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Die Einwände der Habenichtse

118 Mitgliedsstaaten der Blockfreien Bewegung schreiben an den G8-Gipfel - Fidel Castro ergänzt: "Überlegungen des Comandante en Jefe"

Vor Beginn des G8-Gipfels wandte sich der kubanische Außenminister im Namen der Blockfreien-Bewegung in einem ausführlichen Schreiben an seinen deutschen Kollegen Frank-Walter Steinmeier. Darin finden sich interessante Hinweise auf die Kritik aus der Dritten Welt an den zu erwartenden Gipfelergebnissen. Der 8-seitige Brief selbst ist - bisher nur in englischer Sprache - hier herunterzuladen: "Germany Letter" (pdf-Datei). Der hierzu gehörende Artikel, den wir im Folgenden dokumentieren, fasst die wichtigsten Punkte des Briefes zusammen.
Als Dreingabe dokumentieren wir außerdem einen Artikel von Fidel Castro, worin er sich ebenfalls zum G8-Gipfel äußert ("ÜBERLEGUNGEN DES COMANDANTE EN JEFE").



Gegenentwurf des Südens

Von Arnold Schölzel

Der kubanische Außenminister Felipe Pérez Roque wandte sich am Dienstag (5. Juni) in seiner Eigenschaft als Präsident der Bewegung der Nichtpaktgebundenen mit einem ausführlichen Brief zu den Themen des G-8-Gipfels in Heiligendamm an seinen deutschen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier (SPD). Das Schreiben enthält in diplomatischer Verpackung eine klare Absage der Entwicklungsländer an die Analyse der Weltprobleme durch die G 8 und insbesondere eine scharfe Verurteilung jeglicher Kriegspolitik der reichen Nationen. Im Namen der 118 Mitgliedsländer der Bewegung, die Mitte der 50er Jahre entstand und im September 2006 in Havanna ihr 14. Gipfeltreffen abhielt, charakterisiert Roque die globale Situation so: »Unterentwicklung, Armut, Hunger und Marginalisierung haben sich im Ergebnis des derzeitigen Globalisierungsprozesses verschärft und verschlimmern die strukturellen Ungleichgewichte und die Ungleichheiten, die die Weltwirtschaftsordnung bestimmen.«

Zu den Hauptthemen des Gipfels – Klimaschutz und Afrika – unterbreitet das Schreiben eine Reihe von Vorschlägen. Betont wird aber die Verantwortung der industrialisierten Länder, die Emission von Treibhausgasen nach »verabredeten Vorgaben« zu reduzieren. Eine zentrale Forderung enthält der Satz: »Energiepolitik muß die Anstrengungen der Entwicklungsländer unterstützen, Armut auszumerzen.« Die Schulden der afrikanischen Länder sollten erlassen und die Entwicklungshilfe für den Kontinent verdoppelt werden.

Ihre besondere Besorgnis äußern die Nichtpaktgebundenen über den »jüngsten Gebrauch von Unilateralismus«, der die UN-Charta untergrabe. In einem gesonderten Abschnitt des Briefes zu grundlegenden Fragen der Weltpolitik lenken die Nichtpaktgebundenen den Blick vor allem auf die Kriegs- und Rüstungspolitik der G 8. Sie konstatieren eine »Stagnation« auf dem Gebiet internationaler Abrüstung und Sicherheit und die fortwährende Bedrohung durch Nuklearwaffen sowie die Verletzung des Vertrages über den Stopp der Atomtests durch die Entwicklung neuer Typen von Nuklearwaffen. Die USA, die 2003 den Einstieg in die Produktion einer neuen Generation von Miniatur-Nuklearwaffen beschlossen, werden in diesem Zusammenhang nicht ausdrücklich genannt. Zugleich bekräftigen die Nichtpaktgebundenen das Recht aller Staaten auf Nuklearforschung, Produktion und Gebrauch von Atomenergie zu friedlichen Zwecken und verlangen eine »langfristige Lösung der iranischen Nuklearangelegenheit«.

Ausführlich setzt sich der Brief mit dem Nahostkonflikt auseinander. Die Nichtpaktgebundenen verurteilen scharf den »exzessiven und willkürlichen Gebrauch von Gewalt« durch die israelische Besatzungsmacht und verlangen, den »illegalen Bau einer Mauer auf besetztem palästinensischen Gebiet« einzustellen. Abschließend kündigen die Nichtpaktgebundenen an, alles in ihrer Macht Stehende zu unternehmen, um dem »irakischen Volk zu helfen, die ausländische Besatzung zu beenden, die Souveränität und Unabhängigkeit des Irak wiederherzustellen und Kontrolle über seine Rechte, sein Land und seine wirtschaftlichen, politischen und Sicherheitseinrichtungen wiederzugewinnen«.

* Aus: junge Welt, 6. Juni 2007


ÜBERLEGUNGEN DES COMANDANTE EN JEFE

DAS G8- GIPFELTREFFEN **

Für diejenigen, die es nicht wissen, – zu denen ich mich zuerst zähle – G-8, das ist die Gruppe der führenden entwickelten Länder, einschließlich Russland. Das baldige Treffen, das in sechs Tagen beginnen wird, hat aufgrund der die Welt bedrohenden tiefen politischen und wirtschaftlichen Krise große Erwartungen geweckt.

Lassen wir die Agenturmeldungen für sich sprechen

Die Deutsche Presseagentur DPA berichtet, dass der deutsche Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Wolfgang Tiefensee erklärt hat, „dass die Länder der europäischen Union eine gemeinsame Strategie vereinbart haben.“

„Die europäischen Minister für Stadtplanung, die in der östlichen Stadt Leipzig zu einem informellen Treffen unter dem Motto 'Stadtentwicklung und territoriale Kohäsion´ zusammengetroffen sind, werden eine gemeinsame Strategie zum Umweltschutz und zur Verzögerung des Klimawechsels anwenden.“

„Zum Beispiel“ – so warnte Tiefensee – „könnte im europäischen Süden eine Erhöhung der Sommertemperaturen von bis zu sechs Grad erwartet werden, während an den Küsten starke Winterstürme zu befürchten sind.“

„Die Dürre, welche Spanien bedroht, und die Wasserknappheit in Polen sind zwei weitere Beispiele der Herausforderungen, denen die Europäische Union begegnen muss, fügte der Deutsche zum Schluss des Treffens hinzu.“

Die AFP teilt ihrerseits mit, dass „der deutsche Bundesumweltminister Sigmar Gabriel einschätzte, dass es aufgrund der Opposition der Vereinigten Staaten ‘kaum möglich’ sein wird, beim bevorstehenden G8-Gipfeltreffen einen Erfolg bezüglich der Frage Klimaerwärmung zu erreichen.“

„Deutschland wird das Gastgeberland des Gipfels sein, bei dem vom 6. bis 8. Juni die acht führenden entwickelten Länder der Erde in Heiligendamm vertreten sein werden.

„Obwohl Viele in den Vereinigten Staaten eine andere Politik bezüglich der Klimaerwärmung möchten, ’verhindert die Regierung in Washington leider’, dass diese Haltung verwirklicht werden kann - so der sozialdemokratische deutsche Minister.

„Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel wird ein ‘starkes Signal’ zur Notwendigkeit des dringenden Handelns in dieser Angelegenheit setzen; die US-Regierung vervielfältigt ihr Oppositionsverhalten."

Die englische Agentur Reuters informiert: „Die Vereinigten Staaten haben den deutschen Vorschlag zurückgewiesen, der erreichen wollte, dass die Gruppe der Acht härtere Einschränkungen zu Kohlenstoff-Emissionen vereinbart, da diese die Erderwärmung verursachen, wie aus einem Kommuniqué-Entwurf hervorgeht, der auf dem Treffen vorgelegt werden wird.

„Die Vereinigten Staaten sind in Bezug auf jenen Kommuniqué-Entwurf, zu dem Reuters Zugang hatte, noch ernsthaft und grundlegend befangen.“

„Das Herangehen an den Klimawechsel geht vollkommen gegen unseren Standpunkt und überschreitet zahlreiche ‘rote Linien’ in unter Gesichtspunkten, mit denen wir einfach nicht einverstanden sein können, sagten die US-amerikanischen Verhandlungsteilnehmer.

„Dieses Dokument wird als ENDFASSUNG bezeichnet, aber wir waren nie auch nur mit einer der im Text vorhandenen Ausdrucksweisen zum Klima einverstanden“, fügten sie hinzu.

Deutschland will eine Vereinbarung, um die Temperaturerhöhung zu stoppen, um die weltweiten Emissionen bis zum Jahr 2050 um 50 % unter den Stand von 1990 zu vermindern und um die Energieeffizienz bis zum Jahr 2020 um 20 % zu erhöhen.

„Washington weist alle diese Zielstellungen zurück.“

Während Blair erklärt, dass er seinen Freund George überzeugen wird, ist das einzig Wahre, dass er den drei zur Zeit in Großbritannien in Bau befindlichen U-Booten ein weiteres hinzugefügt hat, womit die Ausgaben für hoch entwickelte Waffen sich um weitere 2,5 Milliarden Dollar erhöhen. Vielleicht könnte irgendeine Person mit einem der neuen Computerprogramme von Bill Gates die Mittel für Rüstungsausgaben berechnen, durch welche die Menschheit der Bildung, Gesundheit und Kultur beraubt wird.

George soll zum G8-Gipfel sagen, was er wirklich denkt, einschließlich zum Thema der Gefahren, welche den Frieden und die Ernährung der Menschheit bedrohen. Jemand sollte ihn hierzu befragen. Er soll nicht versuchen, sich unter Beratung seines Freundes Blair herauszuwinden.

Fidel Castro Ruz
29. Mai 2007

** Website der kubanischen Botschaft in Deutschland; http://emba.cubaminrex.cu


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