Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Süden formiert sich

Indien, Brasilien und Südafrika wollen die trilaterale Kooperation intensivieren

Von Pranjoy Guha Thakurta, IPS *

Indien, Brasilien und Südafrika, auch IBSA-Gruppe genannt, sind die wichtigsten Wirtschaftsmächte ihrer Regionen. Schon seit einiger Zeit bemühen sich die Regierungen dieser drei Länder, durch Ausbau der trilateralen Beziehungen eine Vorreiterrolle bei der Süd-Süd-Kooperation zu spielen und ein politisches und ökonomisches Gegengewicht zu den mächtigen Industrienationen des Nordens zu schaffen.

Am 13. September erwartet der brasilianische Staatspräsident Luiz Inácio Lula da Silva den indischen Ministerpräsidenten Manmohan Singh und den südafrikanischen Staatspräsidenten Thabo Mbeki zu Gesprächen über eine mögliche Freihandelszone. Sie soll nicht nur die drei Verhandlungspartner miteinander verbinden, sondern auch Auswirkungen auf die Wirtschaftsblöcke haben, denen sie angehören.

Handelsvolumen steigt

Brasilien ist mit Argentinien, Paraguay, Uruguay, Venezuela und bald auch Bolivien im Gemeinsamen Markt des Südens (MERCOSUR) eingebunden, Südafrika gehört zusammen mit Botswana, Lesotho, Namibia und Swasiland zur Zollunion des Südlichen Afrika (SACU). Indien, Bangladesch, Bhutan, die Malediven, Nepal, Pakistan und Sri Lanka sind Mitglieder im Südasiatischen Verband für Regionale Zusammenarbeit (SAARC).

Noch macht der Handel untereinander weniger als zwei Prozent des gesamten Volumens von Indien, Brasilien und Südafrika aus. Auch zählt keiner der drei Staaten zu den zehn wichtigsten Handelspartnern der anderen. Dennoch haben die IBSA-internen Geschäfte in den letzten Jahren merklich zugelegt und könnten bis 2007 einen Wert von zehn Milliarden US-Dollar erreichen. Zwischen 2001 und 2005 wurde das Volumen des gemeinsamen Handels zwischen Indien und den ­MERCOSUR-Staaten von weniger als einer Milliarde auf 2,3 Milliarden Dollar erhöht. Die Umsätze zwischen Indien und Südafrika sind im gleichen Zeitraum von 1,3 Milliarden auf 3,1 Milliarden Dollar gestiegen.

Organisationen wie das »South Afri­can Institute of International Affairs« (SAIIA), die »Business Unity of South Africa« (BUSA), die indische »Consumer Unity & Trust Society« (CUTS) und das brasilianische »Instituto de Estudos do Comércio e Negociações Internacionais« (ICONE) raten der IBSA-Gruppe zur verstärkten Kooperation in kapitalintensiven Bereichen wie der Biotechnologie, dem Pharmasektor, dem Bergbau und der Biotreibstoffproduktion, aber auch bei der Luft- und Raumfahrt und der Nuklearenergie. In etlichen Wirtschaftszweigen stehen sich die drei Staaten ungeachtet der gegenseitigen Unterstützung bei Verhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) als Konkurrenten gegenüber. Das trifft etwa auf die Exportmärkte für Leder und Bekleidung zu, aber auch auf landwirtschaftliche Produkte wie Baumwolle und Zucker.

Ineffektiver Transport

Größtes Hindernis bei der Entwicklung des trilateralen Handels sind zur Zeit komplizierte Transportwege und entsprechend hohe Kosten. So nehmen die meisten Lieferungen von Indien und Brasilien nach Südafrika wegen zu kleiner Kontingente für eine direkte Containerverbindung ihren Weg noch immer über Europa. Hinzu kommen sprachliche Probleme. Noch finden sich in Indien so gut wie keine Übersetzer und Dolmetscher für Portugiesisch, die brasilianische Landessprache. Außerdem hat eine von SAIIA, CUTS und ICONE durchgeführte Untersuchung herausgefunden, daß vor allem kleine und mittelständische Unternehmer in den drei Staaten von der IBSA-Initiative noch nie etwas gehört haben.

Die bisher getätigten Investitionen verteilen sich äußerst ungleichgewichtig. So ist der indische Pharmaproduzent Ranbaxy sowohl in Südafrika als auch in Brasilien präsent. Ebenso sind die indische Mahindra-Gruppe und der Automobilhersteller Tata Motors auf dem südafrikanischen Markt zu finden, während der südafrikanische Diamantenproduzent De Beers und der Brauereikonzern SAB Miller in Indien aktiv sind. Große brasilianische Unternehmen aber haben an Investitionen in den beiden anderen Staaten bislang kein Interesse gezeigt. Auch das soll ein Thema bei dem Gipfeltreffen im September sein.

Das IBSA-Dialogforum geht zurück auf ein Treffen der Außenminister Indiens, Brasiliens und Südafrikas im Juni 2003 in Brasilia. Ihm folgten weitere Zusammenkünfte im März 2004 in Neu-Delhi, im März 2005 in Kapstadt und im März 2006 in Rio de Janeiro. An einem Strang gezogen haben die drei Staaten auch bei den Diskussionen um eine Reform des UN-Sicherheitsrates. Doch die Wirtschaftsexperten der Länder drängen auf weitergehende Kooperationen. Mbulelo Rakwena, im südafrikanischen Außenministerium für die Region Lateinamerika/Karibik zuständig, betonte im Gespräch mit IPS, daß die drei Staaten prinzipiell gut zueinander passen. Alle seien etablierte Demokratien, stünden auf einem vergleichbaren Entwicklungsniveau und hätten ähnliche Probleme mit der Armutsbekämpfung.

Besonders viel verspricht sich Pranav Kumar von CUTS von einer Zusammenarbeit in der Luft- und Raumfahrt. Indien sei stark in den Bereichen der militärischen Luftfahrt und der Weltraumtechnologie, Brasilien habe große Erfahrungen beim Bau von Passagierflugzeugen und Südafrika wiederum bei der Entwicklung der nötigen Elektronik. Hier könnten positive Synergieeffekte entstehen, die man nicht ungenutzt lassen sollte. Im Blick hat er nicht zuletzt die Tatsache, daß die internationale Raumfahrtindustrie im Jahr um 25 Prozent wächst.

* Aus: junge Welt, 19./20. August 2006 (Wochenendausgabe)


Zur Seite "Globalisierung"

Zur Indien-Seite

Zur Brasilien-Seite

Zur Südafrika-Seite

Zurück zur Homepage