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Kein Frieden ohne ein Ende der Drogen-Prohibition?

Mathias Bröckers behauptet, dass Drogenverbote den Terror fördern


»Die Drogenlüge – Warum Drogenverbote den Terrorismus fördern und Ihrer Gesundheit schaden« heißt das neue Buch von Mathias Bröckers. Darin spricht sich der langjährige Kultur- und Wissenschaftsredakteur der taz für eine kontrollierte Freigabe aller Drogen aus. Im Interview mit dem ND-Mitarbeiter Fabian Lambeck spricht Bröckers über den Zusammenhang zwischen Drogen, Geheimdiensten, Banken und Terror.

Neues Deutschland (ND): In Ihrem Buch »Die Drogenlüge« fordern Sie die Freigabe und Legalisierung sämtlicher Drogen. Kokain im Kaufhof – ist das wirklich die Lösung des Drogenproblems?

Bröckers: Kokain im Kaufhof wäre in der Tat gefährlich. Noch gefährlicher wäre es, Werbung für Drogen zu erlauben. Eine Legalisierung aller Substanzen muss mit einem Reklameverbot und einer kontrollierten Abgabe verknüpft werden. Das heißt, wenn wir über die Legalisierung von Drogen reden, dann geht es nicht darum, sie dem freien Markt zu überlassen. Wenn Werbung für Kokain gemacht wird und das weiße Pulver in jedem Supermarkt verkauft wird, kann das natürlich zu einem schweren Missbrauchsproblem führen würde.

Wie kann man das verhindern?

Eine Legalisierung muss einhergehen mit einem strikten Werbeverbot – auch für Alkohol und Zigaretten – sowie natürlich mit einer alterskontrollierten Abgabe dieser Substanzen. Außerdem sollten wir das gesamte Geld, welches wir durch das Ende der Prohibition einsparen, in Präventionskampagnen stecken.

Aber ist der Kampf gegen die Drogen so aussichtslos, dass die Freigabe aller Drogen die bessere Option wäre?

Ja. Im Jahre 1909 hatte sich eine erste internationale Opium-Kommission in Shanghai getroffen, um ein Drogenverbot auf den Weg zu bringen, welche Opium und andere Substanzen international ächten sollte. In den 20er Jahren ist daraus ein internationales Abkommen geworden. Dieses Drogenverbot war das erste wirkliche Globalisierungsgesetz. Bis dahin gab es global betrachtet zwar Seeverkehrsregelungen und sonstige Absprachen, aber es gab kein Gesetz, dass weltweit strafrechtlich von allen Ländern gemeinsam durchgezogen wurde. Ich schildere in meinem Buch ausführlich die fatalen Auswirkungen der Prohibition. Durch die Verbote haben wir es nicht geschafft, den Drogenkonsum zu reduzieren oder gar zu unterbinden. Im Gegenteil: Der Drogenkonsum hat weltweit zugenommen. Zudem gibt es da noch die wirtschaftlichen und militärischen Aspekte: Ohne ein Ende der Prohibition werden wir auch keinen Frieden in der Welt bekommen.

Der Krieg gegen den Terror ist nur zu gewinnen, wenn der Krieg gegen die Drogen aufhört, heißt es dazu in Ihrem Buch. Was hat denn die Legalisierung mit Terrorbekämpfung zu tun?

Das Geschäft mit den Drogen ist hochprofitabel: Weltweit werden so pro Jahr bis zu 500 Milliarden Dollar umgesetzt. Alles Schwarzgeld, das in irgendwelche, auch terroristische Kanäle fließt. Deshalb ist die Abschaffung der Drogenverbote vor allen Dingen eine politische Notwendigkeit, weil wir es uns nicht erlauben können, weiter irgendwelche Al Kaidas damit zu finanzieren. Wir sehen jetzt in Afghanistan, wie der Opiumanbau seit Einmarsch der Amerikaner und der NATO von Jahr zu Jahr weiter wächst, ja geradezu explodiert.

... wo auch Bundeswehrsoldaten die Mohnfelder bewachen, anstatt sie zu zerstören.

Ja, die Bundeswehr toleriert den Drogenanbau, weil unsere Partner wie General Dostum von diesem Geschäft leben. Wir können sie nicht selber finanzieren, also müssen wir ihnen dieses Geschäft lassen. Diese fragwürdige Toleranz hat übrigens eine ganz lange Tradition – vor allen Dingen in der amerikanischen Außenpolitik. Wir kennen das seit den 60er Jahren: Laos, Kambodscha, Vietnam – überall, wo die US-Armee sozusagen den Stiefel reinsetzt und Krieg führt, da geht auf einmal das Heroin-Geschäft los. In den 80ern verlagerte sich die Produktion dann »seltsamerweise« nach Afghanistan, wo die Amerikaner die Mudjahedin beim Kampf gegen die Sowjet-Armee unterstützten.

Das heißt, die Amerikaner förderten den Drogenhandel ganz bewusst?

Jein. Es ist nicht so, dass die CIA selbst mit dem Zeug dealt. Sie gestatten es aber ihren Verbündeten, mit den hochprofitablen Suchtstoffen zu handeln. Anders können diese Rebellenarmeen nicht finanziert werden. Das Problem war und ist aber, dass der Warlord im Goldenen Dreieck wenig davon hat, einfach nur Heroin herzustellen. Er muss es auch transportieren. Und zwar auf die Märkte des reichen Westens. Nur hier konnten und können diese enorme Profitspannen erzielt werden. Deshalb haben die Amerikaner in den 60er Jahren beispielsweise dafür gesorgt, dass das Opium aus Burma ausgeflogen wird – mit US-amerikanischen Flugzeugen.

Auch in Afghanistan drückt man eben beide Augen zu. Wir werden dort keinen Frieden kriegen, wenn wir weiter diese Milliardenbeträge dem Schwarzmarkt zukommen lassen. Die Profite machen ja nicht die afghanischen Bauern. Die kriegen vielleicht 500 Dollar für zehn Kilo Opium. Daraus wird ein Kilo Heroin, das am Ende in Deutschland über 100 000 Euro bringt. Den Gewinne streichen jene ein, die das Zeug exportieren und importieren.

Wer ist das?

Das sind vor allem Militärs und Geheimdienste. Und deshalb sind diese Kreise weltweit bis an die Halskrause direkt oder indirekt in diese Drogengeschäfte verwickelt.

Wann und wo nahm denn diese Kooperation ihren Anfang?

Es begann mit der berühmten Hafenarbeitergewerkschaft im französischen Marseille, die den für Amerikaner und Franzosen strategisch wichtigen Hafen bestreikte. Die Gewerkschaft wurde von Kommunisten kontrolliert. Und da hat die CIA 1947 einen Pakt mit der korsischen Mafia geschlossen, die dann die kommunistischen Gewerkschaftsbosse ermordete. Schließlich war der »kommunistische« Hafen von Marseille im Sinne der Amerikaner befreit. Im Gegenzug ließ man die Korsen das Heroingeschäft machen. Und so wanderte das Business in die Kontrolle der organisierten Kriminalität. Und wir kriegen sowohl im Nahen und Mittleren Osten als auch in Mittel- und Südamerika keine friedlichen Verhältnisse, wenn wir dieses Geschäft weiter so laufen lassen.

Sehen Sie sich das Gemetzel in Mexiko an. Der dortige Drogenkrieg um den Kokainschmuggel in die USA untergräbt den Staat und kostete allein im letzten Jahr mehr als 15 000 Mexikaner das Leben. Da sterben mehr Menschen als in Afghanistan oder Irak!

In Ihrem Buch beleuchten Sie auch die finanziellen Hintergründe des milliardenschweren Drogengeschäfts. Die Gelder werden offenbar längst in ganz legale Projekte investiert.

Das ist ja das Problem: Die 500 Milliarden stecken nicht in den Sparstrümpfen afghanischer Warlords oder dem Safe italienischer Mafiosi. Das Geld wandert in unsere legalen Kreisläufe, also an die Börsen von New York, Frankfurt und London. Das Geschäft läuft über Offshore-Banken in der Karibik und anderswo. Diese Institute sind offiziell gar nicht als Banken zugelassen, weil da eben jeder mit einem Koffer Bargeld reinspazieren kann. Aber diese zwielichtigen Banken führen Konten – auch bei deutschen Kreditinstituten.

Das heißt, die Gewinne aus dem Drogengeschäft werden auch in Deutschland angelegt?

Niemand kann kontrollieren, wo das Drogengeld hingeht. Angenommen, Sie haben einen Kokain-Deal gemacht und fünf Millionen Dollar verdient. Dann fliegen Sie auf die Cayman Islands und richten dort ein Konto über eben diese Summe ein. Die Bank nimmt jetzt diese Kohle und eröffnet Depots etwa bei der Deutschen Bank und kauft Aktien oder Optionen. Das dieses Konto einem Dealer gehört, weiß da niemand. Das ist ja offiziell ein Konto dieser Karibischen Bank.

In dem Kapitel über die Drogen-Ökonomie zitieren Sie ein verstörendes Rechenbeispiel der US-Amerikanerin Catherine Austin Fitts. Demnach ist die globale Ökonomie längst auf die Drogengelder angewiesen.

Ja. Die Ökonomin hatte mal ausgerechnet, was ein kleiner Heroin-Dealer für den Börsenkurs bedeutet. Wenn der seine Tütchen verkauft und jeden Tag 300 Dollar Umsatz macht, generiert er 2 Millionen Dollar an der Börse, die unsere Wirtschaft hochhalten. Wenn wir das ändern wollen, muss mit dem Ende der Prohibition auch ein Ende des Offshore-Bankings einhergehen. Und insofern hat dieses scheinbar so marginale Thema »Drogenpolitik« eine sehr viel größere Dimensionen.

Ist die Legalisierung ein Horror-Szenario für Banken und Börsen?

Wenn die »New York Times« morgen berichten würde, dass die UN die Legalisierung aller Drogen vorbereitet, würden die Börsenkurse in den Keller rauschen.

* Aus: Neues Deutschland, 1. März 2011


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