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Bundesregierung begrüßt verhalten ... NGOs und Gewerkschaften üben Kritik

Reaktionen auf die Ergebnisse des WTO-Gipfels in Hongkong: Wirtschafts-, Entwicklungs- und Landwirtschaftsministerium, WEED und Europäischer Gewerkschaftsbund

Die Meinungen über den WTO-Gipfel in Hongkong gehen weit auseinander. Nicht einmal in der Bundesregierung gibt es eine einheitliche Auffassung. Im Folgenden dokumentieren wir Stellungnahmen zu den Ergebnissen des WTO-Gipfels von

Erklärung von Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul

zu den Ergebnissen der WTO-Ministerkonferenz in Hongkong vom 18.12.2005

1. Die Ergebnisse der WTO-Ministerkonferenz in Hongkong sind ein Schritt zu gerechteren Handelsbeziehungen und einer gerechteren Gestaltung der Globalisierung, der weitere Schritte folgen müssen.

2. Angesichts der Ausgangssituation mit einer extrem komplexen, unterschiedlichen Interessenlage der verschiedenen Entwicklungsländer- und Industrieländergruppen war die Festlegung mit Zeitziel zum Auslaufen der Agrarexportsubventionen ein kaum zu erwartendes Ergebnis.

3. Den Entwicklungsländern ist nach dem 11.9.2001 eine echte Entwicklungsrunde zugesagt worden. Ich begrüße es deshalb außerordentlich, dass die Agrarexportsubventionen der Industrieländer (und zwar aller) bis zum Jahr 2013 vollständig auslaufen müssen, und die ersten Stufen schnell erfolgen müssen. Das ist ein großer Fortschritt (zum ersten Mal seit 30 Jahren), wobei ich nicht verhehle, dass mir ein Auslaufen bis zum Jahr 2010 lieber gewesen wäre.

4. Das so genannte Entwicklungspaket bedeutet:
  1. Ärmste Entwicklungsländer erhalten einen zoll- und quotenfreien Zugang zu den Märkten der Industrie- und Schwellenländer für alle Produkte außer Waffen (wie es bereits in der EU gilt mit der "Everything-but-arms-Initiative")
  2. In der Frage der Generika-Produktion und Verbreitung sind neue Regelungen vereinbart: Entwicklungsländer dürfen nicht nur selbst Nachahmerpräparate herstellen (wie zum Beispiel zur Behandlung von Aids-Kranken), sondern dürfen diese auch exportieren.
  3. Im Bereich "Aid for trade" (handelsbezogene Entwicklungszusammenarbeit) ist Deutschland schon bereits jetzt zweitgrößter Geber
5. Es ist bedauerlich, dass es in der Baumwollfrage keine wirkliche Bewegung gegeben hat. Zwar werden Baumwollexportsubventionen abgebaut, es gibt aber keine verbindliche Regelung, wie mit interner Subventioniertung umgegangen werden soll. Besonders skandalös sind die internen Stützungsmaßnahmen der USA für rund 25.000 Großfarmer im Umfang von 4 Mrd. US-Dollar im Jahr, während 15 Millionen afrikanische Baumwollbauern immer ärmer werden. Es muss dringend ein Zeitziel zum Abbau der internen Unterstützung vereinbart werden. Die EU hat ihre Baumwollmarktordnung bereits reformiert.

6. Die laufende Welthandelsrunde hat, wenn auch spät, nun etwas an Fahrt gewonnen. Dieser neue Schwung muss 2006 genutzt werden. Die Beschlüsse von Hongkong dürfen nur der Anfang sein.
  • Insgesamt war die Konferenz von Hongkong die letzte Chance, zu einer gemeinsamen Position der fast 150-WTO-Mitgliedsstaaten zu kommen. Das ist ein gewisser Erfolg des Multilateralismus.
7. Wie soll es weitergehen?
  • In den Fragen der Baumwollsubventionen muss schnell eine Lösung zugunsten der afrikanischen Baumwollproduzenten gefunden werden.
  • Grundsätzlich gilt, dass der Prozess der WTO enger verknüpft werden muss mit globalen Umweltregelungen und globalen Arbeitsmarktregelungen, wie sie beispielsweise die Internationale Arbeitsorganisation ILO durchzusetzen sucht.
  • Denn in Zeiten der Globalisierung ist eine kohärente globale Regierungsführung unerlässlich. Dabei dürfen die Rechte der Schwächeren, die Rechte von Minderheiten, Umwelt- und Sozialstandards nicht aufgeweicht werden.
  • Sonst wird der Versuch scheitern, einen weltweiten Markt zu schaffen, von dem alle profitieren. Das kann niemand wollen.
Quelle: www.bmz.de

Wieczorek-Zeul begrüßt Abschaffung aller Agrarexportsubventionen

Bundesentwicklungsministerin zum Erfolg der WTO-Ministerkonferenz
18.12.2005

Zum Abschluss der WTO-Ministerkonferenz in Hongkong erklärt Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul: "Den Entwicklungsländern ist nach dem 11.9.2001 eine echte Entwicklungsrunde zugesagt worden. Es ist gut, dass es nun erste positive Ergebnisse für die Entwicklungsländer gibt. Insbesondere begrüße ich, dass die Agrarexportsubventionen aller Industrieländer bis zum Jahr 2013 vollständig auslaufen sollen. Darauf haben die Entwicklungsländer lange warten müssen. Ich hätte mir eine schnellere Regelung gewünscht. Aber es ist wichtig, dass nun ein verbindlicher Zeitpunkt festgelegt ist, bis zu dem stufenweise die Agrarexportsubventionen beendet sein müssen - ein Zeitrahmen, an den sich alle halten müssen. Das ist ein großer Fortschritt."

Zu begrüßen sei auch, dass die ärmsten Entwicklungsländer für ihre Produkte ab 2008 einen weitgehend zoll- und quotenfreien Zugang zu den Märkten der Industrieländer erhalten werden.

Bereits kurz vor der Konferenz war beschlossen worden, dass Entwicklungsländer nicht nur selbst Nachahmerpräparate gegen übertragbare Krankheiten kostengünstig herstellen, sondern sie auch in andere Entwicklungsländer exportieren dürfen. "Die laufende Welthandelsrunde hat - wenn auch spät - nun etwas an Fahrt gewonnen. Dieser neue Schwung muss 2006 genutzt werden. Die Beschlüsse von Hongkong dürfen nur der Anfang sein", erklärte Wieczorek-Zeul.

Unbefriedigend seien dagegen die Beschlüsse zur Baumwolle. "Zwar ist es gut, dass die Baumwollexportsubventionen ab 2006 wegfallen. Entscheidend ist aber, dass die internen Subventionen der Baumwollfarmer in den Industrieländern abgeschafft werden müssen. Dazu gibt es nach wie vor kein Zeitziel", so Wieczorek-Zeul. Insbesondere die USA subventionieren 25.000 Baumwollgroßfarmer jährlich mit rund 4 Mrd. US-Dollar, während in den westafrikanischen Ländern Benin, Burkina Faso, Mali und Tschad 15 Millionen Menschen vom Verkauf ihrer Baumwolle auf den Weltmärkten abhängig sind. Die EU hat ihre Baumwollordnung bereits reformiert.

Quelle: www.bmz.de


Seehofer begrüßt Einigung bei den WTO-Verhandlungen in Hongkong

Pressemitteilung Nr. 344 vom 19. Dezember 2005

"Ich bin mit dem gestern in Hongkong erzielten Kompromiss sehr zufrieden", erklärte Bundesminister Horst Seehofer heute in Berlin zu den Ergebnissen des WTO-Ministertreffens. "Alle Länder, nicht nur die EU, sind nun an das Datum 2013 gebunden und müssen dann ihre Exportsubventionen beenden", unterstrich Seehofer. "Das nun konkretisierte Datum für das Auslaufen der Exportsubventionen im Jahr 2013 gibt unseren Exporteuren und Landwirten die nötige Planungssicherheit", so Seehofer.

"Der Versuch ist gescheitert, die Landwirtschaft zum Sündenbock für die Schwierigkeiten in den Verhandlungen zu machen. Der Abschluss zeigt, dass genau das nicht der Fall ist, sondern dass vor allem die Bereitschaft, im Landwirtschaftsbereich aufeinander zuzugehen, die Basis für Fortschritte in den Verhandlungen war," sagte der Minister. "Europa hat dabei an einem Strang gezogen und die Nerven bewahrt", sagte Seehofer. Über zahlreiche bilaterale Gesprächen sei der Minister in den Verhandlungsprozess eingebunden gewesen. Dabei habe er vor allem intensive Diskussionen mit seinem französischen Amtskollegen geführt.

Die in Hongkong erzielte Einigung habe gezeigt, dass das europäische Agrarmodell zukunftsfähig sei. Die Ergebnisse dienten nicht zuletzt den Exportinteressen der wettbewerbsfähigen deutschen Land- und Ernährungswirtschaft. "Mir war es wichtig, dass am Ende der Verhandlungen ein Ergebnis steht, das zu einer Liberalisierung mit Augenmaß führt und das europäische Modell einer multifunktionalen Landwirtschaft respektiert. Ich bin sehr froh darüber, dass das gelungen ist", sage Seehofer. "Die Einigung unterstreicht, dass hohe Standards im Verbraucherschutz, dem Tierschutz und dem Umweltschutz in der Landwirtschaft auch in Zukunft Gültigkeit haben", sagte der Minister.

"Die reformierte EU-Agrarpolitik _ jüngst durch die Beschlüsse zur Reform der Zuckermarktordnung bekräftigt _ war ein zentrale Beitrag der EU in der Verhandlungsrunde. Mit dem Ergebnis können alle Beteiligten gut leben, denn eine intakte Landwirtschaft mit einer sicheren Zukunftsperspektive ist im Interesse aller: sie sichert angesichts der weiter wachsenden Weltbevölkerung auch langfristig die Versorgung", so der Minister.

Quelle: www.verbraucherministerium.de


Statement des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie Michael Glos MdB

Bundespressekonferenz zur WTO-Ministerkonferenz in Hongkong
Berlin, 19.12.2005

Die 6. Ministerkonferenz der WTO konnte am 18.12.2005 in Hongkong mit der Einigung auf einen Text der Minister-Erklärung abgeschlossen werden.
Damit konnte ein Misserfolg wie in Cancun oder Seattle vermieden werden. Die Einigung ist vor allem ein Verhandlungserfolg des WTO-Generaldirektors Pascal Lamy und des europäischen Verhandlers Peter Mandelson.

Im Verlauf stand die Konferenz kurz vor dem Scheitern, im wesentlichen wegen der bestehenden Differenzen über den parallelen Abbau von Exportsubventionen aller Art bis zu einem bestimmten Datum. Deutschland hat durch intensive Kontakte zu den EU-Partnern, zu anderen Verhandlungsdelegationen und zur Kommission konstruktiv zu dem Erfolg beigetragen.
Dennoch ist uns die Zustimmung am Ende sehr schwer gefallen. Eine Balance zwischen den verschiedenen Verhandlungszielen der Doha-Runde ist in dieser Minister-Erklärung noch nicht erreicht und muss noch in den weiteren Verhandlungen erreicht werden.
Insbesondere ist unser Hauptziel der Absenkung von Industriezöllen und der Beseitigung von nicht-tarifären Handelsbarrieren nur sehr schwach in der Minister-Erklärung vertreten. Aus deutscher Sicht wäre eine deutlichere Festlegung auf eine klare Abbauformel wünschenswert gewesen.

Eine Ablaufformel, die Industrieländer und Entwicklungsländer zwar unterschiedlich aber dennoch verpflichtet.
Der Weg zu einem erfolgreichen Abschluss der Doha-Runde ist jedoch nicht verschüttet. Aber vor uns liegt ein riesiger Berg von Verhandlungen, der im ersten Halbjahr 2006 abgebaut werden muss.
Hongkong war daher nur eine Zwischenstation, die mit zahlreichen befristeten Arbeitsaufträgen für das Jahr 2006 geendet hat.
Besonders hervorzuhebende positive Elemente der Hongkong-Erklärung sind:
  • Auch wenn es uns nicht gelungen ist, alle Einzelheiten der künftigen Zollsenkungen zu vereinbaren, wird in den Industriezollverhandlungen doch erstmals die von der EU geforderte Schweizer Formel als Arbeitsgrundlage genannt.
    Nach dieser Formel sollen höhere Zölle stärker gesenkt werden als niedrigere.
  • Positiv ist, dass wir ein umfassendes Arbeitsprogramm zum Abbau von Zollbürokratie verabschiedet haben.
    Hierdurch kann für unsere Wirtschaft bei der Abwicklung der Grenzformalitäten eine Kostenersparnis erreicht werden, die 5-10 % des Warenwertes ausmachen können. Das ist mehr als der Wert vieler Zollschranken.
  • Durch ihre Zustimmung zur Festlegung eines Enddatums für das Auslaufen der Agrarexportsubventionen hat die EU die Basis für die Einigung von Hongkong gelegt.
  • Ende 2013 sollen nicht nur die Exporterstattungen der EU, sondern auch die von anderen Staaten angewandten Exportsubventionen auslaufen:
    wie Exportkredite, wie kommerzielle Nahrungsmittelhilfen und Export durch Staatshandelsunternehmen.
    Details müssen noch verhandelt werden.
  • Der ehrgeizige Verhandlungsauftrag bei Dienstleistungen wurde nicht verschüttet, sondern bekräftigt. Auch hier müssen konkrete Arbeitsaufträge im Jahr 2006 abgearbeitet werden.
  • Ein Fortschritt für das Ziel, die Doha-Verhandlungen zu einer "Entwicklungsrunde" zu machen, ist die Verabschiedung des von der EU geforderten Entwicklungspakets.
    Die von Deutschland angestoßene "everything but arms"- (EBA) - Initiative (d.h. die Gewährung zoll- und quotenfreien Marktzugangs für Exporte der ärmsten Entwicklungsländern - Least Developed Countries) ist zum Vorbild geworden für andere Industriestaaten, ihre Märkte für Produkte aus den ärmsten Entwicklungsländern zu öffnen.
    Einige Industrieländer (USA, JAP) haben sich hierfür Übergangsfristen bis zur vollen Umsetzung ausgebeten.
    Die Initiative wird außerdem erstreckt auf leistungsfähige Entwicklungsländer. Durch die Öffnung ihrer Markte für LDCs wird auch der Süd-Süd-Handel gefördert.
  • Das Entwicklungspaket rückt ferner mit den "aid for trade"-Zusagen Entwicklungsprojekte in den Vordergrund. Diese sollen helfen, Entwicklungsländer in den Welthandel zu integrieren.
  • Deutschlands Einsatz für die afrikanischen Erzeuger von Baumwolle trägt erste Früchte. Die Ministererklärung enthält erste Verpflichtungen zum Subventionsabbau in diesem Bereich - auch wenn diese noch weiter konkretisiert werden müssen.
Hervorheben möchte ich, dass die Einigung durch große Kompromissbereitschaft und Flexibilität einer geschlossen und einheitlich auftretenden EU ermöglicht wurde.

Aus deutscher Sicht ist ein Bedauern auszudrücken, dass die Agrarprobleme die Verhandlungen so stark überlagert und dazu geführt haben, dass die ökonomisch wirklich wichtigen Verhandlungsmaterien in den Hintergrund getreten sind.

Allerdings hat die WTO sich mit dieser Einigung weiter auf dem Weg hin zu einem erfolgreichen Abschluss der Doha-Runde bewegt.

Es ist hoher Zeitdruck für die Detailverhandlungen gegeben. Das politische Signal für ein erfolgreiches Ergebnis ist jedenfalls vorhanden.

Bei allem noch bestehenden Konkretisierungsbedarf ist es mit der einmütigen Verabschiedung einer Ministererklärung gelungen, den multilateralen Prozess zu erhalten und von der WTO Schaden abzuwenden.

Jenseits der Welthandelsrunde bietet die WTO der Völkergemeinschaft mit dem Streitschlichtungsmechanismus ein einzigartiges Instrument zur Weiterentwicklung von Regeln in der globalisierten Wirtschaft. Dies ist von größter Bedeutung gerade auch für kleinere Länder.

Für die Bundesregierung wird es in den nächsten Monaten darauf ankommen, die Marktöffnungsinteressen unserer Industrie deutlicher in den Vordergrund zu rücken.

Ich bin weiterhin davon überzeugt, dass es gelingen kann, die Doha-Runde mit einem Ergebnis abzuschließen, das Wohlfahrtsgewinne und Verbesserungen für alle WTO-Mitglieder bringt.

Ich appelliere an die Vertreter aller WTO-Mitgliedsländer in Genf, jetzt unverzüglich und im positiven Geist in die kommenden Verhandlungen zu gehen.

Es kommt jetzt auf eine schnelle Folge informeller Treffen an, in denen die Stolpersteine aus dem Weg geräumt und Festlegungen auf die sogenannten Modalitäten festgelegt werden können. So z. B. Einzelheiten des Zollabbaus, der Dienstleistungen und des Subventionsabbaus.

Erst nach diesen Festlegungen kann die Einzelausarbeitung der Verpflichtungen der einzelnen Länder geschehen, die dann bei der WTO hinterlegt werden muss.

Quelle: www.bmwi.de


WTO-Zug kriecht langsam - aber: Weichenstellung in falschen Richtung

WEED kritisiert Rolle Deutschlands und der EU auf WTO-Konferenz

Pressemitteilung und erste Analyse der Abschlusserklärung von Hongkong
18.12.2005:

"In Hongkong sind die WTO-Träume von Konzernen und Industrieländern zum wiederholten Male geplatzt. Aber: Die Weichen für eine weitere Verschärfung der WTO-Abkommen zu Lasten der armen Länder sind gestellt. Der Freihandelsschnellzug kriecht zwar langsam, aber er rollt weiter. Und dabei überfährt er soziale Rechte und die Umwelt”, erklärte Handelsexperte Peter Fuchs von der entwicklungspolitischen NGO Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung (WEED) unmittelbar nach Bekanntwerden des Ergebnisses der WTO-Ministerkonferenz in Hongkong.

Seine Kollegin Christina Deckwirth ergänzte: "Deutschland und die EU waren als treibende Kräfte dabei, in einem intransparenten und fragwürdigen Prozess eine entwicklungsfeindliche Agenda durchzusetzen. Die Verhandlungstaktik der EU kam Erpressungsversuchen gleich. Es ist eine Unverschämtheit, wenn sich die EU nun zwei Mal dafür feiern lässt, dass sie die Exportsubventionen abschaffen werden."

Vertreter von WEED nahmen an der großen Abschlussdemonstration teil, auf der zivilgesellschaftliche Organisationen aus Hongkong zusammen mit den angereisten WTO-Kritikern aus aller Welt auf die negativen Folgen der Handelspolitik auf kleinbäuerliche Landwirtschaft, Migrantinnen, Arbeits- und Soziale Rechte, Entwicklung und Umwelt hinwiesen. "Die Proteste vor den Toren des abgeriegelten Konferenzzentrums machten noch einmal deutlich: Im Welthandel muss es um Regeln zugunsten der Menschen und der Umwelt gehen. Die WTO als eine Welt-Business-Organisation ist das falsche Forum dafür", so Alexis Passadakis von WEED.

Kurzanalyse der WTO-Abschlußerklärung für die Themenbereiche GATS, Agrar und NAMA

NAMA (Marktzugang für Nicht-Agrargüter)

NAMA: Was wurde verabschiedet?

Der Abschlusstext sieht zu NAMA die Festlegung auf eine so genannte ‚Schweizer Formel’ (Art. 14) vor, mit der die zukünftigen Zollsenkungen berechnet werden sollen. Für die weiteren Verhandlungen bleibt umkämpft, welche ‚Koeffizienten’ in diese Formel eingetragen und dann zur Zollberechnung benutzt werden. Während Deutschland und die EU auf nur zwei (sehr niedrige) Koeffizienten gedrängt hatte, konnte sie sich nicht durchsetzen und mussten die bloße Referenz auf eine "Swiss formula with coefficients (…)" akzeptieren.

Die Frage, ob Zollsenkungsverpflichtungen zukünftig ‚on a line-by-line basis’ (also Zolllinie für Zolllinie) oder als Durchschnittsverpflichtungen eingegangen werden müssen, blieb ebenfalls offen. Ferner gibt der Text keinerlei auch nur annähernd präzisierte Antwort auf die Frage der notwendigen Flexibilität und Sonderregeln für Entwicklungsländer sowie auf die Probleme der Präferenzerosion, mit der z.B. die AKP-Staaten - angesichts präferenziellen Marktzugangs zum EU-Markt - zu kämpfen haben werden.

Kritik des NAMA-Ergebnisses

Mit einer Festlegung auf weitere Verhandlungen über Zollsenkungen und den Abbau ‚nichttarifärer Handelshemmnisse’ im Industriegüter-Bereich - sowie u.a. bei Fischerei- u. Forstprodukten - bereitet der Text die weitere Marktöffnung für wettbewerbsfähige Unternehmen der Industrieländer vor. Er dient damit einer entwicklungsfeindlichen 'Konzernagenda' der EU und der USA. Viele Vorschläge von Entwicklungsländern zur Verteidigung ihrer Flexibilität wurden bereits beiseite geschoben.
Ein Stopp der Verhandlungen sowie die von vielen zivilgesellschaftlichen Akteuren und Gewerkschaften geforderten Analysen der Entwicklungs-, Beschäftigungs- und Umweltwirkungen weiterer NAMA-Vereinbarungen wurden ignoriert. Vielen Entwicklungsländern drohen damit Deindustrialisierung, der Verlust von Zolleinnahmen und der Wegfall zollpolitischer Schutzmöglichkeiten zum Aufbau und zur Förderung heimischer Industrien. Aus umweltpolitischer Sicht ist eine beschleunigte Liberalisierung brisanter Sektoren (Chemie, Elektronikprodukte, Forst-/Fischprodukte), der weitere Raubbau natürlicher Ressourcen und die Einschränkung umweltpolitischer Regulierungsmöglichkeiten zu befürchten.

Landwirtschaft

Was wurde entschieden?

Der größte Streitpunkt bei Landwirtschaft war die Frage des Enddatums der Exportsubventionen der EU. Die Ministererklärung enthält das Jahr 2013 als Enddatum für das Auslaufen der Exportsubventionen. Bis zum Jahr 2010 müssen Exportsubventionen zu einem "substantiellen” Teil abgebaut werden. Entscheidungen in den Bereichen Marktzugang, also vor allem Zollabbau wurden in Hong Kong genauso verschoben wie die Frage der internen Stützung. Für die "Nahrungsmittelhilfen” (Food Aid) der USA wurden neue Disziplinen in Aussicht gestellt.

Hintergrund

Die EU-Exportsubventionen waren im Agrarsektor der zentrale Streitpunkt der Ministerkonferenz. Denn die bäuerliche Landwirtschaft vieler Entwicklungsländer kann nicht mit der intensiven Landwirtschaft und den grossen Nahrungsmittelkonzernen aus dem Norden konkurrieren. Eine Förderung dieser Grossbetriebe und Agro-Konzerne mit Exportsubventionen verschärft das Problem des Exportdumpings bzw. ermöglicht es erst. Im Jamaika z.B. verloren viele Milchbauern ihre Absatzmärkte als das Land seine Agrarmärkte liberalisierte und damit hochsubventioniertes Milchpulver aus der EU auf den Markt kam. Die EU kündigte schon im August 2004 das Auslaufen der europäischen Exportsubventionen an. Damals stellte die EU dies als großes Zugeständnis gegenüber den Entwicklungsländern in der WTO vor. Im Gegenzug erwartete sie damals wir bis zuletzt auch in Hong Kong weit reichende Zugeständnisse bei NAMA und GATS.

Bewertung

Das Auslaufen der Exportsubventionen der EU war überfällig. Dennoch ist es falsch, die Ministererklärung als großes Zugeständnis der EU gegenüber den Entwicklungsländern zu loben. Dafür gibt es drei Gründe:
  1. Lassen sich die EU heute für das Enddatum feiern, ist dies eine Unverschämtheit. Denn schon im Juli-Paket im August 2004 hatten die EU ihr Angebot großes Zugeständnis "verkauft". Zudem ist noch lange nicht gut, etwas Schlechtes abzuschwächen. Die EU setzt nun lediglich das langsam um, was von ihr schon seit Jahren verlangt wird.
  2. Bis zum Jahr 2013 wird es weiterhin Exportsubventionen geben. Dies ist nun rechtlich festgeschrieben. Bis zu diesem Jahr werden viele Menschen, vor allem in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft weiter unter Exportdumping aus der EU zu leiden haben.
  3. Der Abbau von Exportsubventionen ist nicht das einzige Problem des Agrarabkommen: Durch das WTO-Agrarabkommen werden Ländern wichtige Schutzinstrumente genommen, ihre Landwirtschaft vor Dumping zu schützen. Eine dringend erforderliche Angebotsregulierung wird nicht ermöglicht. Probleme wie Abhängigkeiten kleinerer Produzenten von einigen wenigen TNKs durch Konzentrationsprozesse sowie "Terms of Trade" zugunsten der Entwicklungsländer werden nicht thematisiert.
Dienstleistungen/GATS

Was wurde entschieden?

Im Bereich Dienstleistungen waren die Verhandlungen der 6. Ministerkonferenz konzentriert auf einen umstrittenen Textentwurf für die Abschlusserklärung (Annex C), der eine drastische Beschleunigung und Verschärfung der bisherigen Verhandlungsweise des GATS-Abkommens vorsieht. Dieser war von der EU-Kommission und den europäischen Regierungen, insbesondere auch der deutschen Regierung, durchgesetzt worden und wurde in Hongkong aggressiv in die Verhandlungen hineingetragen.

Es beinhaltet folgende problematische Richtlinien:
  • ein enges Zeitraster für das Jahr 2006, dass die GATS-kritischen Schwellen- und Entwicklungsländer unter extremen Druck setzten wird
  • das Thema öffentliche Auftragsvergabe bleibt auf der Agenda und setzt somit ein entwicklungspolitisch wichtiges Instrument unter Druck
  • eine Ersetzung des bilateralen Verhandlungsverfahren, dass ein wenn auch geringes Maß an Flexibilität für die Mitgliedstaaten bedeutete. Bei einem plurilateralen Verfahren drohen die Prioritäten einzelner Länder unter die Räder einer gebündelten Übermacht anderer Länder zu geraten.
  • den Vorschlag von Mindest-Liberalisierungsverpflichtungen, so dass das GATS zu wesentlich drastischern Marktöffnung führen wird.
Wie ist dies zu bewerten?

Mit der Abschlusserklärung ist eine etwas gemilderte Version des zuvor stark von Entwicklungsländern (G 90 und Venezuela, Indonesien, Brasilien etc.) kritisierten Papiers verabschiedet worden. Dennoch ist es eine Weichenstellung für einen unnachgiebigen Liberalisierungskurs. Aus entwicklungspolitischer Sicht bedeutet dies eine fortgesetzte Dynamik zu Marktöffnungen durch das WTO-Dienstleistungsabkommen und damit eine Bedrohung für den eigenständigen Aufbau eines Dienstleistungsektors durch die weltweite Dominanz von Dienstleistungsunternehmen aus den Industriestaaten.

Quelle: www.weed-online.org


Der Europäische Gewerkschaftsbund kritisiert am WTO-Gipfelergebnis das Fehlen jeder beschäftigungspolitischen Komponente. Die Regierungen hätten weder die Auswirkungen ihrer Beschlüsse auf die Arbeitsplätze berücksichtigt noch die Forderung nach Anerkennung von politischen und sozialen Standards im Welthandel aufgenommen. Die EU habe politische Schwäche gezeigt. Es sei ihr nicht gelungen, von den USA und Japan eine Zusage für ein Ende des Agrarexportprotektionismus zu erhalten.
Die Pressemeldung des EUTC im Wortlaut (englisch):

The ETUC believes the WTO agreement in Hong Kong to be an illusory victory

The European Trade Union Confederation (ETUC) finds that the ministerial agreement reached in Hong Kong on the continuation of the Doha Round of trade talks misses its fundamental objective of promoting development and decent employment.

The European Union (EU), in accepting a deadline for ending agricultural and export subsidies in 2013, is a long way from achieving similar action by the United States (in particular on cotton) and Japan.

The political weakness of the EU is more and more evident. Its isolation throughout the week, and its difficulty in activating new alliances with the developing countries represented by the G-90 group, is worrying.

Employment is largely absent in this deal. No instruments have been put forward for measuring the impact on jobs of the agreements in the three pillars: agriculture, non-agricultural market access, and services.

Furthermore, once again governments have refused to include a reference to the International Labour Organisation (ILO) and to social rights and employment standards. The violation of fundamental civil, political and social rights is still not recognised as a violation of the international political order and thus of the agreements of the World Trade Organisation (WTO).

The Doha Round was supposed to focus on development. The ETUC believes that this is far from the case. In failing to integrate development needs into the negotiation pillars, the consequences of this deal could be disastrous for the least developed countries (LDC).

The ETUC is committed over the coming months to expressing and defending these opinions, plus alternative options and greater transparency in the international socio-economic debate, especially in Geneva and within the EU. The vital issues for humanity such as sustainable development, promoting social and environmental rights and safeguarding public health must not be missing from the WTO negotiations.

19/12/05

Quelle: www.etuc.org


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