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Einzeltätertheorie

Berufungsgericht in Den Haag bestätigt Urteil gegen Charles Taylor

Von Christian Selz *

Smart sah er aus in seinem weißen Hemd, die gelbe Krawatte und das schwarze Jacket perfekt sitzend, der Blick nachdenklich durch die dünn gerahmte, runde Brille. Charles Taylor, ehemaliger Präsident Liberias, fügte sich gut ein in das Bild oberflächlicher Ordnung und Korrektheit, das die Berufungskammer des Spezialgerichts für Sierra Leone (SLSC) während ihrer Urteilsverkündigung am Donnerstag in Den Haag zu zeichnen versuchte. Taylor, das ist nun endgültig und rechtskräftig bestätigt, ist schuldig. »Individuell, wissentlich und im Geheimen«, so bestätigte das Gericht den Schuldspruch von 2012, hat er an Verbrechen gegen die Menschlichkeit teilgenommen, um an Diamanten zu gelangen. Das Terrorregime der Rebellen der Revolutionary United Front (RUF) in Liberias Nachbarland Sierra Leone, das sei »hinreichend bewiesen«, habe er entscheidend unterstützt. Taylors Verurteilung zu 50 Jahren Haft bleibt somit bestehen.

Absitzen wird der 65jährige seine Strafe voraussichtlich in Großbritannien. Getagt hatte das SCSL, ein maßgeblich von den USA, Kanada und Großbritannien finanziertes Kooperationsgericht der Vereinten Nationen (UN) und der Regierung Sierra Leones, seit Anfang 2008 ausschließlich in den Niederlanden. Für die Menschen in Sierra Leone blieb nur eine wackelige Internet-Liveübertragung. Aus Sicherheitsgründen, so hieß es damals unisono aus Sierra Leone und von der UN, war ein Prozeß in dem westafrikanischen Land nicht möglich. In gewohnter Hilfsbereitschaft schwang sich der Westen sodann zum Richter über ein Monster auf, das er selbst geschaffen hat – und verschwieg diesen Hintergrund geflissentlich.

Taylor ist in den USA ausgebildet und stand in Diensten der CIA. Diesen Fakt hatte der Diktator bereits 2009 in Den Haag preisgegeben, US-Agenten hätten ihm demnach gar bei der Flucht aus einem Bostoner Hochsicherheitsgefängnis geholfen. Dort saß er bis 1985 wegen eines internationalen Haftbefehls aus Liberia ein und kämpfte gegen seine Auslieferung an. Taylors Vergehen damals: Persönliche Bereicherung als Regierungsbeamter. Als »komplett absurd« dementierte die CIA die Vorwürfe seinerzeit, nur um 2012 nach einer Informationsfreiheitsanfrage der Zeitung Boston Globe die Zusammenarbeit mit dem »Schlächter von Monrovia« (Der Spiegel), doch zuzugeben. Wann und wie genau Taylor für die CIA tätig war, das hielt das Pentagon aber freilich auch 2012 noch für so relevant für die »nationale Sicherheit«, das die »Informationsfreiheit« vor der Bekanntgabe der Details endete.

Die wirklich spannenden Fragen warf auch das Haager Gericht – sicherlich sehr zum Wohlgefallen seiner Finanziers – gar nicht erst auf. Die Hintermänner bleiben im Verborgenen. Woher die Waffen kamen, die Taylor an die Rebellen weitergab, interessierte ebenso wenig wie der Zielort der erbeuteten Diamanten. Statt Aufklärung gab es in Den Haag auch im Schlußakt am Donnerstag erneut nur Gruselgeschichten eines Schreckensregimes. Von abgehackten Händen, systematischen Vergewaltigungen, Versklavung und Kindersoldaten las der Richter. Für all diese Grausamkeiten – so suggeriert es das Gericht – ist der Schuldige gefunden und verurteilt. Immer wieder ging der Urteilsspruch auf die »individuelle kriminelle Verantwortung« Taylors ein. Zum Ende stand das Monster, dessen man habhaft geworden war, dann brav auf, um sein Urteil zu vernehmen. Die Gerechten dieser Welt dürfen sich beruhigt zurücklehnen. Die »Schlächter von Washington« und all die anderen Profiteure des Waffen- und Diamantenhandels ebenfalls.

* Aus: junge Welt, Freitag, 27. September 2013


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