Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Geschmäht und geehrt

Stiftung gibt Preisträger für Planet Awards bekannt

Von Peter Nowak *

Ethecon verleiht den Schmähpreis Black Planet Award in diesem Jahr an den US-Chemieriesen Dow Chemical; der Blue Planet Award geht an den slowenischen Autor und Friedensaktivisten Tomo Kriznar.

Seit 2006 vergibt die Stiftung Ethik & Ökonomie (ethecon) jedes Jahr zwei Preise, die bei den Geehrten allerdings nicht gleichermaßen für Freude sorgen dürften. Der sogenannte Blue Planet Award geht dabei an Personen, die sich besonders dem Kampf für eine solidarische Gesellschaft widmen. Mit dem Schmähpreis Black Planet Award hingegen werden Institutionen und Konzerne »für zahllose von ihnen zu verantwortende Missstände und Verbrechen im Namen der Profite« angeprangert, wie die Ethecon-Pressesprecherin Linda Spieckermann erklärte.

Der diesjährige Schmähpreisträger ist nach dieser Definition ein besonders geeigneter Kandidat: Der US-Chemieriese Dow Chemical ist für einen der größten Chemieunfälle weltweit verantwortlich. In einem Werk des Konzerns im indischen Bhopal traten am 3. Dezember 1984 mehrere Tonnen hochgiftiger Chemikalien aus. Luft, Boden und Flüsse in der Umgebung wurden verseucht. Auch nach 30 Jahren ist die Zahl der Opfer nicht exakt ermittelt, nach Schätzungen starben bis zu 300 000 Menschen an den Folgen des ausströmenden Gases. Über 800 000 Menschen überlebten nach Angaben der indischen Regierung mit schweren Gesundheitsschäden.

Dow Chemical weigert sich bis heute, die Giftbestände auf dem Areal auf eigene Kosten zu beseitigen. Das Werk war gerade wegen der niedrigen Umweltstandards nach Indien verlegt worden. Auch viele der Opfer und ihre Angehörigen wurden bis heute nicht entschädigt. Ethecon verleiht deshalb den Black Planet Award an den Dow-Chemical-Vorstandsvorsitzenden Andrew Liveris, Vorstandsmitglied James Ringler sowie mehrere Großaktionäre.

Weniger bekannt dürfte dagegen der Anwärter für die Ethecon-Ehrung sein: Sie geht in diesem Jahr an den slowenischen Friedensaktivisten und Schriftsteller Tomo Kriznar. Er ist 1956 in Jesenice geboren, reiste bereits in den 1980er Jahren in den Sudan, hielt sich länger in den Nuba-Bergen auf und besuchte die dort lebenden ethnischen Gruppen. Nach seiner zweiten Reise veröffentlichte er Bücher und Filme, in denen er auch die Menschenrechtsverletzungen an der Nuba-Bevölkerung anprangerte.

Einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurde Kriznar, als er 2006 als Sondergesandter des slowenischen Präsidenten in die sudanesische Darfur-Region reiste und dort verhaftet wurde. Nach einer internationalen Solidaritätskampagne kam Kriznar nach wenigen Wochen frei, musste aber sein Film- und Fotomaterial, auf dem zahlreiche Menschenrechtsverletzungen der sudanesischen Regierung dokumentiert waren, zurücklassen. »Wir wollen mit der Ehrung dem in Deutschland noch weitgehend unbekannten Menschenrechtler ein Forum geben«, begründet Spieckermann die Preisentscheidung. Tatsächlich sind seine Filme bisher nicht ins Deutsche übersetzt worden.

Das kann sich bis zur Preisverleihung noch ändern. Sie wird ausnahmsweise erst im Frühjahr des kommenden Jahres in Berlin stattfinden. Dann will Kriznar den Preis persönlich in Empfang nehmen. In den vergangenen Jahren wurden die Ethecon-Preise, die es seit 2006 gibt, jährlich Mitte November verliehen. Weil Kriznar zu dieser Zeit noch an einem anderen Projekt arbeitet, wurde die Verleihung verschoben.

* Aus: neues deutschland, Dienstag 23. September 2014


Dokumentiert: Blue Planet Award 2014 an Tomo Križnar

Mit dem Internationalen ethecon Blue Planet Award 2014 wird der slowenische Friedensaktivist Tomo Križnar geehrt.

Kuratorium und Vorstand von ethecon begründen ihre Entscheidung zusammengefasst wie folgt:


Der Friedensaktivist, Filmemacher und Journalist Tomo Križnar wird mit dem Internationalen ethecon Blue Planet Award 2014 geehrt für seinen beispielhaften Einsatz für Solidarität und Ethik, für sein couragiertes Engagement bei Rettung und Erhalt unseres Blauen Planeten. Auszugsweise seien folgende begründende Aktivitäten und Einsätze erwähnt:

Mit seiner frühen Erkenntnis, dass unsere heutige Konsumgesellschaft auf Ausbeutung beruht, begann er, die Welt mit dem Ziel zu bereisen, andere Lebensweisen zu lernen und zu stärken. Er stellte fest, dass Ethnien, die nicht am kapitalistischen Konsum teilnehmen, existentiell bedroht sind vom Hunger nach Ressourcen in unserer von Gier geprägten Welt. Anfang der 80er Jahre gab er eine aussichtsreiche Karriere in der größten – damals noch jugoslawischen – Elektronikfirma des Landes auf und begann, sich mit seinem journalistischen Talent als Autor, Filmemacher und Fotograf dem unmenschlichen Raub am Leben entgegenzustellen.

Seit 1979 reist Tomo Križnar in den Sudan im Bemühen, zur Beendigung des Bürgerkriegs dort beizutragen. Er teilte das Leben der dortigen Urbevölkerung und lernte von ihnen, wie man in dieser Welt anders leben kann. Dabei entwickelte er eine große Bewunderung für die Weisheit und Friedfertigkeit dieser Menschen. Im Jahre 2006 wurde er vom Slowenischen Präsidenten Janez Drnovšek als Sonderbotschafter nach Darfur (Sudan) gesandt, um herauszufinden, was dort tatsächlich geschieht und um über die Verhältnisse dort zu berichten. Nach fünf Monaten Recherche unter der Zivilbevölkerung, unter ständiger Beobachtung verschiedenster Rebellengruppen, wurde er von den Truppen der Mission der Afrikanischen Union in Sudan verraten und dem Militärgeheimdienst der sudanesischen Regierung übergeben. Er wurde „wegen Spionage und falscher Berichterstattung aus dem Sudan“ angeklagt und zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Nach einer großen internationalen Aktion für seine Freilassung wurde er per Dekret des Präsidenten zwei Monate später im September 2006 freigelassen. Nicht weniger als sechs Mal wurde er mittlerweile bei seinen Einsätzen im Sudan und in der Republik Sudan inhaftiert. Es hinderte ihn nicht daran, trotzdem immer wieder in die Kriegsregionen beider Sudanteile zu reisen und seinen Einsatz für Frieden und die Lebensrechte der Bevölkerung weiter zu führen. Er bemühte sich um Kontakte mit Menschenrechtsorganisationen, die EU, US-Regierungsstellen und anderen humanitären Organisationen. In dem 2008 fertig gestellten Dokumentarfilm „Dar Fur - War for Water“, wies er nach, dass vielfach nur Hilfsbereitschaft geheuchelt wird, es in Wirklichkeit aber um Macht sowie um Zugang zu Öl, Land und Wasser geht. Mit Spendengeldern finanzierte Tomo Križnar den Kauf von mehr als 1000 Minikameras, Laptops und Satellitentelefonen, die er ein Jahr nach der Filmpremiere nach Darfur schmuggelte. So konnte er lokale Freiwillige vor Ort dazu ausbilden, selber die Angriffe und Beschießungen, Vergewaltigungen, Morde und Verbrechen zu dokumentieren, die an ihnen verübt werden; er schuf ihnen die Voraussetzung, sich selbst mit Bilddokumenten an die Weltöffentlichkeit zu wenden.

Aus dem erschütternden Bildmaterial, das man am Internationalen Gerichtshof für Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu sammeln begann, entstand der Dokumentarfilm „Eyes And Ears Of God – Video Surveillance of Sudan“ (2012). Tomo Križnar durfte diesen Film, in dem aufgedeckt wird, wer alles bei der Ausrottung der Urbevölkerung von Dafur, in den Nuba-Bergen und dem Blauen Nil beteiligt ist, nicht im Rahmen der Initiative von „Cinema For Peace“ beim Internationalen Filmfestival Berlin vorführen, wo man für sein Projekt „Safe-Keeping Darfur“ Spenden für den Kauf von Kameras gesammelt hatte. Deshalb projizierte er in einer Protestaktion im Februar 2012 bei der Gala-Vorführung „Cinema for Peace“ in Berlin gemeinsam mit der Ko-Regisseurin Maja Weiss seinen Dokumentarfilm auf die weiße Seitenwand eines LKWs, während unmittelbar daneben die Prominenz des elitären Aktivismus, darunter auch Angelina Jolie und Brad Pitt, über den Roten Teppich in die Festhalle schritten. Nach fünfzehn Minuten wurden Tomo Križnar und Maja Weiss samt Gleichgesinnten von der deutschen Polizei vom Ort des Protests verjagt. Die Dokumentarfilme von Tomo Križnar sind für unsere politischen Eliten alles andere als attraktiv, sie berühren eher die Herzen von Leuten aus der breiten Bevölkerung. Sein engster Mitarbeiter Klemen Mihelič gründete nach seiner Rückkehr aus dem Sudan 2010 eine eigene humanitäre Organisation mit dem Namen HOPE, die ausschließlich auf freiwilliger Basis arbeitet und für den eigenen Aufwand oder eigene Kosten keinerlei Spendenmittel verwendet; derzeit werden Spenden für Bohranlagen gesammelt für das Erschließen von Wasserquellen für die flüchtende Bevölkerung in einem Gebiet, wo derzeit ein unerbittlicher Kampf um die Kontrolle von Wasservorräten herrscht. In den vergangenen zwei Jahren sammelte er Spenden für Beobachtungsdrohnen, also für unbemannte Luftfahrzeuge, die anstelle mit Raketen mit Kameras ausgestattet sind. Diese sind auch Gegenstand von zwei neuen Dokumentarfilmen, für die Tomo Križnar bisher erfolglos um Spenden bittet.

Der Einsatz von Tomo Križnar für die Menschlichkeit folgt der Überzeugung des Friedens. Er fordert ein umfassendes Programm zum Schutz bedrohter Ethnien, einschließlich durch den Einsatz von Beobachtungsdrohnen. Mit der Aufklärung über die Situation durch Fotos und Videos, die die Betroffenen selbst aufnehmen, gibt er ihnen Handlungsmöglichkeiten, Souveränität, Identität - einen Namen, ein Gesicht und Würde. Er kämpft gegen die tödlichen Bedrohungen und den Genozid im Sudan durch die eigene Regierung. Die Akteure verfolgen rücksichtslos ihre Gier nach Land, dem Wasser und den Erdölvorräten, und begründen sie mit rassistischen Parolen. Während die Großmächte Waffen liefern, den Genozid dulden und Handel mit den verantwortlichen Mächtigen treiben, gibt Tomo Križnar den Getriebenen wie auch den Tätern ein Gesicht. Sein Einsatz und die Kameras heben sie aus der Masse der Unbekannten in das Licht der Öffentlichkeit. Er macht die Täter angreifbar in einem ebensolchen ungleichen Kampf wie David gegen Goliath.

„Warum verteilst du Kameras statt Gewehre?“, wurde er gefragt. „Weil Gewalt keine Lösung ist“. Gewalt erzeugt Gegengewalt und ändert nicht das zugrunde liegende Problem. Mit seiner Vision und der Unterstützung des Widerstands durch Aufklärung, durch Solidarität und Achtung für Menschen über Grenzen hinweg stärkt Tomo Križnar unmittelbar die Handlungsmacht der betroffenen Zivilbevölkerung in Darfur, in den Nuba-Bergen und am Blauen Nil. Tomo Križnars Solidarität und Einsatz gelten denen, die sich selbst nicht wehren können. Seine Überzeugung folgt der Idee von „Change statt Charity“. Er kämpft nicht für Wohltätigkeitsaktionen, sondern klärt trotz der Gefahren für Leib und Leben über die Folgen des Profitsystems auf, bekämpft aktiv Hunger, Krieg und Not. Er legt den Finger in die Wunde und klagt schonungslos die Gier der Reichen und Mächtigen an, die in ihrem endlosen Appetit nach Land und Ressourcen Leid und Tod der Menschen sowie Zerstörung und Ruin der Umwelt rücksichtslos in Kauf nehmen.

Kuratorium und Vorstand von ethecon erklären:

Tomo Križnar verteidigt ungeachtet seiner eigenen Sicherheit menschliches Leben und stellt sich Umweltzerstörung, Ausbeutung und Krieg entgegen. Er verteidigt nicht nur den Frieden und die Menschenrechte, sondern auch das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Er handelt zum Vorteil der menschlichen Gemeinschaft und der Umwelt. Er hält Moral und Ethik hoch und stemmt sich gegen den Untergang der Erde Schwarzen Planeten.

ethecon sieht in einer zunehmend auf den Profit als einzigem Kriterium jeglicher Entscheidung und Entwicklung ausgerichteten Welt im Handeln von Tomo Križnar einen herausragenden Beitrag zu Rettung und zum Erhalt unseres Blauen Planeten. Für diese bewundernswerte Pflege und Entwicklung menschlicher Werte ehrt ethecon - Stiftung Ethik & Ökonomie - Tomo Križnar mit dem Internationalen ethecon Blue Planet Award 2014. Der Internationale ethecon Blue Planet Award 2014 an den Friedens- und Menschenrechtsaktivisten Tomo Križnar und der Internationale ethecon Black Planet Award 2014 an Andrew N. Liveris (Vorstandsvorsitzender), James M. Ringler (Mitglied des Vorstands) sowie die Großaktionäre des Chemie-Konzerns DOW CHEMICAL werden in einem öffentlichen Festakt in Berlin verliehen. Der Termin wird noch bekannt gegeben.

Berlin, Internationaler Tag des Friedens, 21. September 2014




Zurück zur Seite "Friedenspreise und andere Auszeichnungen"

Zur Seite "Friedenspreise" (Beiträge vor 2014)

Zur Sudan-Seite

Zur Sudan-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage