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Hat Bush CIA-Killer nach Hamburg geschickt?

US-Geheimdienst wollte angeblich Deutsch-Syrer ermorden / Bundesregierung tut ahnungslos

Von René Heilig *

Tatort Hamburg. Die CIA wollte den deutsch-syrischen Kaufmann Mamoun Darkazanli liquidieren. Das zumindest berichtet das US-Magazin »Vanity Fair«. Die Bundesregierung schweigt.

Gegen den in Hamburg lebenden Darkazanli war nach den Anschlägen vom 11. September 2001 auch in Deutschland ermittelt worden. Die Bundesanwaltschaft stellte ihre Nachforschungen jedoch Mitte 2006 ein. Grund: Es gab keine Indizien für eine finanzielle und logistische Unterstützung des Terrornetzwerkes Al Qaida.

Ein Ersuchen Spaniens, den Mann ausliefern zu lassen, lehnten die deutschen Behörden ein Jahr darauf auf Anweisung des Bundesjustizministeriums ab. Doch die fehlenden Beweise waren für die CIA kein Grund, eigene Ziele aufzugeben. Der US-Geheimdienst hat angeblich weiter gezielt Darkazanlis Ermordung geplant. Agenten observierten den Mann wochenlang in Hamburg – ohne dass die deutschen Behörden informiert waren. Kein Wunder, denn auch der dortige CIA-Stationsleiter war nicht eingeweiht.

Die CIA soll mit der privaten Sicherheitsfirma »Blackwater« (heute als »Xe« bekannt) kooperiert haben, die das Wohlwollen des ehemaligen US-Vizepräsidenten Dick Cheney genoss. Doch auch dessen Chef, der ehemalige US-Präsident George Bush, muss von der Mord-Operation gewusst haben, denn seit den 70er Jahren gab es eine präsidiale Anweisung, dass die US-Geheimdienste Tötungsoperationen nur mit Zustimmung des Weißen Hauses durchführen dürfen.

Deutschland ist für US-Dienste ein offenes Terrain. Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom vermutet, dass in Frankfurt am Main rund 200 CIA-Agenten arbeiten, bei der Berliner Botschaft sind rund 100 beschäftigt, die Stationen Hamburg und München hat man mit jeweils 25 US-Schnüfflern bemannt. Hinzu kommen die Agenten des Pentagon-Geheimdienstes DIA und Experten der NSA sowie anderer Dienste.

Der Bundesregierung ist angeblich kein derartiges Komplott bekannt. Seltsam. Schließlich wurde ihr spätestens durch Aussagen im sogenannten BND-Untersuchungsausschuss bekannt, dass die US-Verbündeten ohne Beachtung der deutschen Souveränität agieren. Während US-Geheimdienstler nach den Anschlägen vom 11. September gerade in Hamburg als FBI-Beamte offiziell in deutsche Ermittlungsteams eingegliedert wurden, traten vermutlich andere beispielsweise in Neu-Ulm unter »fremder Flagge« in Erscheinung. Es gibt Aussagen, wonach sie ahnungslose Rentner überredeten, ihre Wohnung als Observationsstützpunkt zur Verfügung zu stellen. Dabei hätten die angeblichen deutschen Kriminalbeamten verhüllte Gegenstände mitgeführt, die einem Scharfschützengewehr geähnelt hätten. Das alles müssen die Ex-Kanzleramtschefs Frank-Walter Steinmeier, heute SPD-Fraktionschef, und Thomas de Maizière, heute Bundesinnenminister der CDU, wissen – oder schleunigst in Erfahrung bringen.

Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele, Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium zur Aufsicht über die Geheimdienste, forderte schnelle Aufklärung. Jan Korte, Innenexperte der Linksfraktion, unterstützt das, doch er will den Vorgang »aus dem Geheimen« in den Innenausschuss ziehen. »Schließlich hat die Öffentlichkeit ein Recht auf Wahrheit.« Auch SPD und Union haben Fragen.

Die »von oben« weisungsgebundene Staatsanwaltschaft Hamburg prüft unterdessen die Vorwürfe.

* Aus: Neues Deutschland, 6. Januar 2010


Vorbeugend aufgeregt

Deutsche Politiker empört über angebliche Mordpläne der CIA gegen Hamburger Kaufmann. US-Geheimdienst wollte Darkazanli 1999 als Agenten anwerben

Von Knut Mellenthin **


Auffallend heftig haben deutsche Politiker zu Wochenbeginn auf Berichte reagiert, wonach die CIA im Jahre 2004 versucht haben soll, den Hamburger Kaufmann Mamoun Darkazanli wegen angeblicher »Terrorkontakte« zu ermorden. Das war, versteckt in einem mehrere Seiten langen Artikel, in der jüngsten Ausgabe des US-amerikanischen Magazins Vanity Fair behauptet worden, der schon vor Weihnachten im Internet zu lesen war, aber in Deutschland erst jetzt Beachtung fand.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, forderte am Dienstag, das Bundesinnenministerium müsse in der nächsten Sitzung des Innenausschusses einen Bericht über seine Erkenntnisse zu dem Zeitungsbericht abgeben. »Wenn sich das bestätigt, war es nichts anderes als ein Mordkomplott. (…) Wenn auch nur ein Fünkchen davon wahr ist, dann wackelt hier die Wand«, drohte der SPD-Parlamentarier. Empört gab sich auch sein CDU-Kollege Wolfgang Bosbach, der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag: »Das wäre atemberaubend. (…) Wir werden die Bundesregierung fragen, welche Erkenntnisse ihr dazu vorliegen.«

Die hat indessen schon hilflos mit den Schultern gezuckt. »Mir ist dazu nichts bekannt«, zitierte Spiegel on­line den stellvertretenden Regierungssprecher Christoph Steegmans. »Uns liegen und lagen keine Erkenntnisse zu dem Fall vor«, bekundete das Bundesinnenministerium gegenüber dem Nachrichtenmagazin. Auch die Hamburger Innenbehörde und das Landesamt für Verfassungsschutz haben nach eigenen Aussagen »keine Erkentnisse«.

Die vorbeugende Aufregung von CDU und SPD ist also billig zu haben und wird voraussichtlich zu nichts führen, zumal die Nachrichtenlage denkbar dünn ist: Vanity Fair stützte seine Darstellung über die Hamburger Mord­aktion nur auf die Aussagen eines einzigen anonymen Zeugen, der als »mit dem Programm vertraute Quelle« umschrieben wurde. Wobei mit »Programm« eine nach dem 11.September 2001 von Präsident George W. Bush angeordnete Mordkampagne der CIA gemeint ist, deren Ausführung zu großen Teilen dem Privatunternehmen Blackwater übertragen wurde. Gerade angesichts der Schwäche der Behauptung des US-Magazins macht die eilige Reaktion der Berliner Politiker deutlich, daß man dem »großen Bruder« jenseits des Atlantiks wirklich das Allerschlimmste zutraut – und aufgrund von Insiderwissen über dessen Methoden wohl auch allen Grund für diese Annahme hat.

Interessant sind in diesem Zusammenhang die früheren Berichte, wonach die CIA im Jahre 1999 versucht haben soll, den aus Syrien stammenden Darkazanli als Agenten anzuwerben. Wie die Chicago Tribune am 16. November 2002 in einem ausführlichen Artikel behauptete, soll es deswegen zu heftigen Auseinandersetzungen mit deutschen Behörden gekommen sein. Nach deutschem Recht dürfen ausländische Dienste hierzulande nicht selbständig rekrutieren.

Deshalb sei, der Tribune zufolge, das Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz zweimal stellvertretend für die CIA an den Im- und Exportkaufmann, der infolge einer Heirat deutscher Staatsbürger ist, herangetreten. Da dies ebenso erfolglos blieb wie später die Einschaltung des Bundesamtes für Verfassungsschutz, scheint die CIA danach doch noch auf eigene Faust aktiv geworden zu sein, ohne jedoch Darkazanli für sich gewinnen zu können.

** Aus: junge Welt, 6. Januar 2010


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