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Ein Afrikaner in Schottland

Der Kontinent des Elends vor dem Gipfel der Reichen

Von Gerd Schumann

Als vielbeachteter Gast im Dunstkreis der »Großen sieben« plus Rußland (G 8) wurde am Mittwoch in Gleneagles neben Chinas Staatschef Hu Jintao auch Olusegun Obasanjo erwartet: Ein leibhaftiger Afrikaner auf dem »Afrika-Gipfel«! Nigerias Staatschef war tags zuvor als Vorsitzender der Afrikanischen Union (AU) von deren Gipfel beauftragt worden, den G 8 die Forderung nach einem Erlaß sämtlicher Schulden zu unterbreiten.

In dieser Frage herrschte während der beiden Konferenztage im libyschen Syrte Einmütigkeit unter den 53 teilnehmenden Staaten: »Von einem Schuldenerlaß müssen alle afrikanischen Länder profitieren«, hieß es in der Abschlußerklärung eindeutig – eine Forderung, mit der die AU scheitern wird. Selbst die derzeit erwogene teilweise Schuldenstreichung für einige wenige Staaten durch die mächtigsten kapitalistischen Länder ist mit Auflagen verbunden. Und ob sich die G 8 über ihr zentrales Thema hinaus auch weiteren Fragen des afrikanischen Elends stellen werden, blieb bis zum Mittwoch unklar. Bekannt wurde lediglich, daß »etliche weitere Problempunkte« auf der Agenda stehen. Irak, Iran, Nordkorea, Nahost wurden genannt. Afrika nicht.

Dort standen in den vergangenen Tagen aktuelle Entwicklungen um die Demokratische Republik Kongo (DRK) sowie um die westsudanesische Krisenregion Darfur im Brennpunkt. Am späten Dienstag abend schien es fast so, als gäbe es für den Sudan einen Hoffnungsschimmer: In der nigerianischen Hauptstadt Abuja unterschrieben Vertreter von Regierung und Darfur-Rebellen ein Dokument, das »eine friedliche Regelung des Konflikts« (AP) vorsieht. Später hieß es jedoch einschränkend, daß es sich lediglich um eine »Absichtserklärung« handelte. Eine umfassende Friedensvereinbarung blieb weiter offen. Wichtig für die zukünftigen Auseinandersetzungen um Darfur könnte allerdings die vereinbarte Verpflichtung der auch vom Ausland finanzierten Rebellengruppen sein, die »Einheit des Sudans« zu respektieren – so das Ergebnis von Verhandlungsrunde fünf. Ein nächster Treff in Abuja wurde für den 24. August festgelegt.

Amnesty International erregte am Dienstag mit einem Bericht Aufsehen. Demnach wird die seit über einem Jahrzehnt anhaltende Krise in der zentralafrikanischen Große-Seen-Region weiterhin durch ausländische Waffenlieferungen angeheizt. Das wegen seiner reichen Bodenschätze umkämpfte Gebiet werde von Rüstungsgütern regelrecht »überschwemmt«. In Kongo-Kinshasa, Ruanda und Uganda würden mit den Waffen »massenhaft schwere Menschenrechtsverletzungen begangen«, so ai. Als Herkunftsländer des Kriegsgeräts benannte die Organisation Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Tschechien, Israel, Rußland, Serbien, Südafrika, Großbritannien und die USA. Aus Albanien und Serbien seien von Ende 2002 bis Mitte 2003 rund 400 Tonnen Munition – größtenteils für Kalaschnikow-Sturmgewehre – nach Ruanda verschifft worden. An dem Handel waren Firmen aus Israel, Ruanda, Südafrika und Großbritannien beteiligt. Weitere Munitionslieferungen erreichten Ruanda Mitte 2004 per Flugzeug aus Osteuropa.

Der UN-Sicherheitsrat wurde von Amnesty »aufgerufen«, das existierende Waffenembargo für die DRK zu erneuern und zu verschärfen sowie strenge Restriktionen gegen jeden Staat zu verhängen, »der nachweisbar Waffen in die DRK exportiert«. Allerdings blieb offen, wie und wann den Schuldigen der Export nachgewiesen werden kann. Immerhin wurde das Embargo am 27. Juli 2003 verfügt und zeigt bis heute offensichtlich keinerlei Wirkung. Zudem blieb die Frage aller Fragen unbeantwortet: Warum wurden die an der illegalen Ausbeutung der natürlichen Ressourcen von Kongo-Kinshasa Beteiligten, darunter auch internationale Konzerne, als eigentliche Krisenverursacher bisher nicht sanktioniert? Eine UN-Kommission hatte dies im November 2001 nicht nur empfohlen, sondern auch Namen und Hausnummern genannt.

* Aus: junge Welt, 7. Juni 2005


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