Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

ÖTV-Gewerkschaftstag 2000: Den nächsten Krieg verhindern!

Alle friedenspolitischen Beschlüsse im Wortlaut

Auf dem Gewerkschaftstag der Gew. Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ötv) im November 2000 wurden folgende Anträge und Resolutionen zu friedenspolitischen Themen angenommen.

C27 Bezirkskonferenz Bayern

Einsatz der Bundeswehr

Die Gewerkschaft ÖTV wird aufgefordert, entsprechend der Beschlusslage vom Gewerkschaftstag 1992 in Nürnberg tätig zu werden und sich wieder auf ihren damaligen Beschluss B 61 zu besinnen und diesen zu bekräftigen:
Beschluss B61 des 12. ordentlichen Gewerkschaftstages 1992:
Kein Einsatz der Bundeswehr außerhalb des NATO-Gebietes
Die Gewerkschaft ÖTV spricht sich gegen jeglichen militärischen Einsatz von Einheiten der Bundeswehr außerhalb des Territoriums der Bundesrepublik Deutschland bzw. des NATO-Vertragsgebietes aus. Dies schließt ausdrücklich auch die Beteiligung von Wehrpflichtigen an Missionen der UNO (Blau-Helme) ein. Jeder militärische Einsatz derBundeswehr bedarf der Zustimmung des Bundestages mit Zweidrittelmehrheit. Die NATO-Verträge sind entspre-chend zu ändern.
Angenommen

C26 Bezirkskonferenz Baden-Württemberg

Den nächsten Krieg verhindern

Mit der Verhinderung des nächsten Krieges muss jetzt begonnen werden. Deshalb werden wir uns als GewerkschafterInnen in der ÖTV und mit anderen verstärkt für folgende Forde-rungen einsetzen:
  • Für zivile Konfliktlösungen statt weltweiter Bundeswehr- und NATO-Einsätze;
  • für Abrüstung und gegen neue Rüstungsprojekte;
  • für Konversion in der Rüstungsindustrie;
  • gegen den Umbau der Bundeswehr zur weltweiten Eingreiftruppe;
  • gegen die Militarisierung Europas durch Aufbau einer Euro-Streitmacht;
  • für die weltweite Ächtung von uranhaltigen Geschossen, Kassettenbomben sowie Landmi-nen;
  • für eine Wirtschaftshilfe für die von Kriegsfolgen betroffenen Länder.
Die ÖTV wird diese Forderungen zusammen mit dem DGB gegenüber der Regierung und der Öffentlichkeit in Stellungnahmen verbreiten und in Aktionen unterstreichen.
Angenommen

C24 Bundesfrauenkonferenz

Kein Einsatz der Bundeswehr im Inneren

Die Gewerkschaft ÖTV spricht sich öffentlich gegen Pläne aus, die Bundeswehr für Aufga-ben im Inneren einzusetzen, die verfassungsgemäß ausschließlich der Polizei vorbehalten sind. Die Grenzlinie zwischen den Aufgaben der Polizei im Inneren und der Bundeswehr nach außen zur Landesverteidigung darf nicht aufgeweicht werden.

Die ÖTV wird diesen Verfassungsgrundsatz, der im Grundgesetz als Lehre aus dem Hitlerfa-schismus verankert wurde, zusammen mit dem DGB in Stellungnahmen und erforderlichen-falls mit Aktionen verteidigen.
Absatz 1: Angenommen
Absatz 2: Material an den Hauptvorstand


C23 Kreisdelegiertenkonferenz Frankfurt am Main

Waffenlieferungen an die Türkei

Die Gewerkschaft ÖTV erklärt ihre Solidarität mit allen Bestrebungen, Waffenlieferungen an die Türkei zu unterbinden. Im Brennpunkt der öffentlichen Auseinandersetzung um Waf-fenexporte steht zur Zeit die Exportgenehmigung für 1000 deutsche Panzer an die Türkei. Eine weitere Aufrüstung der Türkei mit schweren Waffen verschärft die Konfliktlage einer-seits in der Kaukasusregion, andererseits im Nahen- und Mittleren Osten.

Als Lohnabhängige haben wir von einer Machtpolitik mit militärischen Mitteln nichts Gutes zu erwarten, auch wenn sie im Rahmen der NATO erfolgt. Statt Milliarden für ein Aufrüstungs-programm aufzuwenden, drängen wir darauf, diese Mittel auszugeben für den Wiederaufbau der durch Krieg zerstörten kurdischen Gebiete, wie auch der durch Erdbeben verwüsteten westtürkischen Region.

Die aggressive Militärpolitik geht immer noch einher mit schwerwiegenden Verletzungen der Menschenrechte nicht nur der kurdischen Bevölkerung, sondern auch der für Frieden und Demokratie engagierten Türkinnen und Türken. Unsere Gewerkschaft kann nicht tatenlos zusehen, wie die Bundesregierung weiterhin Mittäter bleibt bei der Unterdrückung und Aufrü-stung.

Als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter gilt unsere Solidarität besonders den kurdi-schen und türkischen Gewerkschaftern und Mitgliedern von Menschenrechtsgruppen, die für Frieden und Demokratie eintreten. Hier soll durch Kontakte und Austausch von Informatio-nen tatkräftige Unterstützung ermöglicht werden. Dabei ist auch der Hauptvorstand der ÖTV gefordert.
Angenommen

C20 Bezirkskonferenz Hessen

Verbot von Rüstungsexporten in Spannungsgebiete

Die Gewerkschaft ÖTV verurteilt die in Aussicht gestellten Lieferungen von deutschen Pan-zern des Typs Leopard 2 an die türkische Armee. Ferner fordert die Gewerkschaft ÖTV das Parlament und die Regierung der Bundesrepublik Deutschland auf, Rüstungsexporte in Spannungsgebiete generell zu verbieten. Staaten, in denen Menschenrechte gröblich verletzt und Waffen gegen die Bevölkerung eingesetzt wer-den, dürfen keine Rüstungsgüter erhalten.
Angenommen

I23 Bezirkskonferenz Bayern

Positionen der Gewerkschaft ÖTV zur Zukunft der Bundeswehr

Die Bundeswehr steht vor einschneidenden Veränderungen. In der Truppe wird eine Verän-derung des Einsatzkonzepts von der Landesverteidigung hin zur Beteiligung an multinatio-nalen Auslandseinsätzen umgesetzt. Im zivilen Bereich wird über den Abbau von Arbeits-plätzen hinaus durch Kooperationsformen mit der Industrie und dem Dienstleistungsgewerbe eine vollkommen neue Arbeitssituation geschaffen. Die im Grundgesetz verankerte Territo-riale Wehrverwaltung wird dadurch in ihrer Existenz in Frage gestellt. In Hinblick auf diese Entwicklung wird der geschäftsführende Hauptvor-stand aufgefordert, ein Konzept zu entwickeln, um Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst bei der Bundeswehr zu erhalten und die Beschäftigten in die Auseinander-setzung um die Zu-kunft der Bundeswehr einzubeziehen.

Dabei sind folgende Positionen zu berücksichtigen:
  1. Die Gewerkschaft ÖTV setzt sich für eine umfassende sicherheitspolitische Diskussion unter Beteiligung aller gesellschaftspolitischen Kräfte ein.
  2. Die Gewerkschaft ÖTV geht davon aus, dass in einem System künftiger Sicherheitspolitik die Vermeidung von internationalen Konflikten durch eine präventiv geprägte Außen-, Wirt-schafts-, Finanz- und Entwicklungshilfepolitik im Vordergrund stehen muss. Dazu müssen mehr Haushaltsmittel als bisher zur Verfügung gestellt werden.
  3. Unabhängig davon müssen Antworten gefunden werden, wie Sicherheitspolitik umgesetzt werden soll, wenn Konflikte schon begonnen haben bzw. eskalieren und unter welchen Um-ständen die Bundeswehr im Rahmen der Bündnisse und auf der Basis internationaler Ver-pflichtungen eingesetzt werden kann.
  4. Einsätze der Bundeswehr müssen im Rahmen des Völkerrechts stattfinden.
  5. Alle Versuche, einen Generalstab im klassischen Sinn bei der Bundeswehr zu installieren, werden entschieden abgelehnt. Die Bundeswehr steht auch in Zukunft unter dem un-eingeschränkten Primat der Politik. Darüber hinaus ist und bleibt die Bundeswehr ein Parla-mentsheer, d.h. der Bundestag hat über die Einsätze zu entscheiden.
  6. Die Gewerkschaft ÖTV unterstützt die Notwendigkeit einer umfassenden Modernisierung der Bundeswehr. Dabei ist die Beteiligung der Beschäftigten (Soldaten, Zivilbeschäftigte) eine entscheidende Voraussetzung. In diesem Zusammenhang hat die ÖTV auch eine Modernisierungsvereinbarung für die Wehrverwaltung mit dem Bundesminister der Verteidigung abgeschlossen. Diese gewerkschaftliche Beteiligung ist ständig kritisch zu überprüfen und dann zu kündigen, wenn sie lediglich als Alibi oder als Vereinnahmung benutzt wird.
  7. Die Gewerkschaft ÖTV setzt ihre ganze Kraft ein für den Erhalt der Arbeitsplätze im öf-fentlichen Dienst bei der Bundeswehr. Durch den Rahmenvertrag "Innovation, Investition und Wirtschaftlichkeit in der Bundeswehr" zwischen der Bundesregierung und Industrie- und Dienstleistungsunternehmen ist eine neue Qualität in Hinblick auf einen massiven Arbeits-platzabbau im öffentlichen Dienst eingetreten. Diese Vorgehensweise korrespondiert mit den von dieser Bundesregierung aufgestellten Vorstellungen über einen "aktivierenden Staat", mit denen die Tätigkeit des Staates auf Kernaufgaben reduziert werden soll. Mit dieser Vor-gehensweise steht dieTerritoriale Wehrverwaltung, die ihre Begründung in Artikel 87 b des Grundgesetzes hat, zur Disposition. Und die Bundeswehr gerät in eine fatale Abhängigkeit zur Industrie, in manchen Bereichen zu einzelnen Monopolunternehmen.
  8. Die Gewerkschaft ÖTV setzt sich dafür ein, dass die zivile Dienstleistungskomponente der Bundeswehr (Territoriale Wehrverwaltung, Truppenverwaltung, Logistik) so optimiert wird, dass sie konkurrenzfähig wird gegenüber der Privatwirtschaft. Die Vergabe von Aufträ-gen der Bundeswehr darf nicht zur Einbahnstraße hin zur Privatwirtschaft werden. Vielmehr ist der vergebene Auftrag zu überprüfen, ob er nicht wieder zur Bundeswehr zu-rückgeholt werden kann.
  9. Die Gewerkschaft ÖTV setzt sich für eine weitere Präsenz der Bundeswehr in den Regio-nen ein, insbesondere in strukturschwachen Gebieten.
  10. Die Gewerkschaft ÖTV entwickelt ein Gesamtkonzept von Vorgehensweisen, um dem anstehenden Arbeitsplatzabbau bei der Bundeswehr entgegenzutreten. Dazu gehört auch die Durchsetzung des Tarifvertragsentwurfs KONVERS zur sozialverträglichen Begleitung der Personalmaßnahmen.
Angenommen

I30 Bundesjugendkonferenz

Umsetzung des Rahmenvertrages Innovation, Investition und Wirtschaftlichkeit der Bundeswehr

Der Gewerkschaftstag fordert den Hauptvorstand dazu auf, dar auf Einfluss zu nehmen, dass bei der Umsetzung des Rahmenvertrages Innovation, Investition und Wirtschaftlichkeit der Bundeswehr folgende Aspekte beachtet werden:
  • Firmen, die Arbeitspakete der Bundeswehr übernehmen, müssen tarifvertralich/ vertrag-lich/gesetzlich verpflichtet werden, dass die jetzt vorhandenen Ausbildungsplätze qualitativ und quantitativ erhalten werden und eine Vertretung der Auszubildenden durch eine JAV zu gewährleisten.
  • Die jetzt vorhandenen Übernahmeregelungen (Erlasse PSZ II 2) sind als Mindeststandard bei der Privatisierung von Dienststellen und Arbeitspaketen der Bundeswehr zu überneh-men, unter Anbetracht, dass bundeswehrspezifische Einschränkungen (zum Beispiel keine befristete Übernahme von Kriegsdienstverweigerern) aufgehoben werden.
Angenommen

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