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Beschränkte Akteneinsicht

Union und SPD werden NSA-Ausschuss ausbremsen

Von Fabian Lambeck *

Die Linksfraktion fürchtet, dass Union und SPD die Arbeit des NSA-Untersuchungsausschusses behindern werden. Erste Indizien zeigen, dass die Befürchtungen wohl berechtigt sind.

Heute nimmt der Untersuchungsausschuss zur NSA-Affäre seine Arbeit auf. In einem gemeinsamen Antrag hatten die Fraktionen von Union, SPD, LINKE und Grünen am 20. März die Einsetzung des Gremiums beschlossen. Der achtköpfige Ausschuss soll den Abhörskandal um den US-Geheimdienst NSA und die möglichen Verwicklungen deutscher Dienste »aufklären«. Doch bei Union und SPD will man offenbar verhindern, dass pikante Details über die Arbeit der Schlapphüte an die Öffentlichkeit dringen.

So befürchtet das stellvertretende Ausschussmitglied André Hahn (LINKE), dass nach dem Vorbild des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) der Ausschuss ein »zweites geheim tagendes Gremium« werden könnte. Das PKGr ist für die Kontrolle der deutschen Geheimdienste zuständig. Allerdings erfährt die Öffentlichkeit davon nicht viel, denn die Beratungen unterliegen strikter Geheimhaltung. Die Besetzung des NSA-Ausschussvorsitzes mit dem CDU-Abgeordneten Clemens Binninger ist kein gutes Omen. Schließlich leitet er auch das Parlamentarische Kontrollgremium. Hier bestehe die Gefahr, dass Binninger »das eine mit dem anderen verwechselt«, warnt Hahns Kollegin Martina Renner, die die LINKE im Ausschuss vertritt.

Besonders brisant: In der CDU gibt es offenbar Überlegungen, für die Mitarbeiter der Ausschussmitglieder die höchste Sicherheitsprüfung Ü3 einzufordern. »Keiner unserer Mitarbeiter hat eine Ü3«, so Hahn. Auch sei niemand bereit, sich der damit verbundenen Durchleuchtung des Privatlebens zu unterziehen. Zumal das Prozedere bis zu einem Jahr dauern könne. »Somit wären wir gar nicht in der Lage, alle Akten zu sichten. Man schränkt unsere Arbeitsfähigkeit ganz bewusst ein«, erklärt Hahn im Gespräch mit dieser Zeitung. »In allen anderen Ausschüssen reichte bislang die niedrigere Sicherheitsstufe Ü2. Selbst im PKGr können als ›Streng Geheim‹ eingestufte Dokumente gesichtet werden«, so der Linkspolitiker.

»Da muss was falsch angekommen sein«, meint ein Mitarbeiter von Clemens Binninger gegenüber »nd«. Es habe lediglich Hinweise von Experten gegeben, dass Akten mit dem Vermerk »Streng Geheim« eine entsprechende Sicherheitsüberprüfung Ü3 erforderten. »Das hängt von den Dokumenten ab, nicht von der CDU.« Die LINKE müsse sich eben um eine Ü3-Prüfung ihrer Angestellten bemühen.

Ein weiteres Problem für die Opposition: Zwar dürfen LINKE und Grüne Zeugen benennen, allerdings entscheidet die schwarz-rote Ausschussmehrheit, wann diese befragt werden. Hahn glaubt, dass Union und SPD »hier auf Zeit spielen«. So könne man unliebsame Zeugen erst am Ende des Befragungszeitraums vorladen. Vielleicht auch in der Hoffnung, dass man sie aus Zeitgründen nicht mehr anhören könne. Fakt ist: Ein großes Interesse können Union und SPD nicht daran haben, dass ihre Staatssekretäre und Geheimdienstchefs aussagen müssen. So will die LINKE etwa SPD-Außenminister Steinmeier befragen.

Einen kleinen Vorgeschmack auf die Kooperationsbereitschaft der Regierung gab nun Innenstaatssekretär Ole Schröder (CDU). Auf die schriftlich vorgelegte Frage des Bundestagsabgeordneten Jan Korte (LINKE), wie es um die Verhandlungen zu einem »No-Spy-Abkommen« zwischen EU-Mitgliedern stehe, antwortete Schröder, dass die »erbetenen Informationen« schutzbedürftig seien. Deshalb müsse »das Fragerecht der Abgeordneten gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse zurückstehen«. Eine Formel, die wohl auch die Ausschussmitglieder noch des öfteren zu hören kriegen.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 3. April 2014


Zweifelhafte Aufklärungsversuche

Bisher keine Antworten zur NSA-Spionage. Untersuchungsausschuß beginnt Arbeit **

Der Untersuchungsausschuß, der die Abhöraffäre durch den US-Geheimdienst NSA aufklären soll, startet am heutigen Donnerstag seine Arbeit. Als die Schnüffeleien im Sommer 2013 ans Licht kamen, schickte die Bundesregierung einige Fragenkataloge an die Amerikaner. Beantwortet wurden sie nie – bis heute. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage von Linksfraktionsvize Jan Korte hervor. Demnach übermittelte das Bundesinnenministerium am 11. Juni, am 26. August und am 24. Oktober 2013 Fragen an die US-Botschaft in Berlin. »Auf keines dieser Schreiben liegt bisher eine Antwort vor«, teilte die Regierung nun mit. Ähnlich erfolglos waren Anfragen an die Briten.

Korte kritisierte, die Regierung habe keinerlei Druck auf Amerikaner und Briten ausgeübt, die Fragen zu beantworten. »Einmal mehr wird das ganze Desinteresse und die Untätigkeit der Bundesregierung in Sachen NSA-Ausspähung deutlich«, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. »Diese Duldsamkeit ist nur mit Komplizenschaft zu begründen.« Der Linke-Innenpolitiker hatte die Bundesregierung auch gefragt, welche Gespräche oder Verhandlungen es mit den Amerikanern über ein »No-Spy-Abkommen« gegeben habe – und mit welchen Ergebnissen. Die Regierung erklärte dazu, es handele sich um einen laufenden Prozeß mit vertraulichen Gesprächen. Aus Gründen des Staatswohls könne es dazu keine weiteren Auskünfte geben.

Korte meinte, mit solch einem Hinweis werde jegliche Aufklärung verhindert: »So wird der Untersuchungsausschuß lediglich ein Feigenblatt ohne Wirkung und sein Auftrag, zu mehr Sicherheit für Grund- und Bürgerrechte zu kommen, ad absurdum geführt.« Bezeichnenderweise steht Clemens Binninger (CDU), der Vorsitzende des Ausschusses, einer Befragung des ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden, der die Affäre ins Rollen brachte, skeptisch gegenüber. Es gehe nicht darum, wer medial der spektakulärste Zeuge sei. Laut Binninger sollen in den ersten Wochen Sachverständige gehört, völkerrechtliche Zusammenhänge geklärt und Informationen über die Sicherheit im Netz eingeholt werden. Frühestens im Juni solle mit der Zeugenvernehmung und der Beweisaufnahme begonnen werden. Binninger rechnet nach eigenen Worten damit, daß das Gremium etwa zwei Jahre für die Aufklärung brauchen wird. Dem Ausschuß gehören sechs Abgeordnete der Koalition und zwei der Opposition an.

** Aus: junge Welt, Donnerstag, 3. April 2014


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