklearen Abrüstung.
Wenn wir heute, da die Globalisierung uns immer enger zusammenbringt, die Unsicherheiten
einiger Menschen einfach ignorieren, dann werden diese Unsicherheiten schon bald uns alle treffen.
Und genauso ist es mit der Ausbreitung hochentwickelter Wissenschaft und Technologie
bestellt. Solange einige von uns es vorziehen, sich auf Atomwaffen zu verlassen, dann werden wir
weiterhin riskieren, daß der Besitz dieser Waffen auch für andere erstrebenswert erscheint.
Ich habe keine Zweifel daran: Wenn wir hoffen, der Selbstzerstörung zu entkommen, dann darf
in unserem kollektiven Bewußtsein kein Platz für Atomwaffen sein und dann dürfen sie für unsere
Sicherheit keine Rolle spielen.
Um dies zu erreichen, müssen wir sicherstellen — absolut sicherstellen — daß keine weiteren
Länder in den Besitz dieser tödlichen Waffen gelangen.
Wir müssen dafür sorgen, daß Staaten, die Kernwaffen besitzen, konkrete Schritte zur atomaren
Abrüstung unternehmen.
Und wir müssen ein Sicherheitssystem aufbauen, das nicht auf atomarer Abschreckung beruht.
Sind diese Ziele realistisch und erreichbar? Ich glaube ja. Aber dazu sind drei Schritte dringend
erforderlich.
Erstens, nukleares und radiologisches Material für Extremistengruppen unerreichbar machen.
Im Jahr 2001 hat die IAEO zusammen mit der internationalen Gemeinschaft eine weltweite Kampagne
zur besseren Sicherung dieser Materialien eingeleitet: Schutz von Kernanlagen, Sicherung starker
Strahlenquellen, Ausbildung von Sicherheitsbeamten, Grenzüberwachung. Im Verlauf von vier Jahren
haben wir vielleicht 50 Prozent der Arbeit getan. Aber das ist nicht schnell genug, da wir in einem
Wettlauf mit der Zeit sind.
Zweitens, verstärkte Kontrolle der Verfahren zur Herstellung von waffenfähigem Kernmaterial.
Bei dem jetzigen System hat jedes Land das Recht, sich diese Verfahren für zivile Zwecke
anzueignen. Aber damit beherrscht es dann auch die schwierigsten Schritte zur Herstellung einer
Atombombe.
Um dem zu entgehen, hoffe ich, daß wir diese Verfahren auf die multinationale Ebene
übertragen können — damit kein einzelnes Land die volle Kontrolle über ein derartiges Verfahren hat.
Mein Plan ist, zunächst einmal eine von der IAEO kontrollierte Reserve-Brennstoff-Bank
einzurichten, damit jedes Land die Sicherheit hat, mit dem für seine legitimen, friedlichen nuklearen
Aktivitäten nötigen Brennstoff versorgt zu werden. Diese Versorgungssicherheit wird den einzelnen
Ländern den Anreiz — und die Begründung — für die Entwicklung eines eigenen
Brennstoffkreislaufs nehmen. Wir müssten dann in der Lage sein, ein Moratorium auf neue nationale
Einrichtungen zu vereinbaren und mit der Erarbeitung multinationaler Regelungen für Anreicherung,
Brennstoffproduktion, Abfallentsorgung und Wiederaufbereitung zu beginnen.
Wir müssen auch das Überwachungssystem verstärken. Die IAEO-Kontrollen sind das Herz
und die Seele des Nichtweiterverbreitungsregimes. Zu seiner Wirksamkeit ist es unabdingbar, daß wir
die entsprechenden Befugnisse, Informationen, Spitzentechnologie und Geldmittel bekommen. Und
unsere Kontrollen müssen vom Weltsicherheitsrat unterstützt werden, damit wir ihn in Fällen von
Nichteinhaltung anrufen können.
Drittens, beschleunigte Abrüstungsmaßnahmen. Wir haben noch immer acht oder neun Staaten,
die über Kernwaffen verfügen. Es gibt derzeit 27.000 Sprengköpfe. Meiner Meinung nach sind das
27.000 zu viel.
Ein guter Ansatz wäre es, wenn die Kernwaffenstaaten die strategische Rolle dieser Waffen
zurückstufen würden. Über 15 Jahre nach Ende des Kalten Krieges ist es vielen unverständlich, daß
die Kernwaffenmächte ihre Arsenale ständig für den sofortigen Einsatz bereit halten — sodaß ihre
Führung im Falle eines Nuklearangriffs gerade 30 Minuten Zeit haben könnte, zu entscheiden, ob sie
einen Gegenschlag einleiten und damit die Zerstörung ganzer Nationen innerhalb von Minuten
riskieren soll.
Das sind drei konkrete Schritte die, wie ich meine, ohne Weiteres gesetzt werden könnten. Das
Material beschützen und die Überwachung verstärken. Den Brennstoffkreislauf kontrollieren. Die
Abrüstung beschleunigen.
Aber das genügt nicht. Die schwierigere Frage ist: wie kann man ein Umfeld schaffen, in dem
Kernwaffen — wie Sklaverei oder Völkermord — als Tabu und als historische Anomalie gelten?
Meine Damen und Herren!
Ob man an Evolution, „intelligentes Design“ oder göttliche Schöpfung glaubt, eines ist sicher.
Seit ihren Anfängen führen die Menschen Krieg miteinander, unter Vorwänden wie Religion,
Ideologie, Volkszugehörigkeit usw. Und keine Zivilisation hat sich je freiwillig ihrer mächtigsten
Waffen entledigt. Wir scheinen uns heute einig zu sein, daß wir die moderne Technik gemeinsam
nutzen können, aber wir weigern uns noch immer, anzuerkennen, daß unsere Werte — ihrem innersten
Wesen nach — gemeinsame Werte sind.
Ich bin ein ägyptischer Moslem, wurde in Kairo und New York ausgebildet und lebe nun in
Wien. Meine Frau und ich haben die Hälfte unseres Lebens im Norden und die Hälfte im Süden
verbracht. Und wir haben aus erster Hand die Einmaligkeit der menschlichen Familie und die
gemeinsamen Werte, die wir alle teilen, erfahren.
Shakespeare spricht von jedem einzelnen Mitglied dieser Familie, wenn er im Kaufmann von
Venedig fragt: „Wenn ihr uns stecht, bluten wir nicht? Wenn ihr uns kitzelt, lachen wir nicht? Wenn
ihr uns vergiftet, sterben wir nicht? Und wenn ihr uns beleidigt, sollen wir uns nicht rächen?”
Und wir sollten nicht vergessen:
Es gibt keine Religion, die auf Intoleranz gegründet ist — und keine Religion, die den Wert des
menschlichen Lebens nicht heilig hält.
Der Judaismus verlangt, daß wir die Schönheit und Freude des menschlichen Lebens schätzen
sollen.
Das Christentum sagt, daß wir unseren Nächsten behandeln sollen, wie wir selbst behandelt
werden wollen.
Der Islam erklärt, daß einen Menschen ungerecht zu töten dasselbe ist, wie die ganze
Menschheit zu töten.
Der Hinduismus betrachtet das gesamte Universum als eine Familie.
Der Buddhismus ruft uns auf, die Einheit der Schöpfung zu bewundern.
Manche würden sagen, es sei zu idealistisch, an eine Gesellschaft zu glauben, die auf Toleranz
und Unverletzlichkeit des menschlichen Lebens gegründet ist, in der Grenzen, Nationalitäten und
Ideologien von geringer Bedeutung sind. Diesen sage ich, das ist nicht Idealismus, sondern Realismus,
weil die Geschichte uns lehrt, daß Kriege selten unsere Differenzen beseitigen. Gewalt heilt keine
alten Wunden, sie öffnet nur neue.
Meine Damen und Herren!
Ich habe über unsere Bemühungen gesprochen, den Mißbrauch der Kernenergie zu bekämpfen.
Lassen Sie mich Ihnen nun erklären, wie dieselbe Energie zum Wohle der Menschheit eingesetzt wird.
Wir bei der IAEO arbeiten täglich in allen Erdteilen daran, Kern- und Strahlentechniken in den
Dienst der Menschheit zu stellen. In Vietnam wird Reis mit erhöhtem Nährwert angebaut, der mit
IAEO-Unterstützung entwickelt wurde. In ganz Lateinamerika wird Kerntechnik verwendet, um
Grundwasser-Karten zu erstellen, damit Wasserreserven nachhaltig genutzt werden können. In Ghana
ermöglicht ein neues Strahlentherapie-Gerät die Behandlung von Tausenden Krebspatienten. Im
Südpazifik verwenden japanische Wissenschaftler Kerntechniken zur Untersuchung des
Klimawandels. In Indien sind acht neue Kernkraftwerke in Bau, um saubere Elektrizität für eine
wachsende Nation bereitzustellen — ein Beispiel für die zunehmenden Anzeichen eines weltweiten
Anstiegs der Kernenergienutzung.
Diese Projekte, und tausend andere, versinnbildlichen das Ideal der IAEO: Atome für den
Frieden.
Jedoch bedingt der steigende Einsatz von Kernenergie und -technik auch die Notwendigkeit, die
Kernsicherheit und -sicherung auf dem höchsten Niveau zu halten.
Seit dem Unfall in Tschernobyl arbeiten wir auf der ganzen Welt an der Erhöhung der
Sicherheit von Kernanlagen. Und seit den Terroranschlägen vom September 2001 arbeiten wir mit
noch größerer Intensität am Schutz von Kernanlagen und nuklearen Materialien. An beiden Fronten
haben wir ein internationales Netzwerk von gesetzlichen Normen und Leistungsstandards aufgebaut.
Aber unsere greifbarste Wirkung ist vor Ort. Hunderte von Einsätzen von internationalen Experten in
allen Weltteilen, die garantieren, daß unsere nuklearen Aktivitäten sicher und geschützt sind.
Ich bin sehr stolz auf die 2300 fleißigen Mitarbeiter der IAEO — die Kollegen, mit denen ich
diese Ehrung teile. Einige von ihnen sind heute mit mir hierher gekommen. Wir stammen aus über 90
Ländern. Wir bringen viele verschiedene Perspektiven in unsere Arbeit ein. Unsere Mannigfaltigkeit
ist unsere Stärke.
Unsere Befugnisse sind begrenzt. Wir haben ein sehr bescheidenes Budget. Und wir haben
keine Streitkräfte.
Aber mit der Kraft unserer Überzeugung ausgerüstet werden wir weiterhin den Mächtigen die
Wahrheit sagen. Und wir werden weiterhin unabhängig und objektiv unseren Auftrag erfüllen.
Der Friedensnobelpreis ist für uns eine ermutigende Botschaft — mit unseren Bemühungen um
Sicherheit und Entwicklung fortzufahren. Ein dauerhafter Frieden ist keine einzelne Errungenschaft,
sondern ein Umfeld, ein Vorgang und eine Verpflichtung.
Meine Damen und Herren!
Das Bild, das ich heute gezeichnet habe, mag etwas düster erscheinen. Lassen Sie mich Ihnen
zum Schluß sagen, warum ich Hoffnung habe.
Ich habe Hoffnung, weil die positiven Aspekte der Globalisierung es den Ländern und Völkern
ermöglichen, politisch, wirtschaftlich und sozial unabhängig zu werden, womit Krieg zu einer
zunehmend unannehmbaren Option wird.
Unter den 25 Mitgliedern der Europäischen Union läßt der Grad der wirtschaftlichen und
soziopolitischen Abhängigkeiten mittlerweile die Vorstellung, zur Lösung von Differenzen Gewalt
anzuwenden, fast absurd erscheinen. Das Gleiche entwickelt sich allmählich bei der Organisation für
Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, mit etwa 55 Mitgliedstaaten in Europa, Zentralasien und
Nordamerika. Lassen sich diese Modelle durch dasselbe kreative Aufeinander-Eingehen und dieselbe
aktive internationale Zusammenarbeit in ein Weltmodell ausbauen, in dem die Starken gerecht und die
Schwachen sicher sind?
Ich habe Hoffnung, weil die Zivilgesellschaft besser informiert und engagierter wird. Sie drängt
ihre Regierungen zum Wandel — zur Schaffung demokratischer Gesellschaften, die auf
Mannigfaltigkeit, Toleranz und Gleichheit gegründet sind. Sie schlägt kreative Lösungen vor. Sie
erhöht das Bewußtsein, spendet Geld, arbeitet daran, den Gemeinsinn vom Lokalen zum Globalen zu
erheben. Sie arbeitet daran, die menschliche Familie näher zusammenzubringen.
Wir haben nun die Möglichkeit, mehr als je zuvor, eine positive Antwort auf eine der ältesten
Fragen der Menschheit zu geben: „Bin ich meines Bruders Hüter?“
Was gebraucht wird, ist eine neue Einstellung und ein Sinneswandel, um den Menschen am
anderen Ufer des Ozeans als unseren Nachbarn zu empfinden.
Schließlich gibt mir das, was ich bei meinen Kindern und anderen ihrer Generation sehe,
Hoffnung.
Meine erste Auslandsreise machte ich mit 19. Meine Kinder hatten noch mehr Glück als ich. Sie
wurden schon als Kleinkinder mit fremden Kulturen in Berührung gebracht und sind in einem
multikulturellen Umfeld erzogen worden. Und ich kann mit Bestimmtheit sagen, dass mein Sohn und
meine Tochter für Unterschiede der Hautfarbe, Rasse oder Nationalität blind sind. Sie sehen keinen
Unterschied zwischen ihren Freunden Noriko, Mafupo, Justin, Saulo und Hussam; für sie sind sie
einfach Mitmenschen und gute Freunde.
Die Globalisierung, Reisen, Medien und Kommunikation können uns auch helfen — wie bei
meinen Kindern und vielen Gleichaltrigen — einander einfach als Mitmenschen zu betrachten.
Eure Majestäten, Königliche Hoheit, meine Damen und Herren!
Stellen Sie sich vor, wie es wäre, wenn die Staaten der Erde soviel für Entwicklung ausgeben
würden wie für Kriegsgerät. Stellen Sie sich eine Welt vor, in der alle Menschen in Freiheit und
Würde leben könnten. Stellen Sie sich eine Welt vor, in der wir die gleichen Tränen vergießen, wenn
ein Kind in Darfur oder Vancouver stirbt. Stellen Sie sich eine Welt vor, in der wir unsere
Meinungsverschiedenheiten durch Diplomatie und Dialog lösen, und nicht mit Bomben oder Kugeln.
Stellen Sie sich vor, die einzigen noch existierenden Kernwaffen wären die Relikte in unseren
Museen. Stellen Sie sich das Erbe vor, das wir unseren Kindern hinterlassen könnten.
Stellen Sie sich vor, daß eine solche Welt in Reichweite liegt.
* Quelle: Website der IAEA; www.iaea.org
Zur Seite "Friedenspreise"
Zur Atomwaffen-Seite
Zurück zur Homepage