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Acht gegen NSA & Co. KG

Bundestagsfraktionen einigten sich auf gemeinsamen Auftrag für Untersuchungsausschuss

Von René Heilig *

Alle Fraktionen des Bundestages haben sich auf einen Untersuchungsausschuss geeinigt, um den NSA-Spionageskandal auszuleuchten.

Donnerstag, 18 Uhr. Die Runde der Parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktionen erzielen Einigkeit darüber, dass es einen NSA-Untersuchungsausschuss – so der Arbeitstitel – geben wird. Mehr noch, man war sich sogar über den Wortlaut des gemeinsamen Antrages einig, den man in dieser Woche im Parlament bestätigen lassen will. Das ging schneller als erwartet. Denn die vier Fraktionen debattierten in den vergangenen Wochen insgesamt über 32 verschiedene Fassungen eines möglichen Untersuchungsauftrages.

Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU) begrüßt, dass sich Koalition und Opposition auf einen gemeinsamen Antrag geeinigt haben. Das stärke den Untersuchungsauftrag und sei ein gutes Signal für den Schutz von Bürgerrechten. Dass Union und SPD sich bereitgefunden haben, den relativ weit gehenden Forderungen von Linksfraktion und Grünen zu folgen, hat auch mit der tiefen Verunsicherung der Wirtschaft zu tun, die ihre Interessen von der Regierung besser geschützt sehen will.

Was immer die Motive auch sind: »Es geht letztlich um nicht weniger als die Sicherung der Grundrechte in der digitalen Welt«, meint Konstantin von Notz. Der Grünen-Innenexperte ist ebenso wie die Zuständigen in der Linksfraktion zufrieden mit der nun zur Abstimmung stehenden Handlungsanweisung für den achtköpfigen Ausschuss. Auch diese Zahl ist wichtig, denn sie bedeutet, dass die beiden Oppositionsparteien je einen Abgeordneten (sowie je einen Stellvertreter) in den Ausschuss entsenden können. Beide gemeinsam haben dann mit 25 Prozent Anteil die notwendige Stärke, um Beweisanträge zu stellen und Zeugen auf die Ladungsliste zu setzen.

Die Ausschussmitglieder sollen insbesondere klären, »ob, in welcher Weise und in welchem Umfang« durch Nachrichtendienste der USA, Großbritanniens, Kanadas, Australiens und Neuseelands (also durch das »Five-Eyes«-Bündnis) eine Ausspähung, Auswertung und Weitergabe deutscher Daten stattgefunden hat. Zudem interessiert, ob diplomatische Vertretungen und militärische Standorte genutzt wurden, »um Daten über Kommunikations- und Datenverarbeitungsvorgänge und deren Inhalte zu gewinnen«.

Natürlich macht sich niemand Illusionen über die Bereitschaft der US-und der britischen Behörden, an der Aufklärung des von ihnen maßgeblich verursachten Skandals mitzuarbeiten. Weder weltweit noch in Deutschland. Umso wichtiger sind Untersuchungen zur Arbeit der deutschen Geheimdienste, die mit den alliierten Spionen engstens verwoben sind und selbst von deren illegalen Praktiken profitieren.

Der Antrag beinhaltet in drei Abschnitten 31 Fragekomplexe. Dabei geht es um technisch wie rechtlich anspruchsvolle Themen. Es ist also davon auszugehen, dass die Ausschussarbeit erst zum Ende der Legislaturperiode beendet sein wird.

Die Abgeordneten können sich auf solide Vorarbeiten stützen – die des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden, der die Aufklärung des globalen Spionageskandals maßgeblich bestimmt hat. Er ist bereit zur Aussage, betont der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele, der Snowden vor einigen Wochen in Moskau getroffen hat. Allerdings wolle Snowden in Deutschland aussagen – unter sicheren Bedingungen und mit der Möglichkeit, anschließend hier auch leben zu dürfen.

Das bringt die Bundesregierung in ein Dilemma: Entweder sie folgt der Forderung des US-Verbündeten nach Auslieferung des Whistleblowers und behindert so ganz nebenbei die demokratische Aufarbeitung eines politischen Verbrechens, oder sie schlägt sich auf die Seite des Zeugen und seiner Befrager. »Die Bundesregierung ist verpflichtet, die Aussage von Snowden zu ermöglichen«, betont Ströbele und meint: Die Entscheidung liege letztlich bei Kanzlerin Angela Merkel, der in Sachen Untersuchungsausschussarbeit gewiss zu den erfahrensten Abgeordneten zählt.

Auch Merkel wird, so bestätigen Grünen- wie Linksabgeordnete, eine Zeugenladung erhalten. Wer sie dann befragen wird, ist in den Fraktionen noch nicht endgültig geklärt. Gemunkelt wird, dass der CDU-Abgeordnete Clemens Binniger den Ausschuss leiten wird. Die Grünen wollen vermutlich von Notz als Nummer eins setzen, Martina Renner vertritt die Linksfraktion.

* Aus: neues deutschland, Montag, 17. März 2014


Der Traum von kontrollierten Diensten

Parlamentarisches Gremium gönnt sich mehr Personal

Von René Heilig **


Das Parlamentarische Gremium zur Kontrolle der Geheimdienste (PKGr) habe sich, so heißt es, auf eine großzügigere Handhabung der Geschäftsordnung geeinigt. Nun will man wirklich tun, was im Titel der Truppe steht: die Geheimdienste kontrollieren.

Man kann das glauben, muss es aber nicht. Denn was die Kontrolleure wann wie und mit welchem Ergebnis kontrollieren, ist geheim. Und damit es auch so bleibt, wird nicht einmal protokolliert, was im abhörsicheren Raum gesprochen wird. Nun soll es im Einzelfall ein Tonbandprotokoll geben können.

Vager kann man sich nicht festlegen. Doch klar ist: Die Mitglieder sind weiter zur totalen Verschwiegenheit verpflichtet. Dafür dürfen sie nach allem fragen. Falls sie Fragen haben. Ob sie welche haben, richtet sich danach, was Medien über die Arbeit von Bundesnachrichtendienst, Bundesverfassungsschutz und Militärischem Abschirmdienst herausfinden. Selbst altgediente Mitglieder des Gremiums können sich nicht erinnern, dass die Regierung einmal von selbst gekommen wäre und gesagt hätte: Wir haben da ein Problem ...

Bisher, so der neue PKGr-Chef Clemens Binninger (CDU), fehlen die personellen und zeitlichen Ressourcen, um die Instrumente zu nutzen, die das Gesetz bereits heute vorsieht. Also will man sich demnächst mehr Mitarbeiter gönnen. Von den bisher fünf mit Büroarbeit beschäftigten wird man zwei für inhaltliche Arbeit abstellen und diesen »Mitarbeiterstab« um weitere drei Stellen erweitern. Die per Ausschreibung gesuchten Mitarbeiter sollen befugt sein, vor Ort bei den Diensten Unterlagen einzusehen oder Befragungen vorzunehmen. Fünf Rechercheure ermitteln, was rund 10 000 Agenten bundes- wie weltweit verbocken? Toll!

Jedes PKGr-Mitglied kann demnächst Rechercheanträge einbringen. Ob daraus Aufträge werden, entscheidet die Mehrheit. Die Möglichkeiten, den jährlichen Gremiumsbericht durch Sondervoten ergänzen zu können, ist keine weitere Erwähnung wert, denn in dem Bericht steht inhaltlich ohnehin nichts.

** Aus: neues deutschland, Montag, 17. März 2014


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