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"Die Armut ist in die Metropolen zurückgekehrt"

Rede Ilona Plattner, Mitglied im bundesweiten Attac-Koordinierungskreis, am 3. April in Berlin

Im Folgenden dokumentieren wir die Rede, die Giorgio Caprioli, Generalsekretär der FIM CISL (Italienischer Arbeitergewerkschaftsbund/Metall und Maschinenbau), auf der Großkundgebung gegen Sozialabbau am 3. April in Stuttgart gehalten hat.


Liebe Freundinnen und Freunde,

Agenda 2010 setzt nun auch bei uns jene globale Enteignungs- und Verarmungspolitik durch, die den Ländern des Südens bereits seit zwei Jahrzehnten aufgezwungen wird. Enteignung, weil der weltweit produzierte Reichtum nicht den Menschen zugute kommt die ihn erarbeiten. Enteignung, weil mit der Privatisierung öffentlicher Güter und Dienste – wie Gesundheit, Rente, Bildung, Kultur und Wasser – die Profitbeschleunigungsmaschine auf Touren gehalten wird, weil jede noch so kleine menschliche Handreichung zur Ware pervertiert. Verarmung, weil diese Politik Milliarden VerliererInnen hervorbringt, weil wir alle – die Allgemeinheit – die Kosten zu tragen haben während der Gewinn privatisiert wird. Die Kluft zwischen den Ausgeschlossenen und den Privilegierten weitet sich aus.

Ein grundlegendes Merkmal dieses Systems ist, dass der Wohlstand einiger Weniger auf der Ausbeutung vieler Anderer und der natürlichen Reichtümer der Erde beruht. Schienen die Ausgeschlossenen, die vielen Anderen bis vor kurzem noch weit weg, so müssen wir heute feststellen: die Armut ist in die Metropolen zurückgekehrt.

Der individualisierte Überlebenskampf reißt alle in seinen Sog. Alte werden gegen Junge ausgespielt, Frauen gegen Männer, Erwerbslose gegen Erwerbstätige, AusländerInnen gegen InländerInnen. Rücksichtslos werden staatliche Zwangsmaßnahmen gegen alle verstärkt, die der gnadenlosen Konkurrenz zum Opfer fallen. In der Folge verschärfen sich Nationalismus, Rassismus, Sexismus und Fundamentalismen aller Art. Solche Verhältnisse produzieren unablässig Gewalt. Solche Verhältnisse sind – auf Dauer – nur mit Gewalt aufrecht zu erhalten. Militärische Interventionen, Präventivkriege werden zu Mitteln der Politik, Aufrüstung zur Pflicht.

Liebe Freundinnen und Freunde,

In so einer Welt wollen und können wir nicht leben. Wir werden jede Chance nutzen um diese Verhältnisse zu verändern. Mit Agenda 2010 übertrifft die Rot-Grüne Bundesregierung alles, was sich ihre Vorgänger jemals geleistet haben. Noch nie ist eine Bundesregierung den Interessen der Unternehmen und Reichen so zu Diensten gewesen wie die von Schröder, Fischer, Clement und Co. Gerade hat Rot-Grün den Klimaschutz – nachhaltig – aufs Spiel gesetzt. Regierung und Opposition stehen fest auf ihrem neoliberalen Grundkonsens. Diese Politik, zusammen mit dem hemmungslosen Einsatz der technischen Entwicklung hat uns an den Rand sozialer und ökologischer Katastrophen gebracht.

Deshalb ist es höchste Zeit die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, gemeinsam mit allen emanzipatorischen Bewegungen – den Erwerbslosen, den MigrantInnen, den Studierenden, der Frauenbewegung, den Gewerkschaften und vielen anderen – hier und weltweit. Internationale Handlungsfähigkeit gepaart mit Aneignung vor Ort wird uns zum Erfolg führen.

Schluss und zurück mit Agenda 2010, Schluss mit Enteignung und Verarmung.

Wir wollen international verbindliche soziale und ökologische Regeln. Wir wollen eine drastische Arbeitszeitverkürzung und existenzsichernde Löhne.

Wir wollen eine geschlechtergerechte Verteilung der Erwerbs- und Familienarbeit. Wir wollen eine solidarische Bürgerversicherung und Steuergerechtigkeit – Steueroasen müssen geschlossen werden.

Und wir wollen einen bedingungslosen Schuldenerlass für die Länder des Südens. All das und noch vieles mehr, was menschliche Kreativität hervorzubringen vermag wird die gesellschaftlichen Koordinaten verändern. Eine gerechte, friedliche und freie Welt ist möglich, eine Welt in der das Recht auf Teilhabe an Wohlstand, Wissen und Kultur selbstverständlich ist.

Wir werden die politische Arena erweitern, wir werden Räume schaffen um unsere Perspektiven zu realisieren. Selbst kleine Aktionen können weite Kreise ziehen.

Es gibt eine neue Macht in der Welt. Sie ist international, sie ist schnell, vielfältig, kreativ und sie taucht überall dort auf wo sie gebraucht wird. Wir sind Teil dieser anderen Kraft, dieser neuen, alternativen Weltöffentlichkeit – für ein anderes Leben – für eine andere Welt.

Noch nie gab es so viel Reichtum wie heute!

Es ist genug für alle da!

Quelle: www.attac.de


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