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"Gefragt ist Kriegsprävention an Stelle von Präventivkriegen"

Erklärung des IG Metall-Vorstandes zu einem drohenden Irak-Krieg

Im Folgenden dokumentieren wir eine Erklärung der IG Matall zum drohenden Irak-Krieg vom 14. Januar 2003. Die Erklärung kommt einen Tag nach einer ähnlichen Stellungnahme, die der DGB-Bundesvorstand verabschiedet hat. Beide Erklärungen deuten darauf hin, dass Bewegung in die gewerkschaftliche Diskussion gekommen ist.


Viele Anzeichen sprechen dafür, dass der Welt eine neue Stufe der Eskalation von militärischer Gewalt mit unkalkulierbaren wirtschaftlichen und politischen Risiken und humanitären Katastrophen droht. Unter Führung der USA wird eine gewaltige Kriegsmaschinerie in Gang gesetzt. Es laufen vielfältige militärische Vorbereitungen, die einen Krieg gegen den Irak immer wahrscheinlicher machen. Der Vorstand der IG Metall teilt die Sorgen und Befürchtungen vieler Menschen bei uns und weltweit vor einer militärischen Auseinandersetzung. Gleichzeitig unterstützen wir alle politischen Bemühungen und diplomatischen Anstrengungen, die das Ziel verfolgen, die Produktion, Verbreitung und Anwendung von ABC-Waffen zu verhindern.

Über den undemokratischen, menschenrechtsverletzenden und gefährlichen Charakter des Terror-Regimes Saddam Husseins bestehen keine Zweifel. Dieses Regime missachtet Beschlüsse des UN-Sicherheitsrates, ignoriert internationale Abkommen und verstößt gegen völkerrechtliche Abmachungen. Verfolgung, Folterung und Tötung von Menschen, die in Opposition zu seinem Regime stehen, verdeutlichen seinen totalitären Machtanspruch und sichern eine undemokratische Herrschaftspraxis. Saddam Hussein hat Krieg geführt gegen Minderheiten in seinem eigenen Land und bedroht die Existenz Israels. Befürchtungen hinsichtlich seiner Fähigkeit, atomare, biologische und chemische Massenvernichtungswaffen zu produzieren, der Bereitschaft, sie zu verbreiten, sowie der Gefahr, sie auch gezielt einzusetzen, sind durch den Waffenbericht des Irak und die Tätigkeit der UN - Waffeninspekteure nicht ausgeräumt. Die mögliche Anwendung von Massenvernichtungswaffen gefährdet die prekäre Stabilität in der Region zusätzlich und ist eine Gefahr für den Weltfrieden.

Mit den brutalen Anschlägen vom 11.September 2001 und weiteren Attentaten danach ist offensichtlich geworden, dass die Bedrohung des Weltfriedens durch transnationalen Terrorismus zugenommen hat. Massenvernichtungswaffen in den Händen von Terror-Regimen stellen ebenfalls eine äußerst ernste Gefährdung dar. Die innere und äußere Sicherheit von Staaten und Gesellschaften ist gefährdeter denn je. Diese neuen Formen von Bedrohung erfordern angemessene Antworten der Staatengemeinschaft. Wir lehnen jedoch jeden Versuch einzelner Länder oder Staatengruppen, egal in welcher Region der Welt, entschieden ab, globale militärische Überlegenheit zu beanspruchen und das Mittel des Präventivkrieges wieder anzuwenden. Denn dies führt nicht zu mehr Sicherheit, sondern vergrößert die Gefahr, dass rechtlose Kriegführung die zivile Lösung von Konflikten ersetzt. Gefragt ist Kriegsprävention an Stelle von Präventivkriegen. Daher fordert die IG Metall alle Staaten auf, ihr Handeln nicht nach ökonomischen, machtpolitischen und geostrategischen Gesichtspunkten auszurichten und auf eine militärische Intervention gegen die Irak zu verzichten.

Der Vorstand der IG Metall bekräftigt seine Auffassung, dass alle Maßnahmen zur Durchsetzung von UNO-Resolutionen von der legitimen völkerrechtlichen Autorität beschlossen werden müssen und auch alle Länder verpflichtet sind, die Entscheidungen der zuständigen Organe zu respektieren. Die Zerstörung möglicher Massenvernichtungsmittel des Iraks, die Abwehr einer von ihm ausgehenden Bedrohung und die Schaffung von Voraussetzungen für eine friedliche Entwicklung in dieser Region sind legitime Ziele der internationalen Gemeinschaft. Aber nicht ein einzelner Staat, sondern nur die UNO ist berechtigt, über die Bedrohungssituation zu entscheiden und über die Wahl der Mittel und deren Einsatz zu befinden.

Die Bundesregierung hat wiederholt erklärt, dass sich die Bundesrepublik nicht an einer militärischen Auseinandersetzung gegen den Irak beteiligen wird. Diese Position wird von weiten Teilen der Bevölkerung, vielen gesellschaftlichen Gruppen und auch von den Gewerkschaften uneingeschränkt mitgetragen. Die IG Metall fordert die Bundesregierung und den Deutschen Bundestag darüber hinaus auf, alle politischen Wege und diplomatischen Möglichkeiten zu nutzen, um eine militärische Eskalation zu stoppen. Dies schließt nach der gegenwärtigen Lage der Dinge ein, dass Deutschland im UNO-Sicherheitsrat gegen einen Krieg gegen den Irak stimmt. In der UNO ist auf jeden Fall darauf zu drängen, dass im Sicherheitsrat nach der Vorlage des Berichts der Militärinspektion und nach einer erneuten Prüfung der Bedrohungssituation über das weitere Vorgehen der Staatengemeinschaft neu entschieden werden muss und etwaige Verstöße gegen die Resolution 1441 keinen Automatismus militärischer Gewaltanwendung rechtfertigen.

Der Vorstand der IG Metall, die selbst Teil der Friedensbewegung ist, fordert alle Mitglieder auf, sich im Sinne dieser Ziele und Forderungen auch öffentlich einzusetzen.

Frankfurt, den 14. Januar 2003


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