Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Die friedliche Nutzung von Kernenergie nicht als Deckmantel für Waffenprogramme benutzen"

Nobel-Ansprache des Friedensnobelpreisträgers 2005 Mohamed ElBaradei

Am 10. Dezember 2005 wurde dem Präsidenten der Internationalen Atomenergoiebehörde, IAEA, in Oslo der Friedensnobelpreis 2005 überreicht. Im Folgenden dokumentieren wir die Rede des Preisträgers im Wortlaut.



NOBEL-ANSPRACHE DES FRIEDENSNOBELPREISTRÄGERS 2005 MOHAMED ELBARADEI

Oslo, 10. Dezember 2005

Eure Majestäten, Eure Königliche Hoheit, Ehrenwerte Mitglieder des Norwegischen Nobelkomittees, Exzellenzen, meine Damen und Herren!

Diese höchste aller Ehren erfüllt die Internationale Atomenergie-Behörde und mich selbst mit Bescheidenheit, Stolz und Freude. Vor allem aber bestärkt sie uns auf unserem Weg.

Meine Schwägerin arbeitet für eine Gruppe, die Waisenhäuser in Kairo unterstützt. Sie und ihre Mitarbeiter kümmern sich um Kinder, die aufgrund ihrer Lebensumstände zu Waisen geworden sind. Sie geben diesen Kindern zu essen, besorgen ihnen Kleidung und bringen ihnen das Lesen bei.

Bei der Internationalen Atomenergie-Organisation arbeiten meine Mitarbeiter und ich daran, extremistischen Gruppen den Zugang zu nuklearem Material zu verwehren. Wir kontrollieren kerntechnische Anlagen in der ganzen Welt, um sicherzustellen, daß die friedliche Nutzung von Kernenergie nicht als Deckmantel für Waffenprogramme benutzt wird.

Meine Schwägerin und ich arbeiten auf unterschiedliche Weise auf das gleiche Ziel hin: die Sicherheit der Menschenfamilie.

Doch warum ist es uns bisher nicht gelungen, diese Sicherheit zu erreichen?

Ich glaube, der Grund liegt darin, daß unsere Sicherheitsstrategien den Risiken, denen wir uns gegenübersehen, noch nicht gewachsen sind. Die Globalisierung, die die Hindernisse für den freien Verkehr von Gütern, Ideen und Menschen hinweggefegt hat, hat auch gleichzeitig jene Schranken hinweggefegt, durch die Sicherheitsbedrohungen eingeschränkt und örtlich begrenzt werden konnten.

Ein Ausschuß auf der höchsten Ebene der Vereinten Nationen hat vor kurzem fünf Kategorien von Bedrohungen aufgezeigt, mit denen wir konfrontiert sind:
  1. Armut, ansteckende Krankheiten und zunehmende Umweltschädigung;
  2. Bewaffnete Auseinandersetzungen — sowohl innerhalb als auch zwischen den Staaten;
  3. Organisiertes Verbrechen;
  4. Terrorismus; und
  5. Massenvernichtungswaffen.
All dies sind „Bedrohungen ohne Grenzen“ — Bedrohungen, bei denen traditionelle Vorstellungen von nationaler Sicherheit nicht länger zutreffen. Wir können gegen diese Bedrohungen nicht vorgehen, indem wir neue Mauern errichten, größere Waffen entwickeln oder zusätzliche Truppen entsenden. Ganz im Gegenteil. Gerade weil sie grenzenlos sind erfordern diese Sicherheitsbedrohungen in erster Linie eine multinationale Zusammenarbeit.

Aber noch wichtiger ist die Tatsache, daß es sich dabei nicht um separate oder verschiedenartige Bedrohungen handelt. Unter der Oberfläche sind sie eng miteinander verbunden und verknüpft. Wir haben heute 1.000 Leute hier in diesem ehrwürdigen Saal. Stellen Sie sich einen Moment lang vor, daß wir die Weltbevölkerung verkörpern. Diese 200 Leute zu meiner Linken wären die Reichen auf der Welt — jene, die 80 Prozent der verfügbaren Ressourcen verbrauchen. Und diese 400 Leute zu meiner Rechten würden von einem Einkommen von weniger als $2 pro Tag leben.

Diese unterprivilegierte Personengruppe zu meiner Rechten ist nicht weniger intelligent oder verdient ein gutes Leben nicht weniger als ihre Mitmenschen auf der anderen Seite des Gangs. Sie wurden nur einfach in ihr Schicksal geboren.

In der realen Welt führt dieses Ungleichgewicht in den Lebensbedingungen unausweichlich zu einer Chancenungleichheit und in vielen Fällen zu Hoffnungslosigkeit. Und noch schlimmer ist es, daß nur allzu oft die Not der Armen darüber hinaus noch verschärft wird durch Menschenrechtsverletzungen, durch einen Mangel an verantwortungsbewußter Regierungsführung, und durch ein tiefes Gefühl von Ungerechtigkeit. Diese Verbindung schafft naturgemäß einen äußerst fruchtbaren Nährboden für Bürgerkriege, organisiertes Verbrechen und die verschiedensten Formen von Extremismus.

In Regionen, in denen man Konflikte Jahrzehnte lang schwären ließ, suchen Staaten fortdauernd nach Wegen, ihre Unsicherheiten auszugleichen oder ihre „Macht“ zu projizieren. In manchen Fällen könnten sie dazu verleitet werden, den Besitz eigener Massenvernichtungswaffen anzustreben, so wie andere vor ihnen.

Meine Damen und Herren!

Vor fünfzehn Jahren, am Ende des kalten Krieges, hofften viele von uns, daß eine neue Weltordnung entstehen würde. Eine Weltordnung mit Wurzeln in der zwischenmenschlichen Solidarität — eine Weltordnung, die gerecht, alles umfassend und wirkungsvoll sein würde.

Doch heute sind wir weit von diesem Ziel entfernt. Es ist uns vielleicht gelungen, die Mauern zwischen Ost und West abzureißen, aber wir haben es versäumt, die Brücken zwischen Nord und Süd zu bauen — zwischen den Reichen und den Armen.

Betrachten Sie nur unsere Erfahrungen mit der Entwicklungshilfe. Im vergangenen Jahr haben die Nationen der Welt über $1 Billion für die Rüstung ausgegeben. Aber wir haben weniger als 10 Prozent dieser Summe — bloß 80 Milliarden — als offizielle Entwicklungshilfe geleistet für die sich entwickelnden Teile der Welt, in denen 850 Millionen Menschen unter Hunger leiden.

Mein Freund James Morris leitet das Welternährungsprogramm der UNO, dessen Aufgabe es ist, den Hungrigen zu helfen. Er sagte mir kürzlich: „Wenn ich nur 1 Prozent des Geldes haben könnte, das für globale Rüstung ausgegeben wird, dann brauchte niemand auf dieser Welt hungrig zu Bett gehen.“

Es sollte daher keine Überraschung sein, daß Armut auch weiterhin eine Brutstätte für Konflikte darstellt. Von den 13 Millionen Toten, die es in den letzten zehn Jahren aufgrund von bewaffneten Auseinandersetzungen gegeben hat, befanden sich 9 Millionen in den subsaharischen Ländern Afrikas, in denen die Ärmsten der Armen leben.

Betrachten wir auch unsere Einstellung zu Begriffen wie Unverletzlichkeit und Wert des menschlichen Lebens. In der Zeit nach den terroristischen Angriffen vom September 2001 in den Vereinigten Staaten haben wir alle tief getrauert und unsere Entrüstung über dieses abscheuliche Verbrechen zum Ausdruck gebracht — und das mit gutem Recht. Aber heute sind sich viele Leute nicht bewußt, daß aufgrund des Bürgerkrieges in der Demokratischen Republik Kongo seit 1998 3,8 Millionen Menschen ihr Leben verloren haben.

Muß man daraus schließen, daß wir mit unseren Prioritäten schief liegen und daß unsere Betrachtungsweise verzerrt ist?

Meine Damen und Herren! Wenn man dieses große Gesamtbild berücksichtigt, fällt es leichter, die Veränderungen auf dem Gebiet der Nichtverbreitung von Kernwaffen und der nuklearen Abrüstung zu verstehen.

Es gibt drei Grundzüge auf diesem sich ständig ändernden Gebiet: das Auftauchen eines umfangreichen Schwarzmarktes für Nuklearmaterial und nukleare Ausrüstungen; die Verbreitung von Kernwaffen und nuklearer Technologie; und die Stagnation in der nuklearen Abrüstung.

Wenn wir heute, da die Globalisierung uns immer enger zusammenbringt, die Unsicherheiten einiger Menschen einfach ignorieren, dann werden diese Unsicherheiten schon bald uns alle treffen. Und genauso ist es mit der Ausbreitung hochentwickelter Wissenschaft und Technologie bestellt. Solange einige von uns es vorziehen, sich auf Atomwaffen zu verlassen, dann werden wir weiterhin riskieren, daß der Besitz dieser Waffen auch für andere erstrebenswert erscheint.

Ich habe keine Zweifel daran: Wenn wir hoffen, der Selbstzerstörung zu entkommen, dann darf in unserem kollektiven Bewußtsein kein Platz für Atomwaffen sein und dann dürfen sie für unsere Sicherheit keine Rolle spielen.

Um dies zu erreichen, müssen wir sicherstellen — absolut sicherstellen — daß keine weiteren Länder in den Besitz dieser tödlichen Waffen gelangen.

Wir müssen dafür sorgen, daß Staaten, die Kernwaffen besitzen, konkrete Schritte zur atomaren Abrüstung unternehmen.

Und wir müssen ein Sicherheitssystem aufbauen, das nicht auf atomarer Abschreckung beruht. Sind diese Ziele realistisch und erreichbar? Ich glaube ja. Aber dazu sind drei Schritte dringend erforderlich.

Erstens, nukleares und radiologisches Material für Extremistengruppen unerreichbar machen. Im Jahr 2001 hat die IAEO zusammen mit der internationalen Gemeinschaft eine weltweite Kampagne zur besseren Sicherung dieser Materialien eingeleitet: Schutz von Kernanlagen, Sicherung starker Strahlenquellen, Ausbildung von Sicherheitsbeamten, Grenzüberwachung. Im Verlauf von vier Jahren haben wir vielleicht 50 Prozent der Arbeit getan. Aber das ist nicht schnell genug, da wir in einem Wettlauf mit der Zeit sind.

Zweitens, verstärkte Kontrolle der Verfahren zur Herstellung von waffenfähigem Kernmaterial. Bei dem jetzigen System hat jedes Land das Recht, sich diese Verfahren für zivile Zwecke anzueignen. Aber damit beherrscht es dann auch die schwierigsten Schritte zur Herstellung einer Atombombe.

Um dem zu entgehen, hoffe ich, daß wir diese Verfahren auf die multinationale Ebene übertragen können — damit kein einzelnes Land die volle Kontrolle über ein derartiges Verfahren hat. Mein Plan ist, zunächst einmal eine von der IAEO kontrollierte Reserve-Brennstoff-Bank einzurichten, damit jedes Land die Sicherheit hat, mit dem für seine legitimen, friedlichen nuklearen Aktivitäten nötigen Brennstoff versorgt zu werden. Diese Versorgungssicherheit wird den einzelnen Ländern den Anreiz — und die Begründung — für die Entwicklung eines eigenen Brennstoffkreislaufs nehmen. Wir müssten dann in der Lage sein, ein Moratorium auf neue nationale Einrichtungen zu vereinbaren und mit der Erarbeitung multinationaler Regelungen für Anreicherung, Brennstoffproduktion, Abfallentsorgung und Wiederaufbereitung zu beginnen.

Wir müssen auch das Überwachungssystem verstärken. Die IAEO-Kontrollen sind das Herz und die Seele des Nichtweiterverbreitungsregimes. Zu seiner Wirksamkeit ist es unabdingbar, daß wir die entsprechenden Befugnisse, Informationen, Spitzentechnologie und Geldmittel bekommen. Und unsere Kontrollen müssen vom Weltsicherheitsrat unterstützt werden, damit wir ihn in Fällen von Nichteinhaltung anrufen können.

Drittens, beschleunigte Abrüstungsmaßnahmen. Wir haben noch immer acht oder neun Staaten, die über Kernwaffen verfügen. Es gibt derzeit 27.000 Sprengköpfe. Meiner Meinung nach sind das 27.000 zu viel.

Ein guter Ansatz wäre es, wenn die Kernwaffenstaaten die strategische Rolle dieser Waffen zurückstufen würden. Über 15 Jahre nach Ende des Kalten Krieges ist es vielen unverständlich, daß die Kernwaffenmächte ihre Arsenale ständig für den sofortigen Einsatz bereit halten — sodaß ihre Führung im Falle eines Nuklearangriffs gerade 30 Minuten Zeit haben könnte, zu entscheiden, ob sie einen Gegenschlag einleiten und damit die Zerstörung ganzer Nationen innerhalb von Minuten riskieren soll.

Das sind drei konkrete Schritte die, wie ich meine, ohne Weiteres gesetzt werden könnten. Das Material beschützen und die Überwachung verstärken. Den Brennstoffkreislauf kontrollieren. Die Abrüstung beschleunigen.

Aber das genügt nicht. Die schwierigere Frage ist: wie kann man ein Umfeld schaffen, in dem Kernwaffen — wie Sklaverei oder Völkermord — als Tabu und als historische Anomalie gelten?

Meine Damen und Herren!

Ob man an Evolution, „intelligentes Design“ oder göttliche Schöpfung glaubt, eines ist sicher. Seit ihren Anfängen führen die Menschen Krieg miteinander, unter Vorwänden wie Religion, Ideologie, Volkszugehörigkeit usw. Und keine Zivilisation hat sich je freiwillig ihrer mächtigsten Waffen entledigt. Wir scheinen uns heute einig zu sein, daß wir die moderne Technik gemeinsam nutzen können, aber wir weigern uns noch immer, anzuerkennen, daß unsere Werte — ihrem innersten Wesen nach — gemeinsame Werte sind.

Ich bin ein ägyptischer Moslem, wurde in Kairo und New York ausgebildet und lebe nun in Wien. Meine Frau und ich haben die Hälfte unseres Lebens im Norden und die Hälfte im Süden verbracht. Und wir haben aus erster Hand die Einmaligkeit der menschlichen Familie und die gemeinsamen Werte, die wir alle teilen, erfahren.

Shakespeare spricht von jedem einzelnen Mitglied dieser Familie, wenn er im Kaufmann von Venedig fragt: „Wenn ihr uns stecht, bluten wir nicht? Wenn ihr uns kitzelt, lachen wir nicht? Wenn ihr uns vergiftet, sterben wir nicht? Und wenn ihr uns beleidigt, sollen wir uns nicht rächen?”

Und wir sollten nicht vergessen:
Es gibt keine Religion, die auf Intoleranz gegründet ist — und keine Religion, die den Wert des menschlichen Lebens nicht heilig hält.

Der Judaismus verlangt, daß wir die Schönheit und Freude des menschlichen Lebens schätzen sollen.
Das Christentum sagt, daß wir unseren Nächsten behandeln sollen, wie wir selbst behandelt werden wollen.
Der Islam erklärt, daß einen Menschen ungerecht zu töten dasselbe ist, wie die ganze Menschheit zu töten.
Der Hinduismus betrachtet das gesamte Universum als eine Familie.
Der Buddhismus ruft uns auf, die Einheit der Schöpfung zu bewundern.

Manche würden sagen, es sei zu idealistisch, an eine Gesellschaft zu glauben, die auf Toleranz und Unverletzlichkeit des menschlichen Lebens gegründet ist, in der Grenzen, Nationalitäten und Ideologien von geringer Bedeutung sind. Diesen sage ich, das ist nicht Idealismus, sondern Realismus, weil die Geschichte uns lehrt, daß Kriege selten unsere Differenzen beseitigen. Gewalt heilt keine alten Wunden, sie öffnet nur neue.

Meine Damen und Herren!

Ich habe über unsere Bemühungen gesprochen, den Mißbrauch der Kernenergie zu bekämpfen.

Lassen Sie mich Ihnen nun erklären, wie dieselbe Energie zum Wohle der Menschheit eingesetzt wird. Wir bei der IAEO arbeiten täglich in allen Erdteilen daran, Kern- und Strahlentechniken in den Dienst der Menschheit zu stellen. In Vietnam wird Reis mit erhöhtem Nährwert angebaut, der mit IAEO-Unterstützung entwickelt wurde. In ganz Lateinamerika wird Kerntechnik verwendet, um Grundwasser-Karten zu erstellen, damit Wasserreserven nachhaltig genutzt werden können. In Ghana ermöglicht ein neues Strahlentherapie-Gerät die Behandlung von Tausenden Krebspatienten. Im Südpazifik verwenden japanische Wissenschaftler Kerntechniken zur Untersuchung des Klimawandels. In Indien sind acht neue Kernkraftwerke in Bau, um saubere Elektrizität für eine wachsende Nation bereitzustellen — ein Beispiel für die zunehmenden Anzeichen eines weltweiten Anstiegs der Kernenergienutzung.

Diese Projekte, und tausend andere, versinnbildlichen das Ideal der IAEO: Atome für den Frieden.

Jedoch bedingt der steigende Einsatz von Kernenergie und -technik auch die Notwendigkeit, die Kernsicherheit und -sicherung auf dem höchsten Niveau zu halten.

Seit dem Unfall in Tschernobyl arbeiten wir auf der ganzen Welt an der Erhöhung der Sicherheit von Kernanlagen. Und seit den Terroranschlägen vom September 2001 arbeiten wir mit noch größerer Intensität am Schutz von Kernanlagen und nuklearen Materialien. An beiden Fronten haben wir ein internationales Netzwerk von gesetzlichen Normen und Leistungsstandards aufgebaut. Aber unsere greifbarste Wirkung ist vor Ort. Hunderte von Einsätzen von internationalen Experten in allen Weltteilen, die garantieren, daß unsere nuklearen Aktivitäten sicher und geschützt sind.

Ich bin sehr stolz auf die 2300 fleißigen Mitarbeiter der IAEO — die Kollegen, mit denen ich diese Ehrung teile. Einige von ihnen sind heute mit mir hierher gekommen. Wir stammen aus über 90 Ländern. Wir bringen viele verschiedene Perspektiven in unsere Arbeit ein. Unsere Mannigfaltigkeit ist unsere Stärke.

Unsere Befugnisse sind begrenzt. Wir haben ein sehr bescheidenes Budget. Und wir haben keine Streitkräfte.

Aber mit der Kraft unserer Überzeugung ausgerüstet werden wir weiterhin den Mächtigen die Wahrheit sagen. Und wir werden weiterhin unabhängig und objektiv unseren Auftrag erfüllen. Der Friedensnobelpreis ist für uns eine ermutigende Botschaft — mit unseren Bemühungen um Sicherheit und Entwicklung fortzufahren. Ein dauerhafter Frieden ist keine einzelne Errungenschaft, sondern ein Umfeld, ein Vorgang und eine Verpflichtung.

Meine Damen und Herren!

Das Bild, das ich heute gezeichnet habe, mag etwas düster erscheinen. Lassen Sie mich Ihnen zum Schluß sagen, warum ich Hoffnung habe.

Ich habe Hoffnung, weil die positiven Aspekte der Globalisierung es den Ländern und Völkern ermöglichen, politisch, wirtschaftlich und sozial unabhängig zu werden, womit Krieg zu einer zunehmend unannehmbaren Option wird.

Unter den 25 Mitgliedern der Europäischen Union läßt der Grad der wirtschaftlichen und soziopolitischen Abhängigkeiten mittlerweile die Vorstellung, zur Lösung von Differenzen Gewalt anzuwenden, fast absurd erscheinen. Das Gleiche entwickelt sich allmählich bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, mit etwa 55 Mitgliedstaaten in Europa, Zentralasien und Nordamerika. Lassen sich diese Modelle durch dasselbe kreative Aufeinander-Eingehen und dieselbe aktive internationale Zusammenarbeit in ein Weltmodell ausbauen, in dem die Starken gerecht und die Schwachen sicher sind?

Ich habe Hoffnung, weil die Zivilgesellschaft besser informiert und engagierter wird. Sie drängt ihre Regierungen zum Wandel — zur Schaffung demokratischer Gesellschaften, die auf Mannigfaltigkeit, Toleranz und Gleichheit gegründet sind. Sie schlägt kreative Lösungen vor. Sie erhöht das Bewußtsein, spendet Geld, arbeitet daran, den Gemeinsinn vom Lokalen zum Globalen zu erheben. Sie arbeitet daran, die menschliche Familie näher zusammenzubringen.

Wir haben nun die Möglichkeit, mehr als je zuvor, eine positive Antwort auf eine der ältesten Fragen der Menschheit zu geben: „Bin ich meines Bruders Hüter?“

Was gebraucht wird, ist eine neue Einstellung und ein Sinneswandel, um den Menschen am anderen Ufer des Ozeans als unseren Nachbarn zu empfinden.

Schließlich gibt mir das, was ich bei meinen Kindern und anderen ihrer Generation sehe, Hoffnung.

Meine erste Auslandsreise machte ich mit 19. Meine Kinder hatten noch mehr Glück als ich. Sie wurden schon als Kleinkinder mit fremden Kulturen in Berührung gebracht und sind in einem multikulturellen Umfeld erzogen worden. Und ich kann mit Bestimmtheit sagen, dass mein Sohn und meine Tochter für Unterschiede der Hautfarbe, Rasse oder Nationalität blind sind. Sie sehen keinen Unterschied zwischen ihren Freunden Noriko, Mafupo, Justin, Saulo und Hussam; für sie sind sie einfach Mitmenschen und gute Freunde.

Die Globalisierung, Reisen, Medien und Kommunikation können uns auch helfen — wie bei meinen Kindern und vielen Gleichaltrigen — einander einfach als Mitmenschen zu betrachten.

Eure Majestäten, Königliche Hoheit, meine Damen und Herren!

Stellen Sie sich vor, wie es wäre, wenn die Staaten der Erde soviel für Entwicklung ausgeben würden wie für Kriegsgerät. Stellen Sie sich eine Welt vor, in der alle Menschen in Freiheit und Würde leben könnten. Stellen Sie sich eine Welt vor, in der wir die gleichen Tränen vergießen, wenn ein Kind in Darfur oder Vancouver stirbt. Stellen Sie sich eine Welt vor, in der wir unsere Meinungsverschiedenheiten durch Diplomatie und Dialog lösen, und nicht mit Bomben oder Kugeln.

Stellen Sie sich vor, die einzigen noch existierenden Kernwaffen wären die Relikte in unseren Museen. Stellen Sie sich das Erbe vor, das wir unseren Kindern hinterlassen könnten. Stellen Sie sich vor, daß eine solche Welt in Reichweite liegt.

* Quelle: Website der IAEA; www.iaea.org


Zur Seite "Friedenspreise"

Zur Atomwaffen-Seite

Zurück zur Homepage