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Ökonomische Interessen an Rüstung und Militär

Thesen für die friedenspolitische Konferenz der GEW "EUROPA MACHT FRIEDEN"

Von Horst Bethge

1. Rüstung und Militär (Bundeswehr) haben eine starke gesellschaftliche Abstützung durch....
  1. den „militärisch-industriellen Komplex (MIK), das ist
    • die Rüstungsindustrie innerhalb großer Konzerne und mittlerer Betriebe
    • ihnen verbundene Publizisten, Journalisten, Medien
    • Regierungsstellen von der Bundeswehr bis hin zu Zivilschutz-Beauftragte in den Kommunen
    • Wissenschaftler aller Disziplinen, die durch Drittmittel gebunden sind
    • Reserveoffiziere mit weitreichenden Verbindungen in die Gesellschaft (Reservi- stenverband und Traditionsvereinen)
    • Arbeitskreise aller Art – vom entsprechenden Arbeitskreis der Betriebsräte von Rüstungsbetrieben ist zu Ausschüssen bei Handelskammer und Wirtschaftsverbän- den (BDI) und Bundeswehr/Schule
  2. Mehr im Verborgenen übt der MIK einormen politischen Einfluss und Druck aus.
  3. Hohe Profitraten. So realisiert EADS/Airbus eine von 20 % auf das eingesetzte Kapital, während z. B. die Autoindustrie um eine von 15 % ringt und der Einzelhandel mit 3 % vorlieb nehmen muss.
  4. Regierungstätigkeit, die als Produktwerbung, Großabnehmer und Risikoabschirmung der Rüstungsindustrie Wettbewerbsvorteile verschafft. So hat die Bundesregierung 543 Mill. € Zinsaufwand für Kredite allein für den Militärairbus A 400 M übernommen, ein durchaus übliches Verfahren in der Rüstungsindustrie.
  5. Subventionierung von Forschungs- und Entwicklungskosten aus dem Staatshaushalt. So wurden allein für den A 400 M 5 Mrd € an Entwicklungskosten bezahlt. Auch dies ein übliches Verfahren.
  6. Die Möglichkeit der konzern- oder firmeninternen Quersubventionierung, die andere Konzerne und Firmen ohne Rüstungsproduktion nicht haben, da viele Entwicklungen sowohl zivil wie militärisch genutzt werden können (dual use), z.B. parallele Entwicklung des Airbus A 380 und A 400 M oder neuer Werkstoffe (wieder Beispiel Airbus: Kohle-Faser-Verbünde (40 % des Flugzeug- Materials), GLARE (10mal leichter als Aluminium).
2. Vor allem das immer wieder kolportierte Märchen, dass Rüstung Arbeitsplätze schaffe, verschafft der Rüstungswirtschaft auch in Krisenzeiten zusätzliche Legitimation. Dabei weisen internationale Untersuchungen nach, dass z.B. 1 Mrd $, die in Rüstung oder das Gesundheits- und Bildungswesen investiert werden, bei letzterem 2-3mal so viele Arbeitsplätze schaffen würden. Die in mehreren Firmen (HDW, Atlas, Blohm u. Voß, Fokker) eingerichteten Arbeitskreise Alternativer Fertigung haben firmenbezogene Produktpaletten aufgestellt, dass ohne Verlust von Arbeitsplätzen zivile Produkte in denselben Firmen mit demselben know-how der Belegschaft hergestellt werden können. Die Verständigung bei EADS/Airbus in Hamburg ist zuletzt daran gescheitert, dass EADS vertraglich nicht zusichern wollte, 100 zusätzliche Arbeitsplätze einzurichten.

3. „Rüstung tötet auch im Frieden“ heißt ein Spruch der Friedensbewegung. Das meint, dass Rüstung der Entwicklung des Sozialstaates, der Bildung und dem Gesundheitswesen nicht nur in der 3. Welt permanent Mittel entzieht. 50 % der Weltforschungskapazität ist durch Rüstungs- und Kriegsforschung gebunden. Während der Anteil der Bildungsausgaben in der BRD laut OECD von 1999 bis 2004 von 5,6 auf 5,3 % des BIP sank, haben sich allein die Kosten der Auslands-Militäreinsätze von 1998 bis 2002 von 178 Mill € auf 1,5 Mrd € verachtfacht.

4. Gewerkschafts- und Friedensbewegung müssen die Aufklärung und öffentliche Diskussion über den MIK und die Rüstungswirtschaft verstärken, wollen sie der Abrüstung den Boden bereiten. Die moralische, politische und völkerrechtliche Argumentation müsste um die ökonomische ergänzt und erweitert werden. Dazu können auch die Bildungseinrichtungen beitragen durch Projekte wie „Rüstung in der Region/Stadt“ oder „Wir besuchen die Rüstungsfirma XY im Ort“ oder „Antimilitaristische Stadt-/Hafenrundfahrten“. Aktualisiert werden könnten auch Rüstungsregister und –atlanten oder Schaubilder von Panzern und Kriegsschiffen, in denen Lampen an den Systemkompetenten zum Leuchten gebracht werden könnten, die zivil nutzbare Komponenten sichtbar machen.

5. Konversion ist kein Selbstlauf, sondern kann nur durch breiten regionalen und lokalen Druck vorbereitet werden, der zur Einrichtung von Konversionsstellen / -agenturen führt, die dann staatliche Anschubfinanzierung erhalten (Beispiel Bremen, NRW (BICC)). Hier liegt eine wichtige Aufgabe der Gewerkschaften brach.

* PädagogInnen f. d. Frieden, GEW HH A.f.Friedenserziehung, Mitgl. Bundesausschuss Friedenratschlag, Sprecherrat AG Bild.pol. b. Parteivorstand der PDS

Die GEW-Konferenz in Berlin fand am 18./19. März 2005 statt.
Weitere Beiträge von der Konferenz, die wir dokumentiert haben:
Zivilgesellschaft und Friedenssicherung. Von Peter Strutynski
Krieg und ökonomische Interessen. Von Lühr Henken


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