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Afrikanischer Meilenstein

Globalisierungskritiker treffen sich zum Weltsozialforum 2007 in Nairobi (Kenia). 120.000 Menschen werden erwartet

Von Haidy Damm, Nairobi *

Sechs Jahre nach dem ersten Weltsozialforum im brasilianischen Porto Alegre findet der Gipfel in diesem Jahr erstmals ausschließlich auf afrikanischem Boden statt. Bis zu 120 000 Aktivisten, Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschafter und Kirchenvertreter werden in Nairobi erwartet.

Noch sind die Straßen von Nairobi so voll wie an anderen normalen Tagen. Gerade auf der staugefährdeten Straße nach Karachi, Kenias größtem Stadion, wird das in dieser Woche anders sein. Hier beginnt morgen das 7. Weltsozialforum unter dem Motto »People's struggles, people's alternatives – another world is possible« (Kämpfe der Menschen, Alternativen der Menschen – eine andere Welt ist möglich). Auf dem Gelände geht alles noch seinen gemächlichen Gang. Die Zelte für das Jugendcamp sind bereits aufgebaut. Vor dem Stadion reihen sich weiße Pavillons aneinander, Bauarbeiter klettern auf fünf Meter hohen Zelten herum. Ab morgen werden hier bis zu 120 000 Aktivisten aus aller Welt erwartet. Nairobis 42 000 Hotelplätze gelten schon seit Wochen als ausgebucht.

Teilnehmer aus aller Welt

An der Registrierung für das WSF im Zentrum der kenianischen Hauptstadt tummeln sich zahlreiche Freiwillige und Angereiste. Unter Pavillons werden Aktivitäten abgesprochen, erste Kontakte geknüpft. Das Organisationsteam ist in diesen Tagen schwer zu erreichen. Seit über einem Jahr haben zahlreiche Aktivisten das Forum vorbereitet, erzählt Jeffrey aus Kenia. »Das war harte Arbeit, aber ich denke, es wird ein Erfolg«, sagt er.

Aktivisten aus Afrika, Europa, Asien, Nord- und Lateinamerika haben sich angesagt. Aus Deutschland reisen neben einzelnen Aktivisten Delegationen des Gewerkschaftsbundes, der Rosa-Luxemburg-Stiftung und Attac an. Einen »Meilenstein in der Geschichte des Weltsozialforums« erhoffen sich die Organisatoren.

Für viele – gerade afrikanische Teilnehmer – begann dieser Meilenstein jedoch mit Visaproblemen. So wird den Organisatoren vorgeworfen, die Internetregistrierung der afrikanischen Teilnehmer zu spät beantwortet zu haben, viele hätten so kein Visum mehr erhalten. Jeffrey weiß um diese Probleme, schiebt die Verantwortung jedoch auf die kenianische Regierung. »Die haben vielen zum Beispiel aus Somalia oder Sudan ein Visum verweigert, offiziell, weil sie Angst haben, dass Menschen aus Krisenregionen das Forum nutzen, um hier zu bleiben.« Wegen ihrer Grenzpolitik gegenüber somalischen Flüchtlingen ist die kenianische Regierung seit dem Einma-rsch der äthiopischen Armee immer wieder in der Kritik.

Doch auch Geld spielt eine entscheidende Rolle bei der Frage wer hier ist und wer nicht. Nairobi ist teuer und viele Aktivisten werden wohl schon mangels finanzieller Möglichkeiten zu Hause bleiben müssen.

Wenig Resonanz in den Medien

In Kenia selbst scheint das Forum keine besonders große Rolle zu spielen. In den Nachrichten und der Tageszeitung »Daily Nation« wird es mit keinem Wort erwähnt. Rund um Nairobi nimmt kaum jemand Notiz, bei den Menschen auf der Straße sind die Informationen nicht angekommen. Das bestätigt auch Kate, die in ihrer Schule davon erfahren hat und jetzt zu den Freiwilligen gehört, die die Infrastruktur aufrecht erhalten. »In der Öffentlichkeit hat man leider nicht so viel von dem Sozialforum gehört und warum es stattfindet,« sagt sie. Die 21-.Jährige hofft, dass sie außerhalb ihres freiwilligen Jobs Zeit findet, an Diskussionen über multinationale Unternehmen teilzunehmen. Über 1200 Veranstaltungen und Aktionen zu den Themen HIV/AIDS, Klimawandel, Landkämpfe, Frieden und Konflikte, Migration, Schuldenerlass, Freihandelsabkommen und Privatisierung sind geplant. Das gesamte Programm wird erst am Samstag vorliegen. Neben der Kritik an Herrschaftsbeziehungen zwischen den Industriestaaten und dem Süden werden auch neue Süd-Süd-Partnerschaften eine Rolle spielen Und die Frage »Wie weiter mit dem Weltsozialforum« ist aufgeworfen. Denn als Treffen organisierter Nichtregierungsorganisationen mag es erfolgreich gewesen sein in den vergangenen Jahren, der Anspruch, ein Treffen von Basisaktivisten zu sein, wurde jedoch selten eingelöst, so Kritiker wie der Autor von »pambazuka-news«, Mouhamadou Tidiane Kasse.

Für viele organisierte Aktivisten stehen die Netzwerke als eigentliches Ziel des Forum im Vordergrund. So hofft Asmus aus Dänemark von der Gruppe »MS Kenya« auf Debatten über die Auswirkungen der Globalisierung vor Ort. »Hier können wir den Einfluss und die Folgen des globalisierten Kapitalismus direkt beobachten. Diese Chance sollten wir nutzen,« sagt er. Und auch die deutsche Teilnehmerin Gertrud Falk von Fian International setzt auf Netzwerke. »Ich hoffe auf internationalen Austausch und eine Menge neuer Ideen«, so die Koordinatorin der Kampagne für die Rechte von Blumenarbeitern.

Eröffnet wird das Forum am Samstag Mittag im Uhuru Park im Zentrum Nairobis. Hier werden bis zu 400.000 Teilnehmer erwartet, der größte Demonstrationszug wird aus Karachi, Nairobis Slum erwartet.

* Aus: Neues Deutschland, 19. Januar 2007

Absturz von Kibaki

Von Martin Ling *

Der Wahlslogan 2001 von Mwai Kibaki war großspurig: »Alles ist möglich ohne Moi«. Daniel arap Moi hatte von 1978 bis 2002 ununterbrochen Kenia regiert und nach 24 Jahren ein schweres Erbe hinterlassen: eine schrumpfende Wirtschaft, eine von einst vorbildlichen 95 Prozent auf 67 Prozent gesunkene Einschulungsrate und eine fast durchgängige Korruption vom Streifenpolizisten bis zum Präsidenten selbst: »L´état c'est Moi«, skandierten des Französischen mächtige Studenten gerne bei Demonstrationen gegen arap Moi.

Kibaki versprach den radikalen Wandel und gewann die Präsidentschaftswahlen an der Spitze einer Regenbogenkoalition (NARC) von mehr als einem Dutzend Parteien. Der Start war verheißungsvoll: kostenlose Schulbildung für alle und die Berufung von John Githongo zum Antikorruptionsbeauftragten der Regierung: Githongo war bis dahin als Journalist der größte Kämpfer gegen die Korruption. Doch schon die angekündigte Kabinettsverschlankung war ein Schlag ins Wasser, wollten doch die vielen Ansprüche aus der NARC befriedigt sein.

Githongo flüchtete 2005 frustriert ins britsche Exil, weil seine Bemühungen auf anderen Ebenen torpediert wurden und auch im Kabinett mehrere höchst korruptionsverdächtige Politiker sitzen. NARC wird im Volksmund inzwischen mit Never 'as really changed (Nichts hat sich wirklich verändert) übersetzt. Dass Kenia nach Mali 2006 zum Austragungsort des Weltsozialforums erkoren wurde, hat mit den starken sozialen Bewegungen im Lande zu tun, allen voran dem Green Belt Movement der 2004 zur Friedensnobelpreisträgerin gekürten Wangari Maathai.

* Aus: Neues Deutschland, 19. Januar 2007




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