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In die Offensive kommen

Gewerkschaftliche Initiative wirbt für Frieden und Solidarität

Von Markus Bernhardt, Bochum *

Zunehmend wird auch in den Gewerkschaften der Ruf nach einem stärkeren Engagement für Frieden und internationale Solidarität lauter. Bereits im März gründeten verschiedene Beschäftigtenvertreter aus fast allen DGB-Gewerkschaften in Bochum die Initiative »GewerkschafterInnen für Frieden und Solidarität«. Inspiriert durch den Linksruck in Griechenland und zunehmende soziale Kämpfe will sich der neue Zusammenschluss nun verstärkt politisch einmischen.

Als Auftakt für künftige Aktivitäten hat die Initiative eine Demonstration für ein »friedliches, soziales und demokratisches Europa« organisiert. Diese soll am 9. Mai in Bochum stattfinden. In ihrem Aufruf zu den Protesten nehmen die Veranstalter explizit Bezug auf den 70. Jahrestag der Befreiung Deutschlands vom Faschismus am 8. Mai. »Im 70. Jahr nach der Befreiung schauen wir besorgt auf die Entwicklung in unserer Welt, in Europa und im eigenen Land. Unsere Hoffnung auf eine Welt des Friedens, der Demokratie und sozialer Gerechtigkeit ist längst nicht erfüllt«, konstatieren die Gewerkschafter und monieren, dass »große Teile der Welt von kriegerischen Brandherden überzogen« seien und die Kriegsgefahr auch in Europa zunehme.

»Wir wollen die guten Traditionen der Friedenspolitik und des Antimilitarismus wieder aktiv beleben«, kündigte Jochen Marquardt, DGB-Geschäftsführer der Region Ruhr-Mark und einer der Initiatoren der Initiative, an.

Neben dem verstärkten Engagement gegen den Krieg stehen auch die internationale Solidarität und folglich auch der Kampf gegen Rassismus und Neonazis auf der politischen Agenda der Initiative. So warnen die Gewerkschafter vor der »bedrückenden Entwicklung«, in der rechte Parteien und rechtspopulistische Bewegungen wie »Pegida« vielerorts Zuspruch bekämen. »Wir wollen uns den Problemen der Menschen und den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fragen stellen, indem wir Lösungen aufzeigen, die von Solidarität, Demokratie und sozialem Fortschritt getragen werden«, erklärten sie. Sie kündigten an, mit »neuen Initiativen der Aufklärung und der Verantwortung für eine humanere Welt« werben und »Widerstand gegen soziale Ungerechtigkeit und Fremdenfeindlichkeit leisten und dafür Kräfte bündeln und Menschen mobilisieren« zu wollen.

Gleichzeitig wolle man »mehr Dampf« machen im Kampf gegen die Austeritätspolitik in Europa. »Für uns bieten die Wahlergebnisse in Griechenland eine Chance für die Neuausrichtung der Politik auf ein soziales und demokratisches Europa, die weit über Griechenland hinausgeht und in der die Forderungen des DGB für eine Neugründung Europas für die Menschen breite Unterstützung erfahren müssen«, so Jochen Marquardt weiter.

Auch bei der geplanten Demonstration am 9. Mai in Bochum wird der Kampf für Teilhabe und die Rechte der ins soziale Abseits Gedrängten einen großen Stellenwert einnehmen. Während die Armutsspirale im Ruhrgebiet zunehmend an Fahrt gewinnt, wollen die Gewerkschafter dem Druck der Finanzmärkte, der ungerechten Reichtumsverteilung und einer Politik der Spardiktate, dem Lohndumping, der Aushöhlung der Tarifrechte und dem Bankrott der kommunalen Daseinsvorsorge in Städten und Gemeinden entgegenwirken. An der Demonstration wird unter anderem Rainer Einenkel, ehemaliger Betriebsratsvorsitzender von Opel Bochum, teilnehmen und über die im Rahmen der erfolgten Werkschließung gemachten bitteren Erfahrungen der ehemaligen Belegschaft berichten.

Die noch junge gewerkschaftliche Initiative erhält bereits jetzt große Unterstützung aus der politischen Linken und der Friedensbewegung. So begrüßte etwa die Bochumer Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen (Die Linke) das Engagement der Arbeitnehmervertreter. »In Zeiten von Krieg und Krise ist es ausgesprochen wichtig, die Stimme zu erheben und für soziale Gerechtigkeit und Frieden auf die Straße zu gehen«, sagte Dagdelen am Freitag im Gespräch mit dieser Zeitung. Sie hoffe außerdem, dass sich nach dem Vorbild der Bochumer Initiative auch in anderen bundesdeutschen Städten Gewerkschaften zusammenschließen und ihr Engagement gegen Krieg und für soziale Gerechtigkeit noch weiter verstärken würden, so die Bundestagsabgeordnete weiter.

* Aus: junge Welt, Samstag, 2. Mai 2015


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