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Verborgene Strategen

Macht, Geld, Einfluß: David Rothkopf analysiert die "Super-Klasse"

Von Markus Klöckner *

Sie besitzen nahezu unvorstellbare Vermögenswerte. Sie verfügen über die exklusivsten Kontakte, die man sich vorstellen kann. Sie sind in der Lage, Regierungen zu beeinflussen. Sie können durch ihr Geld und ihre Kontakte auf lokaler, nationaler wie auch internationaler Ebene Strukturen aufbauen oder zerschlagen. »Sie«, das ist eine über die letzten Jahrzehnte entstandene »Super-Klasse« der Reichen und Mächtigen. »Sie«, das sind Persönlichkeiten aus den unterschiedlichen Ländern der Welt, die sich zu einer globalen Machtelite ausgeformt haben.

Das behauptet zumindest David Rothkopf, ehemaliger stellvertretender Staatssekretär der Clinton-Regierung. Für sein jüngst erschienenes Buch »Die Super-Klasse – Die Welt der internationalen Machtelite« hat sich der US-Amerikaner auf Spurensuche nach der Weltelite begeben. Mehr als 100 Interviews führte Rothkopf mit den führenden Köpfen aus Politik, Wirtschaft, Militär und Bildung. Der Autor sprach u. a. mit Henry Kissinger, David Rockefeller und Bill Clinton, um nur einige zu nennen. Durch seine politische und unternehmerische Tätigkeit war er beim Weltwirtschaftsforum in Davos, war bei Empfängen des Präsidenten der USA zugegen, nahm an Gesprächsrunden der großen Think Tanks teil, kurz: Rothkopf kennt die Eliten, weiß, wie sie denken, wie sie handeln, kennt ihre positiven wie negativen Eigenschaften. Und so ist ein Buch entstanden, das nicht nur die Eliten beschreibt, sondern das auch ihre Position und ihr Verhalten im Lichte der Globalisierung hinterfragt. Rothkopfs Buch ist eine beeindruckende Anatomie der globalen Machteliten, deren Mitglieder zwar oft in der Öffentlichkeit stehen, aber selten zum Gegenstand einer Analyse werden.

Feudalsystem

Angeleitet von den Fragen »Worin besteht die Macht der Super-Klasse? und »Wo liegen ihre Wurzeln, wie weit reicht sie, und wie wird sie sich künftig weiterentwickeln?« dringt Rothkopf ein in eine Welt, in der ein Steve Jobs von Apple mal eben 646 Millionen Dollar im Jahr verdient, eine Welt, in der der Besitz eines Privatjets für 50 Millionen Dollar zum Standard gehört, eine Welt, in der man durch einen einzigen Anruf ein Treffen mit Präsidenten und anderen politischen Funktionsträgern erreichen kann.

Beherrscht diese Super-Klasse die Welt? Camouflieren die demokratischen Strukturen der westlichen Länder letztlich nur ein globales Feudalsystem der oberen Zehntausend? Der Autor beantwortet diese Fragen mit einem eindeutigen »Jein«. Rothkopf spricht sich gegen die Annahme aus, daß diese globale Super-Klasse eine fest eingeschworene Gemeinschaft sei und durch ihren Zusammenhalt, aber auch durch eine Strategie die Welt aus dem Verborgenen lenke. Dazu, so Rothkopf, gibt es zu viele Konflikte, zu viele »Flügelkämpfe«, zu viele Kontroversen innerhalb dieser Machtelite, als daß man annehmen könne, ihre Mitglieder bildeten eine Art geheime Weltregierung. Allerdings, und darauf verweist der Autor immer wieder, dürfe man nicht den Fehler begehen, die Handlungsmacht der Super-Klasse zu unterschätzen. Obwohl die Super-Klasse fragmentiert und gespalten ist, drängen deren Angehörige in den politischen Entscheidungsrahmen. Geschickt gelingt es ihnen durch ein Netzwerk von Think Tanks und Elitenzirkel, die Rothkopf als »den sozialen Kitt« bezeichnet, der die Machtelite zusammenhält, die Politikausrichtung der nationalen Parlamente zu beeinflussen. Immer wieder gelingt es der Machtelite, Themen auf die politische Tagesordnung zu bringen, die von ihren Interessen geleitet sind.

Handelnde Subjekte

Rothkopf läßt keinen Zweifel daran, daß bei dieser elitären Beeinflussung der Politik nicht das Gemeinwohl der breiten Bevölkerungsschichten im Vordergrund steht. Das Gegenteil ist der Fall. Obwohl es zahlreiche Eliten gebe, die gute Absichten hegten, trage die soziale Ungerechtigkeit auf der Welt auch den Stempel einer Machtelite, die in erster Linie auf ihr Wohl bedacht sei. Es kann nicht sein, schreibt der Autor mit der Stimme des Sozialkritikers, daß »das ›Heute‹ den Reichen und Mächtigen auf dem Silbertablett serviert wird, während den Armen und Entrechteten nur das vage Versprechen eines fernen ›Morgen‹ bleibt.«

Der Politik bescheinigt Rothkopf, daß sie versagt hat. Nach seinen Worten haben sich die politischen Funk­tionsträger entweder von der Machtelite korrumpieren lassen, oder aber sie sind schlicht zu naiv, um dem Vorgehen der Super-Klasse mit entsprechenden Reaktionen zu begegnen. »Wenn die Interessen aller von den Aktivitäten bzw. der Untätigkeit weniger bestimmt werden..., so stimmt das Verhältnis einfach nicht mehr«, meint Rothkopf.

David Rothkopfs Buch durchbricht auf wohldurchdachte Weise die Einstimmigkeit des herrschenden Diskurses, wonach die Globalisierung mehr das Produkt eines evolutionären Prozesses als das Ergebnis von konkret handelnden Subjekten ist. Rothkopf verdeutlicht, daß sehr wohl Menschen an den Stellschrauben des globalen Systems drehen – mal mehr, mal weniger effektiv. Und zu diesen Weichenstellern und Vordenker der Weltpolitik gehören Personen aus dem Kreise der Machtelite.

David Rothkopf: Die Super-Klasse. Die Welt der internationalen Machtelite. Riemann Verlag, München 2008, 542 Seiten, 21 Euro

* Aus: junge Welt, 7. Juli 2008


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