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"Trockenleger" unter sich

Kabinett huldigt Anti-Spionage-Abkommen / SPD log Solidarität zurecht

Von René Heilig *

Das Kabinett beschloss am Mittwoch einen Maßnahmenkatalog der angeblich IT-Sicherheit bringen soll. Es ging um das bereits am Montag angekündigte No-Spy-Abkommen. Die USA hatten es angeboten, um Luft aus dem »Prism«-Skandal der NSA zu lassen. Die Merkel-Regierung scheint darin einen rettenden Strohhalm zu sehen.

Das von den USA angebotene Anti-Spionage-Abkommen war bereits am Montag von Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) als Schlusspunkt der »Aufklärung« angekündigt worden. Offensichtlich hatte das Kabinett gestern auch nichts Substanzielleres auf dem Tisch. Nach dem Willen der Bundesregierung soll das Abkommen sicherstellen, dass es »keine wirtschaftsbezogene Ausspähung, d. h. keine Ausspähung ökonomisch nutzbaren geistigen Eigentums« geben soll, heißt es in einem »Fortschrittsbericht« der Ministerien für Inneres und Wirtschaft.

Diese Zusicherung gebe es bereits mündlich aus Washington. Dennoch setze man die Gespräche mit den USA fort, heißt es in dem Bericht über »Maßnahmen zu einem besseren Schutz der Privatsphäre«.

Schwammig genannt wurden weitere Punkte des geplanten Abkommens: Man wolle keine Verletzung des jeweiligen nationalen Rechts sowie keine Ausspähung von Regierung, Behörden, diplomatischen Vertretungen. Gegenseitig ausgeschlossen werden soll Spionage, die gegen die Interessen des jeweils anderen Landes gerichtet ist, eine entsprechende Datensammlung soll es nicht geben. Futur-Gerede – die Verhandlungen zwischen den Geheimdienstchefs über das Abkommen sollen in Kürze beginnen.

»Wenn Chefs von Spionagediensten ein Anti-Spionage-Abkommen aushandeln, ist das als ob Frösche mithelfen, den eigenen Teich trockenzulegen«, twitterte gestern Vize-SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Der erzählte zwar in den vergangenen Wochen zu dem vom Whistleblower Edward Snowden offengelegten Spitzelskandal viel Halbgares, weil seine Partei glaubte, damit Wahlkampf machen zu können – doch der Vergleich trifft zu.

Oppermann, zugleich Chef des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr), verwies darauf, dass noch immer keine Klarheit über das US-Ausspähprogramm »Prism« herrsche, mit dem Berichten zufolge Daten von Bundesbürgern gesammelt und ausgewertet werden.

Über die Rolle des BND in der Affäre wird weiter geschwiegen, nachdem die Union die SPD bezichtigt hat, dass deren Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier als damaliger Kanzleramtschef die Vereinbarung »Memorandum of Agreement« gebilligt habe. Es ist seither Grundlage der BND-NSA-Kooperation. Die SPD begründete das Abkommen mit notwendiger Solidarität nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA.

Die Akten des Kanzleramtes weisen jedoch aus, dass das Dokument bereits am 28. April 2001 – fast fünf Monate vor den Anschlägen in New York und Washington – unterschriftsbereit vorlag. Steinmeier hat es nachweislich am 24. Juli 2001 gebilligt.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 15. August 2013


Was soll die Aufregung?

Von René Heilig **

Gerhard Schmid wundert sich über so gut wie gar nichts mehr. Der einstige Vizepräsident des EU-Parlaments hatte am 5. September 2001 einen Bericht vorgelegt. Der bewies zweifelsfrei, dass die USA im Verbund mit Großbritannien und anderen Staaten weltweit Kommunikationsdaten abgreifen. Sechs Tage später flogen Flugzeuge in die Twin-Towers, Schmid konnte sich seine Warnungen ... Na, Sie wissen schon, die USA konnten ungestört weiter spitzeln – mit verbesserter Technik und Programmen, die jetzt »Prism« und »Tempora« heißen.

Mein Gott wie waren wir wieder mal überrascht! Jetzt steckt auch noch der BND mit drin? Klar, wegen der uneingeschränkten Solidarität, die der damalige Kanzler den USA versprochen hat. Was spielt es da für eine Rolle, dass das entsprechende Abkommen zwischen NSA und BND bereits Wochen vor den Anschlägen unterschrieben wurde?

Jüngst waren die Euro-Hawk-Spionagedrohnen noch ein Aufreger. Die gefährden ebenso wie ihre US-Schwestern den zivilen Flugverkehr. Was ist daraus geworden? Die Hersteller hatten beteuert, ganz fix notwendige Sicherheitssysteme nachrüsten zu können. Was geschieht? Kaum dass das Thema im Schwarzen Loch des Parlamentarismus archiviert wurde, stellte man in den USA die Arbeiten zur Entwicklung solcher Systeme ein. Irgendwie kann man Gerhard Schmid verstehen. Oder?

** Aus: neues deutschland, Donnerstag, 15. August 2013 (Kommentar)


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