Wasserwerfer zum Abschied
IWF-Stimmrechte werden zugunsten ärmerer Länder verändert
Von Jürgen Gottschlich, Istanbul *
Die Schwellenländer sollen im Internationalen Währungsfonds (IWF) mehr
Stimmrechte erhalten. Doch ihre Forderung nach einer Gleichstellung mit
dem Westen wird nicht erfüllt. Die Weltbank warnt vor einem Engpass bei
der Hilfe für die ärmsten Länder.
Auch zum Abschluss der Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds
und Weltbank gab es am Mittwoch (7. Okt.) in Istanbul Demonstrationen, die in
schweren Aus-einandersetzungen zwischen Polizei und einigen militanten
linken Gruppen endeten. Während Gewerkschaftsgruppen erneut versuchten,
friedlich gegen die Politik des IWF zu demonstrieren, unter der große
Teile der Bevölkerung des Landes lange litten, setzten sich einige
Vermummte ab und warfen Steine sowie Molotowcocktails auf Bankfilialen,
Autos und Häuser. Während Ministerpräsident Tayyip Erdogan die
Ausschreitungen scharf verurteilte und gleichzeitig behauptete, jeder
könne friedlich mit einem Megafon in der Hand seinen Protest zum
Ausdruck bringen, fegten die Wasserwerfer der Polizei zur selben Zeit
friedlich demonstrierende Gewerkschafter von der Straße.
Insgesamt nahm die Polizei mehr als 120 Demonstranten fest, viele von
ihnen müssen mit schweren Strafen rechnen. Ein Anwohner, der am
Dienstagnachmittag aufgrund der Auseinandersetzungen einen Herzinfarkt
erlitt, starb auch deshalb, weil das Taxi, mit dem er zum Krankenhaus
gebracht werden sollte, immer wieder von der Polizei aufgehalten wurde.
Derweil verabschiedeten sich die Delegierten der Jahrestagung mit einer
Abschlussveranstaltung aus Istanbul. Der Vorsitzende der Plenarsitzung,
Vietnams Zentralbankchef Nyugen van Giau, forderte, IWF und Weltbank
müssten sich reformieren und die Weltwirtschaft müsse besser überwacht
werden. Weltbankchef Robert Zoellick warnte vor einem finanziellen
Engpass bei der Unterstützung armer Länder im kommenden Jahr und
forderte eine Aufstockung der Mittel seiner Institution. Knapp 100
Millionen Menschen seien durch die Krise zusätzlich in die Armut
gedrängt worden, und ohne weitere Hilfen könnten sich Unruhen und Kriege
ausbreiten.
Konkret einigten sich die Delegierten darauf, dass die Weltbank
zukünftig ihre Stimmrechte so umverteilt, dass ärmere Länder drei
Prozent mehr bekommen sollen und somit 47 Prozent der Gesamtstimmen
repräsentieren würden. Bei der wichtigeren Stimmrechtsverteilung im IWF,
durch die auch die neue Gewichtung innerhalb der Weltwirtschaft zum
Ausdruck kommen soll, will das Lenkungsgremium der Institution bis zum
Frühjahr 2011 insgesamt fünf Prozent der Stimmen von den europäischen
Ländern und den USA abziehen und den Schwellenländern zuschlagen. Diese
hatten allerdings mindestens sieben Prozent gefordert, um eine
Gleichstellung beim Stimmrechtsanteil mit den Industrieländern zu
erreichen. Dies wurde ihnen (noch) nicht gewährt.
* Aus: Neues Deutschland, 8. Oktober 2009
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