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Wasserraub auf allen Kontinenten

Aktivisten diskutierten in Marseille über das Konfliktpotenzial des blauen Goldes

Von Leila Dregger *

Am 22. März ist jedes Jahr Weltwassertag. Vorab tagte in Marseille das Alternative Wasserforum vom 14. bis 17. März unter dem Motto »Wasser - eine Quelle des Lebens und nicht des Profits«.

Knappheit wirkt preistreibend - das gilt auch für Wasser. Das zieht profitgierige Unternehmen an und sorgt für Konflikte. Um über Konfliktlösungen nachzudenken, trafen sich in Marseille rund 3000 Gewerkschafter, Wasseraktivisten und lokale Initiativen aus vielen Ländern. Darunter waren Oscar Oliveira, bolivianischer Gewerkschaftsführer und einer der Hauptakteure während des Wasserkrieges in Cochabamba 2000, und Maude Barlow, mit ihrem Buch »Blaues Gold« eine Art Großmutter der globalen Wasserbewegung. Das Fazit, untermauert durch Berichte und Beispiele aus allen Erdteilen: Die global organisierte Privatisierung und Ausbeutung von Wasservorräten zerstören Natur und die bäuerliche Landwirtschaft, sie nehmen Millionen Menschen die Möglichkeit zur Autonomie, sie machen aus Kleinbauern, Indigenen und bislang intakten Gemeinden Wasserflüchtlinge. Das Wort Water Grabbing (Wasserraub) in Anlehnung an Land Grabbing ist dafür ein einprägsamer Begriff geworden.

Beispiele dafür gibt es buchstäblich aus allen Erdteilen. Aus Indonesien berichtete ein Gewerkschaftsmitglied: Zuerst habe die US-Regierung der indonesischen Regierung einige hundert Millionen Dollar gezahlt, um die Wassergesetzgebung zu liberalisieren. Dann erwarb Aqua-Danone Wasserrechte ganzer Regionen und bohrte so tief und großräumig nach Wasser, dass ursprünglich fruchtbare Böden austrockneten und bäuerliche Landwirtschaft nicht mehr möglich ist. Als Folge davon nimmt die Landflucht zu.

Auch die israelische Besatzung der Westbank kann als Schauplatz des globalen Wasserkrieges wahrgenommen werden, wie etwa die Initiative »Thirsting for Justice« (Dürsten nach Gerechtigkeit) darstellte. Der Lauf der Mauer folge den Wasserläufen und schneide palästinensische Bauern und Gemeinden systematisch von den vier Aquiferen Palästinas ab. Anträge auf Brunnenbohrungen müssen bei der israelischen Armee gestellt werden.

In südeuropäischen Ländern wie Portugal und Spanien wird kleinbäuerliche Landwirtschaft ebenfalls immer schwieriger, da das Wasser durch große Staudämme vom Land abgezogen und konzentriert wird und dann zurückgekauft werden muss, was sich für die Kleinbauern nicht rechnet. Während sich Staudammbetreiber als Retter gerieren, wird die iberische Halbinsel schon heute im weiten Umfang von Großgrundbesitzern und multinationalen Agrarfirmen bewirtschaftet, natürlich in Monokultur und mit dem Einsatz von Agrarchemie.

Aber auch im urbanen Umfeld, vor allem in den Slums von Afrika, Asien und Lateinamerika, wird die Versorgung mit sauberem Trinkwasser immer schwieriger. Bereits heute fehlt laut der Weltgesundheitsorganisation 1,3 Milliarden Menschen der Zugang zu sauberem Wasser. Verschmutztes Trinkwasser ist für viele Krankheiten verantwortlich und für den Tod von rund 1,8 Millionen Kindern im Jahr.

* Aus: neues deutschland, 20. März 2012


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