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BND lieferte Daten von Deutschen an NSA

LINKE und Grüne fordern Aufklärung über massenhafte Grundrechtsverstöße *

Aus Geheimunterlagen soll hervorgehen, dass der BND der NSA jahrelang Daten deutscher Bürger zuleitete. Die Opposition im Bundestag ist empört.

Die Linkspartei fordert Aufklärung über die mutmaßliche Datenweitergabe vom Bundesnachrichtendienst (BND) an den US-Geheimdienst NSA. LINKE-Chef Bernd Riexinger sagte, es erhärte sich der Verdacht, dass der BND »die deutsche Schnüffelfiliale der NSA ist«. Träfen die Vorwürfe zu, handele es sich um »massenhafte vorsätzliche Grundrechtsverstöße«, so der Linkspolitiker.

Laut Recherchen von NDR, WDR und »Süddeutscher Zeitung« hat der BND jahrelang Kommunikationsdaten deutscher Staatsbürger an die USA weitergegeben. Die Rohdaten wurden demnach von 2004 bis 2008 abgeschöpft und an die NSA übermittelt. Das gehe aus Unterlagen hervor, welche die Große Koalition dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages vorgelegt habe. Der Ausschuss versucht seit Monaten, Licht in die Zusammenarbeit deutscher und amerikanischer Nachrichtendienste zu bringen.

Die Grünen-Abgeordneten Konstantin von Notz und Hans-Christian Ströbele erklärten, es wäre ein »handfester Skandal«, wenn tatsächlich jahrelang Daten an die NSA weitergegeben wurden. Die von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verfolgte Argumentation, auf deutschem Boden gelte deutsches Recht, wäre damit falsch, betonten die Politiker. Das Kanzleramt hatte im Juli auf eine Anfrage von Ströbele verneint, dass der BND von 2004 bis 2007 Daten abgeschöpft und an die NSA weitergeleitet habe. Der Rechercheverbund hatte bereits damals über den Austausch zwischen den beiden Diensten berichtet. Die nun aufgetauchten Unterlagen sollen belegen, dass trotz eines vom BND verwendeten Filterprogramms mindestens fünf Prozent der deutschen Kommunikationsdaten nicht aussortiert werden konnten. Eine »absolute und fehlerfreie« Trennung zwischen deutscher und ausländischer Kommunikation sei nicht möglich gewesen, hieß es.

Die Dokumente deuteten auch darauf hin, »dass vermutlich weder die in Deutschland für Zugriffe auf Kommunikation zuständige G-10-Kommission noch das Parlamentarische Kontrollgremium von der Weitergabe der Daten an die NSA gewusst haben«. Die Operation genehmigte dem Bericht zufolge der damalige Kanzleramtsminister von Rot-Grün und heutige Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD).

Am Internetknoten De-Cix in Frankfurt am Main, dem größten Datenaustauschpunkt der Welt, kommen die Datenströme der Internetanbieter und Unternehmen zusammen und werden auf dem Weg zu ihren jeweiligen Zieladressen weitergeleitet. Ausländische Geheimdienste haben nach Angaben der Betreiber keinen Zugriff. Der BND darf die Daten jedoch überwachen.

Der BND wollte sich auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa zu dem Bericht nicht äußern: Aus grundsätzlichen Erwägungen, aber auch aus Respekt vor der parlamentarischen Aufarbeitung der sogenannten NSA-Affäre berichte man ausschließlich der Regierung und den zuständigen Gremien des Bundestages, sagte ein BND-Sprecher.

* Aus: neues deutschland, Montag, 6. Oktober 2014


"Schnüffelfiliale der NSA"

BND übermittelte Daten deutscher Internetnutzer an US-Geheimdienst **

Im Zuge der Zusammenarbeit mit dem US-Auslandsgeheimdienst National Security Agency (NSA) hat der Bundesnachrichtendienst (BND) jahrelang Daten deutscher Staatsbürger weitergereicht. Das gehe aus streng geheimen Unterlagen hervor, die die Bundesregierung dem Untersuchungsausschuss des Bundestags zur NSA-Affäre vorgelegt habe, berichteten NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung (SZ am Sonnabend). Es gehe um Daten, die der BND zwischen 2004 und 2008 am Internetknotenpunkt in Frankfurt am Main abgegriffen habe. Ein Programm habe zwar die Daten deutscher Internetnutzer herausfiltern sollen. In den Unterlagen heiße es aber, dass eine »absolute und fehlerfreie« Trennung zwischen deutscher und ausländischer Kommunikation nicht möglich gewesen sei. Der BND wollte sich auf Anfrage zu dem Bericht nicht äußern.

Am Frankfurter Internetknoten De-Cix, dem weltweit größten Austauschpunkt, kommen die Datenströme der Internetanbieter und Unternehmen zusammen und werden zu ihren Zieladressen weitergeleitet. Bereits im Juni wurde bekannt, dass der BND zwischen 2004 und 2007 in Frankfurt abgegriffene Daten an die NSA weitergeleitet haben soll. Damals hieß es aber, Daten deutscher Bürger seien nicht darunter gewesen. Der NSA-Ausschuss forderte nach den Enthüllungen neue Unterlagen an.

Nun heißt es unter Berufung auf die geheimen Papiere, BND-interne Prüfungen hätten schon zu Beginn der Übermittlungen gezeigt, dass mindestens fünf Prozent der deutschen Kommunikationsdaten nicht heraussortiert werden konnten. Die Dokumente deuteten auch darauf hin, »dass vermutlich weder die in Deutschland für Zugriffe auf Kommunikation zuständige G-10-Kommission noch das Parlamentarische Kontrollgremium von der Weitergabe der Daten an die NSA gewusst haben«. Die Operation genehmigte dem Bericht zufolge der damalige Kanzleramtsminister von »Rot-Grün«, Frank-Walter Steinmeier (SPD). Linksparteichef Bernd Riexinger forderte die Regierung auf, den Sachverhalt rasch aufzuklären. »Wir reden hier immerhin von massenhaften vorsätzlichen Grundrechtsverstößen«, sagte er dem Handelsblatt (Onlineausgabe).

** Aus: junge Welt, Montag, 6. Oktober 2014


Bewusster Rechtsbruch

Ines Wallrodt über den BND als Unterabteilung des NSA ***

Geheimdienste sind demokratiefeindliche Apparate. Das ist dem Gesetzgeber bewusst. Aber – so sein Versprechen – es gibt ja demokratisch legitimierte Kontrollen, die die Geheimdienste an die Gesetze rückbinden und quasi vormundschaftlich die Rechte der Bürger verteidigen. Alles Quatsch. Der BND (und sicher nicht nur dieser) hält sich nicht an Recht und Gesetz und entzieht sich der Kontrolle. Jahrelang übermittelte er unbesehen Daten deutscher Staatsbürger an den US-Geheimdienst NSA. Was die USA damit anfangen, interessierte ihn nicht: verschärfte Grenzverhöre, Einreiseverbote, Kidnapping wie im Fall von Khaled El Masri oder gleich Drohnenbeschuss? Der BND informierte darüber weder die für Grundrechtseingriffe ins Fernmeldegeheimnis zuständige G-10-Kommission des Bundestags noch das Parlamentarische Kontrollgremium. All das ist klar rechtswidrig. All das muss scharf kritisiert werden.

Aber das reicht nicht. Die gesamte parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste ist eine Chimäre. Und die Innenminister und Sicherheitspolitiker, die ihnen in den vergangenen Jahren mehr und mehr Macht gaben, wissen das. Die Rechte einzelner Bürger waren ihnen dabei herzlich egal. Deshalb bleiben trotz immer neuer Belege, dass sich geheim operierende Apparate nicht kontrollieren lassen, die Konsequenzen aus. Das Problem ist nicht nur ein ungebändigter Geheimdienst, das Problem sind auch politische Entscheider, die ungerührt Bürger ans Messer liefern.

*** Aus: neues deutschland, Montag, 6. Oktober 2014 (Kommentar)


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