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Dollarregen zum Bombenhagel

G-8-Staaten versprechen auf Gipfel Finanzhilfen für Länder des "arabischen Frühlings" *

Der Westen will nicht nur Libyen bombardieren, sondern auch Wohlverhalten in der Region belohnen: Die in der G-8-Gruppe zusammengeschlossenen sieben führenden Industriestaaten und Rußland versprechen den Ländern des sogenannten arabischen Frühlings viel Geld. Zum Abschluß des Gipfeltreffens im französischen Badeort Deauville durfte Gastgeber Nicolas Sarkozy am Freitag Zahlungen von gut 40 Milliarden Dollar – zunächst an Ägypten und Tunesien – zusagen. Zehn Milliarden sollen dabei aus Kuwait, Katar und Saudi-Arabien kommen, die bisher nicht unbedingt als Hochburgen der demokratischen Weltbewegung galten. Das offenbar nicht ganz so reiche Gastgeberland will dem französischen Präsidenten zufolge eine Milliarde drauflegen. Weitere zehn würden den Angaben zufolge von den anderen G-8-Staaten mobilisiert, dazu kämen rund 20 Milliarden Dollar von den internationalen Entwicklungsbanken.

»Deauville-Partnerschaft« nennen die Teilnehmer des Gipfeltreffens die Aktion für jene Staaten der Region Nahost und Nordafrika, die sich nach Ansicht der G-8-Staaten in Richtung Demokratie entwickeln. Dabei sei Eile geboten, meldete sich die BRD-Bundeskanzlerin in Deauville zu Wort. »Es geht jetzt darum, die Hilfe schnell konkret zu machen«, sagte Angela Merkel. Sie plädierte in dem Zusammenhang dafür, im Rahmen der EU eine eigene »task force« zu schaffen. Nötig seien »schnelle, intelligente Strukturen«, um das Geld zu verteilen.

Die G8 hatten in ihrer Schlußerklärung den Wandel in den arabischen Ländern als »historisch« bezeichnet. Die Regierungschefs von Tunesien und Ägypten waren am Freitag in Deauville angereist, um dort den »Reformprozeß« in ihren Ländern zu erläutern.
(AFP/dapd/jW)

* Aus: junge Welt, 28. Mai 2011


Hehre Versprechen

Von Martin Ling **

Die G8-Staaten sind ein Meister der hehren Absichtserklärungen. So durften sich in Deauville die arabischen Staaten freuen, dass die G8 allen im demokratischen Umbruch befindlichen Ländern eine »langfristige Partnerschaft« offerierten. Die gab's allerdings schon bisher – mit den Langzeitdiktatoren von Mubarak bis Ben Ali. Immerhin wurden den Avantgardestaaten Ägypten und Tunesien auch bis zu 28 Milliarden Euro bis 2013 zugesagt. Das ist kein Pappenstiel, sollten die zugesagten Gelder wirklich fließen und dann auch noch dorthin, wo sie größtmöglichen Nutzen stiften – in Bildung, Ausbildung, Gesundheit und ländliche Entwicklung. Dass beide Bedingungen in der Entwicklungszusammenarbeit eingehalten werden, ist eben so wünschenswert wie selten.

So verwundert es nicht, dass viele Hilfsorganisationen den Zusagen für Ägypten und Tunesien argwöhnisch gegenüberstehen: Zum einen, weil sie aus Erfahrung wissen, dass Zusagen in der Regel nicht eingehalten werden. Zum anderen, weil mit dem Fokus auf den »arabischen Frühling« die ärmsten der armen Länder in Subsahara-Afrika noch weiter marginalisiert zu werden drohen.

Und ohnehin gilt für Nordafrika wie für den gesamten Süden gleichermaßen: Ein mehr an Mitteln reicht nicht. Damit die Länder des Südens auf Sicht auf eigenen Beinen stehen können, muss die Welthandelsordnung so umgebaut werden, dass alle Länder eine faire Teilhabe daran haben können. Dass die G8-Staaten mit »großer Sorge« verfolgen, dass die 2001 in Doha gestarteten WTO-Verhandlungen nicht vorankommen, ist ein schlechter Witz. Die Hauptursache dafür ist der Egoismus der G8.

** Aus: Neues Deutschland, 28. Mai 2011 (Kommentar)

Hilfe für Nordafrika darf nicht an neoliberale Auflagen geknüpft werden

Attac fordert endgültiges Aus für G8 / Zusagen für Afrika nie eingehalten

Wenn die G8-Staaten den neuen Regierungen in Ägypten und Tunesien wirklich helfen wollen, dann sollten sie Finanzhilfen ohne Auflagen gewähren. Die Unterstützung für die Demokratiebewegungen in Nordafrika darf nicht an neoliberale Strukturanpassungen geknüpft werden. Die katastrophalen Auswirkungen solcher von IWF und EU durchgedrückten Auflagen sehen wir derzeit in Spanien, Portugal und Griechenland: mehr soziale Ungleichheit und ein massiver Abbau von Demokratie. An ähnliche Bedingungen geknüpfte Finanzhilfen werden die Entwicklung der nordafrikanischen Staaten hin zu demokratischen und gerechten Gesellschaften nicht fördern, sondern behindern. Attac unterstützt unter anderem einen Schuldenerlass für die Länder Nordafrikas und die Öffnung der europäischen Märkte für die Produkte dieser Länder.

Attac fordert außerdem erneut die Abschaffung der G8-Gipfel. Die G8 sind eine illegitime, angesichts der weltwirtschaftlichen Veränderungen völlig überholte Institution, in deren Fußstapfen längst die G20 getreten sind. Von ihren alljährlich mantra-artig wiederholten, vollmundigen Versprechen für Afrika ist nichts übrig geblieben – nicht einmal Rhetorik. Noch 2005 hatten die G8-Länder in Gleneagles (Schottland) verkündet, bis 2010 die Entwicklungshilfe auf 50 Milliarden Dollar pro Jahr aufzustocken. Mindestens die Hälfte der Erhöhung sollte in afrikanische Länder südlich der Sahara fließen. Auch 2007 in Heiligendamm wollten die G8 "den Impuls von Gleneagles aufnehmen" und die "Hilfe für Afrika" ins Zentrum stellen. Tatsächlich wurden die Zusagen niemals eingehalten. So hat Deutschland das verbindliche Zwischenziel klar verfehlt, im Jahr 2010 eine Quote von 0,51 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe zur Verfügung zu stellen.

Quelle: Website von Attac Deutschland; www.attac.de




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