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Soldaten sind Polizisten sind Soldaten

Paradoxien deutscher Sicherheitspolitik

Von Andreas Fischer-Lescano*

Als Rudolf Wiethölter noch dadaistisch sagen konnte, "Soldaten sind Soldaten sind Soldaten"[1], als Kurt Tucholsky noch klar definieren konnte, wen er meinte (sic!), als er schrieb, "Soldaten sind Mörder"[2], als Soldaten von Nicht-Soldaten also noch unterscheidbar waren, war das irgendwann vor einem 11. September des Jahres 2001. Seitdem erlebt man eine Hybridisierung der sicherheitspolitischen Einsatzformen, eine "Synergie aller staatlichen Instrumente der Sicherheitsvorsorge"[3], einen Angriff auf die Verteidigung [4], eine konzertierte Aktion zur Legitimierung globaler militärischer Verteidigungsaktionen, wird Deutschlands Sicherheit auch am Hindukusch verteidigt, wird das völkerrechtliche Gewaltverbot in Art. 2 (4) der UN-Charta aufgeweicht, werden entteritorialisierte Militär- und Polizeiaktionen gegen private Netzwerke über Art. 51 UN-Charta als Verteidigungsaktionen zu rechtfertigen gesucht, werden Bundesgrenzschützer als Weltpolizisten an die Krisenherde dieser Welt geschickt, kommen GSG 9 Spezialkräfte zum Schutz von Zivilisten im Irak zum Einsatz, wird die Verwendung der Bundeswehr zur Terrorbekämpfung im Inland wieder salonfähig; kurz: seitdem ist die Diskussion über die Entgrenzung der Gewalt eine Diskussion über die Entgrenzung des Gewaltverbotes geworden.

1. Globale und nationale "Sicherheitsvorsorge"

Was den Einsatz der Bundeswehr im Innern betrifft, scheint das Schlimmste verhindert worden zu sein. Hatte der Bundesverteidigungsminister in den verteidigungspolitischen Richtlinien vom Mai 2003 noch offen mit einer Ausweitung der Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr im Innern gedroht ("Zum Schutz der Bevölkerung und der lebenswichtigen Infrastruktur des Landes vor terroristischen und asymmetrischen Bedrohungen wird die Bundeswehr Kräfte und Mittel entsprechend dem Risiko bereithalten. Auch wenn dies vorrangig eine Aufgabe für Kräfte der inneren Sicherheit ist, werden die Streitkräfte im Rahmen der geltenden Gesetze immer dann zur Verfügung stehen, wenn nur sie über die erforderlichen Fähigkeiten verfügen oder wenn der Schutz der Bürgerinnen und Bürger sowie kritischer Infrastruktur nur durch die Bundeswehr gewährleistet werden kann.")[5], ist bis auf die Verabschiedung des Entwurfs zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben [6] bislang kein weiteres Unheil verübt worden.

Zwar ist es nicht unbedingt eine beruhigende Vorstellung, dass im "Nationalen Lage- und Führungszentrum Sicherheit im Luftraum", das zum 01. Oktober 2003 in Kalkar eingerichtet wurde, durch die dort zusammensitzenden Bundeswehrsoldaten, Bundesgrenzschutzbeamten und Mitarbeiter der Deutschen Flugsicherung eine Einsatzentscheidung des Bundesministers der Verteidigung über den Abschuss von zivilen Flugzeugen im sog. "Renegadefall"[7] vorbereitet werden kann.[8] Aber im Hinblick auf die umfassende Einsatzdrohung zur "Sicherheitsvorsorge" durch den in dieser Frage von Unionsmitgliedern sekundierten [9] Bundesverteidigungsminister ist diese Regelung ein vergleichsweise geringes Übel, selbst wenn es durchaus Grund zum Zweifeln gibt, dass Art. 35 III GG tatsächlich dafür dienen könnte, verfassungsrechtliche Kompetenzen für (a) die permanente Zuständigkeit der Bundeswehr als Luftpolizei und (b) für die Extremsituation einer "Unschädlichmachung" eines möglicherweise voll besetzten Zivilflugzeuges zu begründen.[10]

a) Auslandsentsendungen des BGS

Immerhin bleibt einem hier noch die Hoffnung, dass ein solcher Einsatz nie stattfinden wird. Im Hinblick auf den Einsatz der Streitkräfte im Ausland ist die Drohung des BMV indes längst Realität: "Der Einsatz der Bundeswehr zur internationalen Konfliktverhütung und Krisenbewältigung und gegen den Terror hat den entscheidenden Einfluss auf den weiteren Wandel der Bundeswehr zu einer Armee im Einsatz."[11] Neben der Armee im Einsatz sind auch bundesdeutsche Polizeibeamte weltweit aktiv. Der Bundesgrenzschutzbericht der Jahre 2000/2001 verzeichnet unter anderem die Teilnahme von 55 BGS-Beamten im Rahmen der Polizeimission in Bosnien-Herzegowina, den Einsatz von 210 Polizeivollzugsbeamten des Bundes und der Länder im Kosovo, Teilnahmen an internationalen Polizeieinsätzen in Albanien, Kroatien, Ostslawonien. Und als die Regierungschefs der EU auf dem Treffen des Europäischen Rats im Juni 2000 die Bereitstellung von 5000 Polizeibeamten für Konfliktpräventions- und Krisenbewältigungsoperationen beschlossen, verpflichtete sich die Bundesrepublik zu einem Beitrag von 910 Beamten.[12] Deutschland stellt damit nach Italien das zweitgrößte Kontingent, auf das die im Jahr 2001 in Bosnien und Kosovo eingesetzten 520 Polizeibeamten (Jahr 2002: 480) angerechnet werden sollten.[13] Im Jahr 2002 war der Bundesgrenzschutz mit insgesamt 262 Beamten im Ausland vertreten, darunter, so der Ende Oktober 2003 vorgelegte BGS-Jahresbericht 2002, allein 131 Beamte von BGS (und BKA) im Kosovo. Zzgl. der Länderbeamten umfasst das deutsche Kontingent im Kosovo insgesamt 384 PVB und war damit das viertstärkste nationale Polizeikontingent im Rahmen der United Nations Interim Administration Mission im Kosovo (UNMIK). Die entsandten Polizeivollzugsbeamten übten bei ihrer Tätigkeit "exekutive Befugnisse zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit aus".[14]

b) Paradoxien deutscher Sicherheitspolitik

Gerade bei den weltpolizeilichen Einsätzen deutscher PVB zeigen sich die Antinomien demokratischer Friedenspolitik. Im Prinzip wohl noch als zivileres Minus zu militärischen Einsätzen begrüßenswert, da flexibel und scheinbar nicht auf die militärische Simplizität des Bombardierens-Oder-Nicht reduzierbar, hat die Entsendung internationaler Polizeieinheiten Konjunktur. Bereits in seiner Rede vor der 55. Generalversammlung der Vereinten Nationen am 14. September 2000 in New York hatte Bundesaußenminister Joschka Fischer daher gefordert, dass die Fortentwicklung eines internationalen Polizeikonzepts eine der wichtigsten Aufgaben der Vereinten Nationen sei.[15] Seitdem kann man zwar eine verstärkte [16] Praxis der Bundesrepublik im Hinblick auf die Entsendung von Polizeikontingenten beobachten, allerdings kann von einer Fortentwicklung des Polizeikonzeptes und einer gegenüber militärischen Einsatzformen zivileren Variante der Außenpolitik nicht die Rede sein. Im Gegenteil verfängt sich die bundesdeutsche Entsendepraxis in der Logik der Ununterscheidbarkeit von Kombattanten/Nichtkombattanten und es drängt sich der Eindruck auf, dass deutsche Polizeikontingente insbesondere dann zum Einsatz kommen, wenn ein militärischer Einsatz wegen der vorgeschalteten Parlamentsentscheidung untunlich ist. Daraus resultiert nicht nur die Gefahr einer zunehmenden Entparlamentarisierung der deutschen Außenpolitik sondern auch ihrer Paramilitarisierung; kurz: der Schwächung gewalthemmender Errungenschaften in Völker- und Verfassungsrecht.

2. BGS als Weltpolizei

Es mag grundsätzlich zu begrüßen sein, wenn die Bundesregierung der Erkenntnis Rechnung trägt, dass die militärische Option der Komplexität von Krisensituationen häufig unangemessen ist. Und es dürfte auch grundsätzlich positiv sein, wenn moderne Sicherheitspolitik verstärkt auf zivile Mechanismen setzt. Man sollte sich dennoch nicht darüber hinwegtäuschen lassen, dass Auslandsentsendungen bundesdeutscher Polizeibeamter, zu denen auch die Entsendung der - dem Bundesgrenzschutz unterstehenden - Grenzschutzgruppe 9 (GSG 9) gehört,[17] mit vielen verfassungsrechtlichen Fragezeichen zu versehen sind. Das gilt insbesondere für die Anfang November getroffene Entscheidung des Bundesinnenministers, Beamte der GSG 9 in den Irak zu schicken, wo sie die im September durch den Bundesinnenminister entsandten THW Experten vor terroristischen Angriffen schützen sollen.[18]

a) Lex Mogadischu

In rechtlicher Hinsicht ist hier zunächst festzustellen, dass als Rechtsgrundlage für Auslandseinsätze des Bundesgrenzschutzes - und damit auch der GSG 9 - zum Einsatz in multinationalen Polizeikontingenten und zur Rettung deutscher Staatsangehöriger im Einzelfall alleine § 8 des Bundesgrenzschutzgesetzes (BGSG) in Betracht kommt.[19] Diese Norm, die erst durch das 1998 in Kraft getretene BGS-Neuregelungsgesetz vom 19. Oktober 1994 in das BGSG eingefügt worden ist, regelt die Möglichkeiten polizeilicher Auslandsentsendungen. Im Fall der Entsendung der GSG 9 in den Irak ist § 8 Abs. 2 BGSG einschlägig. Dort steht: "Der Bundesgrenzschutz kann ferner im Einzelfall zur Rettung von Personen aus einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben im Ausland verwendet werden. Die Verwendung ist nur für humanitäre Zwecke oder zur Wahrnehmung dringender Interessen der Bundesrepublik Deutschland und nur im Einvernehmen mit dem Staat, auf dessen Hoheitsgebiet die Maßnahme stattfinden soll, zulässig. Die Entscheidung trifft der Bundesminister des Innern im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt." [20]

Man hat es hier mit einer lex Mogadischu zu tun, denn die Norm normiert, was die GSG 9 im Fall der Landshut-Entführung in die Hauptstadt Somalias 1977 im Auftrag der damaligen Bundesregierung auch ohne diese einfachgesetzliche Regelung durchgeführt hatte: Die Rettung deutscher Staatsbürger bei terroristischen Angriffen im Ausland. Seit ihrer Gründung im Jahr 1973 war die GSG 9 immer wieder an solchen Einsätzen beteiligt und zuletzt fiel der Name der Einheit im Zuge der Befreiung der deutschen Geiseln aus Algerien.

b) Aufgabenzuwachs des BGS

Auslandseinsätze durch Beamte des BGS als Bundespolizei im Rahmen des § 8 BGSG zu legalisieren, ist deshalb ein verfassungsrechtliches Problem, da das Grundgesetz zwar in Art. 87 I 2 GG festlegt, dass es einen Bundesgrenzschutz, nicht aber eine Eingreiftruppe des Bundes für mögliche Einsätze im Ausland gibt.[21] Die spezifisch verfassungsrechtliche Frage, die sich im Zuge der Beteiligung deutscher Polizeibeamter an internationalen Maßnahmen stellt, betrifft daher zunächst die Organisation der Bundesbehörden. Der Bund hat zwar nach Art. 24 GG die Gesetzgebungskompetenz für die militärische und auch polizeiliche Integration in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit.[22] Damit kommt ihm aber nicht ipso iure auch die Kompetenz zu, diese Aufgaben an sich zu ziehen bzw. dem BGS zuzuweisen und diesen durch immer weitere Aufgabenübertragungen zu einer allgemeinen Bundespolizei auszubauen.

Es irritiert diesbzgl. zunächst einmal, dass es dem Bund überhaupt in den letzten Jahren gelingen konnte, immer weitere Polizeikompetenzen organisatorisch beim BGS zusammenzuführen, ohne größeres öffentliches Aufsehen erregt zu haben. Die Polizei ist eigentlich Ländersache; eine grundgesetzliche Grundsatzentscheidung, die Folge des sog. Polizeibriefs der alliierten Militärgouverneure an den Parlamentarischen Rat vom 14. April 1949 ist.[23] Seinerzeit ermächtigten die Siegermächte die Bundesrepublik zur Durchführung von Personen- und Güterkontrollen an den Grenzen. Die allgemeinen Polizeibefugnisse sollten den Ländern vorbehalten bleiben. An diese Grundsatzentscheidung für eine dezentrale Polizei, über deren historische Gründe hier wohl kaum etwas ausgeführt werden muss, fühlte sich der Verfassungsgeber gebunden und sie ist bis heute verfassungsrechtlich in Kraft.[24]

Nichtsdestotrotz hat sich der Aufgabenbestand des Bundesgrenzschutzes in den vergangenen Jahren vervielfacht. Angesichts der Deflation originär grenzpolizeilicher Aufgaben erkämpften die Bundesinnenminister seit Anfang der 90er Jahre ein immer größeres Revier. Der Bundesgrenzschutz übt heute neben den grenzpolizeilichen (§ 2 BGSG) Aufgaben, Tätigkeiten aus den Bereichen Bahnpolizei (§ 3 BGSG), Luftsicherheitspolizei (§ 4 BGSG), Objektschutzpolizei (§ 5 BGSG) und Seepolizei (§ 6 BGSG) aus. Weitere Zuständigkeiten werden im Notstands- und Verteidigungsfall (§ 7 BGSG) und bei über die Amtshilfe i.S.d. Art. 35 I GG hinausgehenden Verwendungen (§§ 8-10 BGSG) begründet. Der BGS ist damit längst keine Sonderpolizei des Bundes mehr, deren Arbeitsschwerpunkt im Bereich des Grenzschutzes läge, sondern er hat die Charakteristika einer allgemeinen Polizei des Bundes angenommen.[25] Es ist nur konsequent, wenn § 1 I BGSG definiert: "Der Bundesgrenzschutz wird in bundeseigener Verwaltung geführt. Er ist eine Polizei des Bundes im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern." Die gesetzgeberische Einführung des Labels "Polizei des Bundes" ging einher mit schleichenden Änderungen im Auftreten der Beamten, bspw. der Einführung von neuen, denjenigen der Landespolizeien angeglichenen Schulterstücken, der Änderung des Ärmelabzeichens mit dem Zusatz ‚Polizei' über dem Bundesadler und der Anbringung des Schriftzuges ‚Polizei' auf zahlreichen Uniform-Bekleidungsteilen; auch die BGS-Fahrzeuge bringen das veränderte Verständnis des BGS zum Ausdruck: Zunächst wich das traditionelle Grünblau einem Hellgrün; mittlerweile werden die Fahrzeuge bei Nachbestellung in der Farbgestaltung sowie durch den Schriftzug ‚Polizei' denen der Landespolizeien angeglichen.[26] Und auch wenn die Anti-Terrorgesetzgebung [27] noch nicht dafür genutzt wurde, die Vereinbarung im Koalitionsvertrag in Gesetzesform zu gießen, wonach der BGS nicht nur "eine Polizei des Bundes" sondern "die Polizei des Bundes" sei,[28] so scheint es nur noch eine Frage der Zeit, bis auch diesen Begehrlichkeiten [29] bzgl. einer weiteren semantischen Aufwertung [30] nachgegeben wird.

c) Grenzen der Organisationshoheit

Das geänderte Image und Rollenverständnis lässt neben dem tradierten Bundesgrenzschutz allerdings eine lädierte Verfassung zurück. Denn die neue Rolle, Funktion und Aufgabenspannweite des BGS mit Art. 87 I 2 GG in Vereinbarung zu bringen, ist nach Historie, Wortlaut, Sinn und Zweck der Norm unmöglich.[31] In Art. 87 I 2 GG gestattet das Grundgesetz dem Bund die gesetzliche Einrichtung von Bundesgrenzschutzbehörden. Auch wenn man, wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung im Jahr 1998 zum BGS-Neuregelungsgesetz, davon ausgeht, dass dem Bund damit ermöglicht wird, auch grenzschutzfremde Aufgaben dem BGS zuzuweisen, ist dies keine Option für eine grenzenlose Aufgabenzuweisung an den BGS. Denn, so das BVerfG, die "Entscheidung der Verfassung, die Polizeigewalt in die Zuständigkeit der Länder zu verweisen und aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit, der Bundesstaatlichkeit und des Grundrechtsschutzes den Ausnahmefall einer Bundespolizei in der Verfassung zu begrenzen, macht es erforderlich, das Gepräge des Bundesgrenzschutzes als einer Sonderpolizei zur Sicherung der Grenze des Bundes (Art. 87 I 2 i.V.m. Art. 73 Ziff. 5 GG) und zur Abwehr bestimmter, das Gebiet oder die Kräfte eines Landes überschreitender Gefahrenlagen (Art. 35 II und III, 91, 115f I Ziff. 1 GG) zu wahren. Der Bundesgrenzschutz darf nicht zu einer allgemeinen, mit den Landespolizeien konkurrierenden Bundespolizei ausgebaut werden und damit sein Gepräge als Polizei mit begrenzten Aufgaben verlieren."[32]

Es spricht demnach zwar grundsätzlich nichts dagegen, wenn der Bund bei der Einrichtung seiner Behörden verschiedene Aufgabenbereiche zusammenführt und sich gegen eine organisatorische Trennung bspw. von Bundesgrenzschutz und Bahnpolizei entscheidet. Bei der Zusammenführungen der Aufgaben bei den Bundesgrenzschutzbehörden hat er aber die grundgesetzliche Entscheidung gegen eine allgemeine Bundespolizei zu beachten. Wenn nun ein mehr als marginaler Teil des BGS-Personals keine grenzpolizeilichen Aufgaben ausführt, sondern sich anderen Tätigkeitsfeldern widmet, hat der Ausbau des Bundesgrenzschutzes diese verfassungsrechtliche Grenze des Verbots einer allgemeinen Bundespolizei überschritten.[33]

Das wäre nur dann nicht der Fall, könnte man diese Konsequenz durch eine Reformulierung des Begriffs der grenzpolizeilichen Aufgaben rechtlich abfangen. Man müsste, anders gesagt, auch dann einen Bezug zur Aufgabe der Grenzsicherung herstellen können, wenn Beamte des BGS nach ihrem Verständnis ausländisch aussehende Fahrgäste in Zügen des Unternehmens Deutsche Bahn AG hoheitlich adressieren und gestützt auf die kaum zur eingrenzenden Operationalisierung generalisierter polizeilicher Kontrollbefugnisse geeigneten §§ 22, 23 BGSG Identitätsfeststellungsmaßnahmen inkl. der Überprüfung mitgeführter Ausweispapiere durchführen.[34] Wer aber argumentiert, dass selbst dies Grenzschutz sei - und Michael Ronellenfitsch [35] tut das, indem er den Grenzschutzbegriff entterritorialisiert und rein funktional verstanden wissen will -, der vermittelt einen ins grenzenlos Absurde ausgeweiteten Begriff von Grenzpolizei, unter dessen Anwendungsbereich dann selbst noch der Revierdienst im Frankfurter Stadtteil Höchst fiele. Dass die derzeitige Ausgestaltung der Bundesgrenzschutzbehörde jenseits der grundgesetzlichen Aufteilung der Polizeikompetenzen liegt, können daher auch solche Versuche der Neudefinition des Grenzschutzbegriffes nicht verdecken. Ganz und gar inakzeptabel wird die Auslandsentsendungen des BGS normierende Regelung dann in § 8 I 1 BGSG. Dort wird der BGS ermächtigt, in "polizeilichen und anderen nicht-militärischen Maßnahmen" mitzuwirken und die Verwendungsmöglichkeit des BGS wird hier auch auf nicht-polizeiliche Tätigkeiten erweitert.[36] Kurz: Das BGS-Neuregelungsgesetz hat den BGS in verfassungswidriger Weise zu einer multifunktionalen Einsatzgruppe des Bundes umgestaltet.

d) Paramilitärische Einheit

Der Bundesinnenminister hat Teile dieser multifunktionalen Einsatzgruppe, die sich ‚Polizei des Bundes' - und manchmal auch schon ‚Bundespolizei' - nennt, nun auf den Weg in den Irak geschickt, um Mitarbeiter des THW vor terroristischen Übergriffen zu schützen. Wie gesagt, geschieht dies ohne wirksame rechtliche Grundlage; die Aufgabenzuweisung an den BGS in § 8 BGSG verletzt die Verfassung deshalb, weil der Bund diese Aufgaben - Integration in internationale Polizeimissionen (§ 8 I BGSG), polizeiliche Aktionen zur Rettung deutscher Staatsangehöriger (§ 8 II BGSG) - nicht organisatorisch beim BGS zusammenführen darf. Im Hinblick auf die Gesetzgebungskompetenz kann der Bund zwar gestützt auf Art. 24 II GG durchaus die polizeiliche Integration in ein System kollektiver Sicherheit gesetzlich regeln (wenn auch nicht mit der Aufgabenzuweisung zum BGS). Das geltende Verfassungsrecht untersagt indes, dass deutsche Hoheitsträger die in § 8 II BGSG genannten polizeilichen Aktionen zur Rettung deutscher Staatsangehöriger im Ausland durchführen. Es gibt für diese Norm schlicht keinen Kompetenztitel, da es sich bei solchen Maßnahmen weder um die Materie Grenzschutz noch um Verteidigung handelt, da es keinesfalls in der "Natur der Sache" liegt, dass der Bund eine polizeiliche Einheit zur individuellen Lebensrettung im Ausland beauftragt und da ansonsten die Privilegierung polizeilicher Einsatzmöglichkeiten nach Art. 24 II GG keinen Sinn machte. Das Fehlen einer Art. 87 a II GG vergleichbaren Norm für polizeiliche Einsätze kann daher nicht mittels eines Bundesgesetzes ausgeglichen werden.[37] Und auch der im Zuge des GSG 9 Einsatzes zur Beendigung der Landshut-Entführung teilweise herangezogene Kompetenztitel "überfassungsrechtlicher Notstand",[38] ist eine Legitimationsfigur, dessen Heranziehung sich im demokratischen Rechtsstaat verbietet.[39] Interessant ist in diesem Zusammenhang ferner, dass in der Literatur bisweilen vertreten wird, dass die Auslandsverwendungen des BGS als Einsätze zu bewerten seien, die außerhalb des staatsinternen Bereiches, "in dem nationales Recht nicht zu gelten hat", stattfänden. § 8 BGSG habe daher nur deklaratorische Funktion und könne an deutschem Verfassungsrecht nicht gemessen werden.[40] Auch über diese These wird man kaum ernstlich diskutieren müssen, denn die Exterritorialität des Tätigwerdens des BGS, entbindet den Gesetzgeber natürlich nicht von der Pflicht, die verfassungsrechtlichen Grenzen hoheitlichen Handelns deutscher Staatsorgane zu beachten.[41] Doch selbst wenn man die Verfassungsmäßigkeit der Norm unterstellt, ist der Einsatz rechtswidrig, denn die THW-Mitarbeiter sollen durch den BGS offensichtlich nicht gerettet werden (nur so sieht es § 8 II BGSG vor), sondern für die Dauer ihres Einsatzes im Irak "geschützt".

Das ist für sich genommen bereits eine grenzpolizeiliche Rechtsgrenzenverletzung; viel entscheidender und symptomatischer für die aktuelle Hilflosigkeit der Politik im Kampf gegen den Terror ist aber noch etwas anderes: Wie kann es eigentlich sein, dass in Afghanistan der Kampf gegen den Terror militärisch geführt wird, während in Algerien und im Irak mit polizeilichen Mitteln dagegen vorgegangen wird? Wie kann es sein, dass über einen bewaffneten Einsatz der Bundeswehr in AWACS-Aufklärern der Bundestag entscheiden muss,[42] während der bewaffnete Einsatz von "besonders qualifizierten Beamten des Bundesgrenzschutzes" (BMI), die ihrem Dienst auf Irakischem Territorium unter dem Einsatz von - notfalls auch - polizeilicher Waffengewalt nachgehen ohne diese Form demokratischer Kontrolle getroffen werden kann? Wie ist es möglich, dass die Einsatzentscheidung für bewaffnete deutsche Hoheitskräfte in einem bewaffneten Konflikt - in rechtlicher Hinsicht handelt es sich bei der derzeitigen Lage im Irak um nichts anderes [43] - am Parlament vorbei getroffen werden kann?

Ist das vielleicht nur ein weiterer Schritt dazu, den Bundesgrenzschutz und die GSG 9 zu einer schlagkräftigen "Sondereinsatztruppe" auszubauen; eine Einsatztruppe, die weltweit in den Fällen tätig wird, in denen ein Bundeswehreinsatz und eine öffentliche Debatte im Zuge des vor der Entsendentscheidung konstitutiv zu fassenden Parlamentsbeschlusses auf Bedenken stößt; eine Einsatztruppe, die mehr und mehr paramilitärische Züge entwickelt [44] und sich zu einem funktionalen Äquivalent zum Kommando Krisen-Spezial-Kräfte (KSK) der Bundeswehr entwickelt?[45] Während die Zivilisten der Amerikaner durch Militärs geschützt und verteidigt werden, werden die Zivilisten der Deutschen durch bewaffnete Bundesgrenzpolizisten in Zivilkleidung [46] gesichert?

3. Bewusste Zerstörung von Trennungen

Der alliierte Polizeibrief beinhaltete das Verbot, dass "deutsche Polizeikräfte in einer Weise neu organisiert, bewaffnet oder ausgebildet werden, die ihnen militärischen oder militär-ähnlichen Charakter gibt oder sie in die Lage versetzt, im Gegensatz zu Polizeiaufgaben militärische Aufgaben" durchzuführen.[47] Schon damals war es bekannt, dass die Abgrenzung Militär/Polizei eine schwierige ist. Und wie auch immer man zur aktuellen Problematik der Asymmetrisierung von Konflikten und der Privatisierung von Kriegen stehen mag: In rechtlicher Hinsicht ist bemerkenswert, dass seit dem Briand-Kellogg-Pakt (1928) Kriege gern schamhaft als "Polizeiaktionen" zu tarnen gesucht wurden [48] und dass das Völkerrecht auf die Möglichkeit einer solchen Umdeklaration dadurch reagiert hat, dass die Unterscheidung militärisch/polizeilich für die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Genfer Abkommen und des Gewaltverbotes in Art. 2 (4) der UN-Charta aufgegeben wurde.[49] Der Regelungsbereich ist somit nur noch der "bewaffnete Konflikt zwischen Staaten" bzw. die Gewaltanwendung zwischen den Subjekten des Völkerrechts. Das Dilemma der Politik im Zeitalter der Globalisierung scheint nun genau an dieser Differenzierung zu liegen. Was ist militärisch, was ist polizeilich? Sind die Häftlinge in Guantanamo Militärs (und damit durch die Genfer Konventionen geschützte Kombattanten) oder sind sie Zivilisten (und damit gewöhnliche Kriminelle)? Ist die ‚Verteidigung der Bundesrepublik am Hindukusch'[50] eine militärische oder eine polizeiliche Aufgabe? Muss der THW im Irak durch Militärs oder Polizisten geschützt werden? Warum ist die Entsendung von 250 Soldaten der Bundeswehr nach Kundus in Afghanistan eine Sache für den deutschen Bundestag, während über die Entsendung der 260 BGS-Beamten, die sich im Jahr 2002 auf Auslandsmissionen befanden,[51] nur die Bundesregierung allein befindet, wo es doch in beiden Fällen offenbar darum geht, zivilem Personal das Arbeiten in einem durch bewaffnete Träger hoheitlicher Exekutivbefugnisse gesicherten Umfeld zu ermöglichen [52]?

Man mag einwenden wollen, dass dies kleinliche Differenzierungen seien, die in Zeiten globaler Bedrohungen keinen Unterschied machen dürfen. Der Kampf gegen den Terror sei nur zu gewinnen, wenn man alle Anstrengungen unternehme, alle Kompetenzen bündele und alle Fähigkeiten darauf verwende. Nichts wäre allerdings naiver, als solch durchsichtigen Autolegitimationsmustern der Politik auf den Leim zu gehen. Denn ob der Terrorismus militärisch oder polizeilich zu bekämpfen ist, ist keine solch simple Frage der Adäquanz der Einsatzmittel. Es ist eine Frage, bei der gewalthemmende Errungenschaft auf dem Spiel stehen: Fragen demokratischer Verantwortung; Fragen des völkerrechtlichen Gewaltverbotes; Fragen des Völkerstrafrechts und der nationalen Verfassungsrechte; und nicht zuletzt: Fragen der internationalen Sicherheitsarchitektur.

Wie unüberlegt der Einsatz deutscher GSG 9 Beamter als Reaktion auf diese Herausforderungen tatsächlich ist, zeigt sich dann darin, dass die Beamten ihrer eigentlichen Aufgabe, die THW-Mitarbeiter im Irak zu schützen, nicht nachkommen können, ohne selbst die völkerrechtlichen Regeln des humanitären Völkerrechts zu verletzen. Auch wenn man davon ausgeht, dass die Bundesregierung vor der Entsendung das in § 8 II BGSG verlangte "Einvernehmen mit dem Staat, auf dessen Hoheitsgebiet die Maßnahme stattfinden soll", tatsächlich eingeholt haben sollte und das völkerrechtliche Gewaltverbot daher nicht verletzt wäre, wurden die Beamten mit dem Auftrag losgeschickt, als Zivilisten zivile Experten des THW in einem bewaffneten Konflikt vor Übergriffen zu schützen. Das ist völkerrechtlich deshalb relevant, weil die Teilnahme an bewaffneten Kampfhandlungen grundsätzlich nur Kombattanten erlaubt ist. BGS-Beamte haben diesen Status im Zuge der Streichung des § 64 BGSG verloren; sie sind Nicht-Kombattanten; eine Wertung des nationalen Gesetzgebers, die nach Art. 43 ZP I der Genfer Abkommen völkerrechtliche Bedeutung hat; von daher betrachtet, war die Entscheidung des BMI, die GSG 9 in den Irak in Zivilkleidung zu entsenden, konsequent. Aus letzterem folgt auch, dass selbst dann, wenn die BGS-Beamten nach § 64 BGSG noch als Kombattanten einzustufen wären, dieser Status nach dem Recht der Genfer Abkommen deshalb wieder entfiele, da sie nicht als kämpfende Einheiten zu erkennen wären.

Das daraus resultierende Problem ist jedoch, dass die Entsendung von Nicht-Kombattanten zum Schutz von Nicht-Kombattanten in einem bewaffneten Konflikt letztlich dazu führt, dass diese Nicht-Kombattanten dann, wenn es darauf ankommt, wenn also ein militärischer Angriff auf die Mitarbeiter des THW erfolgte, ihrem Auftrag Menschen und Gerät zu schützen gar nicht nachkommen dürfen. Die GSG 9 Beamten müssten gem. der Regeln des humanitären Völkerrechts im Fall eines Angriffs von Kombattanten untätig bleiben. Den THW-Mitarbeitern wäre zwar eine Selbstverteidigung erlaubt. Den Beamten der GSG 9 wäre allerdings als Nicht-Kombattanten das Einschreiten gegen bewaffnete Streitkräfte in einem bewaffneten Konflikt untersagt, denn die Teilnahme an Kampfhandlungen ist nur Kombattanten erlaubt. Es ist daher nicht abwegig, dass die PVB der Bundesrepublik wegen der Schwierigkeiten bei der Abgrenzung hinsichtlich des kriegsrechtlichen Status' der Angreifer in die paradoxe Lage geraten könnten, dass sie als Nicht-Kombattanten bei der Abwehr eines Angriffs durch Kombattanten auf die THW-Mitarbeiter völkerrechtswidrig handeln und als das einzustufen wären, wovor sie eigentlich schützen sollen: "Partisanen".[53]

a) Asymmetrisierungen

Die Beobachtung einer zunehmenden Asymmetrisierung von Konflikten und Privatisierung von Gewalt [54] ist sicher nicht nur von einem veränderten Blickwinkel geprägt und unfreiwilligerweise verfängt sich sogar der Einsatz bundesdeutscher Polizeibeamter in dieser Privatisierungslogik. Die entscheidende Frage im Hinblick auf diese Privatisierungstendenzen, auf globalen Terrorismus und Söldnertum, ist dabei, welche Normativität aus dieser Faktizität folgt. Von Wolfgang Schäuble bis Donald Rumsfeld, von George W. Bush bis Gerhard Schröder und von Angela Merkel bis Peter Struck herrschte und herrscht insofern Einigkeit, dass auch terroristische Angriffe zur Selbstverteidigung ermächtigen können.[55] Damit ist eine militärische Selbstverteidigung gemeint und in diesem Kontext sind die gängigen Legitimationsversuche der Maßnahmen gegen den internationalen Terror zu verstehen. Dabei hat die Invozierung der Notwendigkeit militärischer Verteidigung die Funktion, grenzüberschreitende staatliche Gewalt gegen Gewalttäter auf fremdstaatlichen Territorien zu legitimieren, auch wenn die UN-Charta grundsätzlich den Gewalteinsatz zwischen den Staaten verbietet.

Diese Rechtfertigungsstrategie der Nationalstaaten ist allerdings nicht unproblematisch. Wie alle anderen Konzepte zur Ausdehnung des Verteidigungsbegriffs (bspw. präventive Selbstverteidigung) läuft ihre konsequente und universale Anwendung Gefahr, die Versuche der rechtlichen Stigmatisierung des Krieges als Unrecht zu unterlaufen, indem immer größere Ausnahmetatbestände immer weitere Fälle bewaffneter Gewaltanwendung legalisieren. Insbesondere im Hinblick auf den Kampf gegen den Terror ist dabei festzustellen, dass eine Öffnung der Gewaltausnahmen darauf hinausliefe, dass zumindest potenziell auf allen Territorien der Welt fremdstaatliche Antiterrormaßnahmen stattfinden könnten, ohne dass der Staat, auf dessen Territorium diese Maßnahmen stattfänden, in solche Terrorakte verwickelt sein müsste. Alle diesbzgl. Vorschläge zur Fortentwicklung des Völkerrechts kranken nun daran, dass im Einzelfall eine gerichtliche Kontrollinstanz nicht zur Verfügung stehen wird. Sie sind daher Einladungen an Staaten zu einem instrumentellen Umgang mit dem Recht. Law as Apology.[56] Als der wohl ungeschlagene Apologet Carl Schmitt in der "Theorie des Partisanen" die Verabschiedung der Genfer Konventionen dafür kritisierte, dass sie "die "klaren Unterscheidungen von Krieg und Frieden, Militär und Zivil, Feind und Verbrecher, Staatenkrieg und Bürgerkrieg […] auflockern oder sogar in Frage stellen", verband er dies mit der Einschätzung, dass dies "die Tür öffne "für eine Art von Krieg, der jene klaren Trennungen bewusst zerstört. Dann erscheint manche Kompromiss-Normierung nur als die dünne Brücke über einem Abgrund".[57]

Schmitt besaß einen "unübertroffene[n] Sinn für Überholtes"[58] und er war überzeugt davon, dass die Versuche, den Krieg mit rechtlichen Mitteln zu ächten, daran scheitern würden, dass keiner bedacht habe, "wie sich der Sieg des Zivilisten über den Soldaten auswirkt, wenn eines Tages der Bürger die Uniform anzieht, während der Partisan sie auszieht, um ohne Uniform weiterzukämpfen" und dass "dieser Mangel an konkretem Denken [...] das Zerstörungswerk der Berufsrevolutionäre vollendet" habe.[59] Das Faszinierende an der Schmitt'schen Prophezeiung ist nun nicht, dass sie tatsächlich wahr geworden wäre. Sie adressiert aber eine Grundintuition, die sich faszinierenderweise bis heute hartnäckig hält und der viele offenbar Plausibilität zumessen: Das Weltrecht sei eine Fessel der Politik, die sich für die Realisierung einer globalen Friedensordnung als kontraproduktiv erweise. "Wir brauchen neue Regeln" ist so auch das Credo zahlreicher Völker- und Verfassungsrechtler weltweit.[60] Alteuropa und New Haven [61] werden sich scheinbar zunehmend einig, dass das Völkerrecht auf die Asymmetrisierung der Gewaltlinien reagieren muss, indem es sich privaten Akteuren gegenüber öffnet und auch nicht-staatliche Angriffe als das Recht auf Selbstverteidigung auslösend wertet.

Diese Sein-Sollens-Fehlschlüsse sind weit verbreitet und sie verkennen vor allem eines: Es ist nicht so, dass das Recht, die Bedingungen der Möglichkeit einer Globalisierung bewaffneter Konflikte geschaffen hat,[62] sondern dies hat eine vorgeblich realpolitisch - und das heißt in der Regel: rechtsnihilistisch - inspirierte Politik zu verantworten; eine Politik, die letztlich dazu führt, dass die tradierten Rechtsgrundsätze, dass nämlich militärische Verteidigungsaktionen im post-westfälischen System ausschließlich gegen militärische Angriffe erfolgen können, dass die Streitkräfte "zur militärischen Abwehr eines von außen kommenden Angreifers mit Kombattantenstatus" dienen,[63] mehr und mehr ausgehöhlt werden. Eine der Absurditäten der aktuellen Diskussion besteht dann auch darin, dass die Argumentationsstrategien derjenigen, die für eine Anerkennung des Selbstverteidigungsrechts gegen nicht-staatliche Angriffe plädieren, regelmäßig in der Aussage münden, dass es zwischen "Terroristen und den sie bekämpfenden Staaten [...] keinen bewaffneten Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts" geben könne,[64] dass also der Kombattantenstatus für Terroristen a priori ausscheide. Auf der einen - der legitimatorischen Seite - wird demnach für eine Ausweitung der Gewaltausnahmen plädiert. Auf der anderen - der menschenrechtlichen Seite - wird aber denjenigen, die nun ein legitimes Ziel militärischer Verteidigungsaktionen vorstellen sollen, der Schutz des Kriegsvölkerrechts verweigert.[65]

b) Rezivilisierung der Außenpolitik

Die größte Herausforderung dürfte daher darin liegen, dass verhindert wird, dass im Zuge des Kampfes gegen den Terror die weltrechtlichen Uhren wieder auf das Zeitalter Carl Schmitts zurückgedreht werden. Das heißt in erster Linie, dass den Versuchen einer Ausweitung des Verteidigungsbegriffes entgegenzutreten ist, dass die Präventivkriegsstrategie der USA [66] zurückgewiesen wird und dass die Bundesrepublik ihre Außenpolitik rezivilisiert. Und das heißt auch, dass die Bekämpfung des Terrorismus nicht als eine militärische sondern als eine primär polizeiliche Aufgabe zu begreifen ist. Zukünftige globale Sicherheitspolitik wird daher nicht durch die Entsendung bewaffneter Militäreinheiten durchgeführt werden können, sondern nur im Rahmen eines globalen Polizeikonzeptes, das das Gewaltverbot in Art. 2 (4) der Charta ernst nimmt, auf internationale Kooperation und lokale Prävention setzt. Die Resolution 1373 (2001) des UN Sicherheitsrates war diesbzgl. ein guter Anfang, da sie zur polizeilichen Zusammenarbeit, strafrechtlichen Verfolgung des internationalen Terrorismus, Einfrierung der Finanzquellen etc. verpflichtete.[67]

Internationale Polizeikontingente dürfen dann allerdings nicht zu funktionalen Äquivalenten des Militärs werden. Es kann nicht sein, dass die polizeilichen Maßnahmen der Zukunft vom Zuschnitt der GSG 9 Entsendung in den Irak sind, denn das hieße, dass es lediglich um eine Umdeklaration der Tätigkeitsbeschreibung ginge, dass das was einst Militär hieß, nun Polizei genannt würde, dass sich diese Entsendungen selbst wiederum in der Logik der Privatisierung der Gewalt verstrickten und dass der Einsatz von Polizeikräften die für das Militär entwickelten und mehr oder weniger erfolgreichen Regeln demokratisch-rechtstaatlicher Kontrolle aushebelte und unter dem Deckmantel polizeilicher Schutzaktionen völker- und verfassungsrechtliche Vorgaben für den Einsatz hoheitlicher Gewalt ignoriert würden. Die polizeilichen Maßnahmen der Zukunft bedürfen vielmehr einer klaren internationalen Verantwortlichkeitsregelung. Die Vorgaben des "Brahimi-Reports"[68] sind hier ein Anfang, aber es bedarf weiterer Regelungen über Entscheidungsprozesse, rechtliche Kontrollmöglichkeiten und kriegsrechtlichen Status internationaler Polizeikräfte.

Bundesdeutsche Bedingungen der Möglichkeit für eine Beteiligung an solchen Einsätzen sind ein Überdenken der Rechtsgrundlagen,[69] das Einschreiten des Gesetzgebers und eine klare Konzeption. Die Beteiligung deutscher Polizeibeamter in internationalen Missionen muss sowohl im Hinblick auf die Entscheidungsprozesse als auch die Modalitäten neu gefasst werden. Dabei gilt es zu bedenken, dass der missbräuchlichen Entsendung von Polizeikontingenten dadurch entgegengewirkt werden könnte, dass der Bund seine nach Art. 24 GG bestehende Gesetzgebungskompetenz dahingehend ausübte, dass er auch die Auslandsentsendung von deutschen Polizeikontingenten dem Parlamentsvorbehalt unterstellt. Wichtiger als diese prozedurale Frage wäre indes die Rückbesinnung auf die Funktion des verfassungsrechtlichen Trennungsgebotes,[70] auf den geschichtlichen Sinn des Verbots einer Bundespolizei, auf den verfassungsrechtlichen Grenzschutz zwischen innerer und äußerer Sicherheit, auf die Funktionsunterschiede zwischen Polizei und Militär und jener zwischen Prävention und Repression - kurz: auf vier simple Sätze: Soldaten sind Soldaten sind Soldaten. Polizisten sind Polizisten sind Polizisten. Terroristen sind Terroristen sind Terroristen. Zivilisten sind Zivilisten sind Zivilisten.

Anmerkungen
  1. Rudolf Wiethölter, Soldaten sind Soldaten sind Soldaten. Das Soldatenurteil und kein... Anfang? Eine Spielanregung nebst kurzer Begründung, in: KJ 1991, S. 61ff.
  2. Kurt Tucholsky, Der bewachte Kriegsschauplatz (Aufsatz in der Weltbühne 1931), in: ders., Gesammelte Werke, Band 9, Hamburg 1975, S. 253.
  3. Siehe: Verteidigungspolitische Richtlinien 2003 (im folgenden VRP), erlassen vom Bundesminister für Verteidigung am 21. Mai 2003, Quelle: www.bundeswehr.de, Ziff. 86. Vielsagend ist der Forsthoff'sche Begriff der Vorsorge in diesem Zusammenhang. Die legitimatorische Ausbeutungsfähigkeit des Konzepts der staatlichen Vorsorge hat Ernst Forsthoff schon 1938 in der Beschreibung der Unterschiede zwischen prämodernem und modernem Polizeistaat vorgeführt: "[E]r [der prämoderne Polizeistaat, AFL] konnte Kant tadeln, Schiller zensurieren und die Verbreitung deterministischer Lehren verbieten, er konnte gewiß bis in die Einzelheiten hinein bestimmen, wie gelebt werden sollte. Aber die Vorsorge dafür, daß überhaupt gelebt werden kann, lag nicht annähernd in gleichem Umfang bei ihm, wie heute." (ders., Die Verwaltung als Leistungsträger, Stuttgart 1938, S. 8). Kritik an den VRP: Harald Müller, Reformziel verfehlt, aber Exekutive gestärkt, HSFK-Standpunkt, Frankfurt am Main, Nr. 4/2003, S. 1ff.
  4. Andreas Fischer-Lescano, Angriff auf die Verteidigung, in: "Frankfurter Rundschau", 18.01.2003, S. 14, wiederabgedruckt in: Kai Ambos/Jörg Arnold (Hrg.), Der Irak-Krieg und das Völkerrecht, Berlin 2004, S. 33-41.
  5. VRP, Ziff. 80.
  6. Zum Regierungsentwurf, den das Kabinett am 05.11.2003 beschlossen hat, führte der BMI aus: "Das Luftsicherheitsgesetz dient dem Schutz vor Angriffen auf den Luftverkehr. Ereignisse, wie der 11. September 2001 haben gezeigt, dass es Bedrohungen aus dem Luftraum gibt, bei denen die polizeilichen Handlungs- und Sanktionsmittel allein nicht mehr ausreichen. Diese Bedrohung muss nicht zwangsläufig von Terroristen ausgehen, sondern kann auch von geistig verwirrten Einzeltätern, wie am 5. Januar 2003 bei der Entführung eines Motorseglers in Frankfurt/Main geschehen, verursacht werden. Die Bundesregierung hat sich deshalb dazu entschlossen, die Polizei bei der Bekämpfung von schweren Gefahren, die aus dem Luftraum kommen, durch militärische Einsatzmöglichkeiten zu unterstützen." (Nachweise über www.bmi.bund.de, dort findet sich auch der Entwurf des Gesetzes zzgl. Begründung).
  7. Dieser liegt dann vor, wenn ein ziviles Luftfahrzeug, durch sein Flugverhalten den Verdacht aufkommen lässt, dass es möglicherweise als Waffe zur Verübung eines Angriffs missbraucht wird.
  8. § 14 III des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben.
  9. Nachweise bei: Kai Rogusch, Eine "Revolution im verteidigungspolitischen Denken", Novo-Magazin, 63/2003, www.novo-magazin.de.
  10. Zu recht kritisch daher: Christof Gramm, Bundeswehr als Luftpolizei: Aufgabenzuwachs ohne Verfassungsänderung?, in: NZWehrR 2003, 89ff. (95f).
  11. VRP, Ziff. 84. Insgesamt sind derzeit 7.300 deutsche Soldaten in Auslandseinsätze involviert (Stand: 31.10.2003; Quelle: http://www.verteidigungsministerium.de). Deutsche Militärpräsenz gab es im Jahr 2003 in Afghanistan, Kosovo, Mazedonien, Bosnien, Georgien, Horn von Afrika und Kongo.
  12. Am 1. Januar 2003 wurde der erste Einsatz einer Operation im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik realisiert. Die Polizeimission der EU in Bosnien und Herzegowina (European Union Police Mission - EUPM) löste die internationale Polizeitruppe der Vereinten Nationen (United Nation International Police Task Force - IPTF) ab. Es nehmen insgesamt 500 Polizeieinsatzkräfte an diesem Einsatz teil. Deutschland beteiligt sich mit 90 PVB (Bundesgrenzschutz und Länderpolizeien) an dieser Mission. Zur EUPM, bei der die PVB allerdings keine Waffen tragen, siehe Council Joint Action 2003/188/CFSP vom 17.03.2003, http://ue.eu.int/eupm/homePage/index.asp?lang=DE.
  13. BGS-Jahresbericht 2000/2001, S. 44ff., abgedruckt: www.bundesgrenzschutz.de.
  14. BGS-Jahresbericht 2002, S. 45ff.; www.bmi.bund.de/Annex/de_25081/BGS-Jahresbericht_2002.pdf; siehe auch BT-Drucks. 14/1271, S. 5f.
  15. Dokumentation der Rede: http://www.auswaertiges-amt.de
  16. Zur Praxis vor dem Jahr 2000: Marcus Schultz, Die Auslandsentsendung von Bundeswehr und Bundesgrenzschutz, Frankfurt a.M. 1998, zugl. Diss. Würzburg 1997, S. 307ff.
  17. Die GSG 9 ist die polizeiliche Spezialeinheit des Bundes zur Bekämpfung schwerster Gewaltkriminalität. Der Verband von 240 Kampftauchern, Scharfschützen und Fallschirmspringern ist eine Dienststelle des Grenzschutzpräsidiums West. In den Jahresberichten des Bundesgrenzschutzes sind Einsätze der GSG 9 indessen nicht gesondert aufgelistet, wenngleich die GSG 9 seit ihrer Gründung (1973) insgesamt etwa 1.400 Mal eingesetzt wurde (zur Selbstbeschreibung der GSG 9 siehe: http://www.bundesgrenzschutz.de/dienstst/bgsp_w/gsg9/start.htm). Die Jahresberichte des BGS beziehen sich stets nur auf Entsendungen nach § 8 I BGSG, Einsätze außerhalb des Rahmens internationaler Polizeimissionen werden nicht aufgeführt.
  18. Siehe den Bericht: GSG 9 schützt Helfer im Irak, in: "Frankfurter Rundschau", 03.11.2003.
  19. § 9 I Ziff. 2 BGSG gestattet nur Verwendungen zur Unterstützung des Auswärtige Amtes bei der Wahrnehmung von Aufgaben zum Schutz deutscher Auslandsvertretungen. Die Norm ist im Fall des Schutzes von THW Mitarbeitern bei zivilen Wiederaufbauhilfen offensichtlich nicht einschlägig. Im Innenausschuss des Bundestages hat denn auch Staatssekretär Fritz-Rudolf Körper den Einsatz der GSG 9 im Irak zunächst auf § 9 BGSG gestützt. Er musste dann allerdings eingestehen, dass die Beamten nicht auf dem Botschaftsgelände eingesetzt werden. Damit bleibt als Rechtsgrundlage allerdings nur § 8 BGSG. Zu recht beklagen daher der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hartmut Koschyk sowie die zuständigen Berichterstatter Ole Schröder, Günter Baumann und Ralf Göberl, dass die Bundesregierung ihrer Verpflichtung nch § 8 BGSG, den Bundestag zu unterrichten, nicht nachgekommen ist. (siehe die Presseerklärung vom 05.11.2003, www.berlinkontor.de).
  20. Darauf hat sich denn auch die Bundesregierung berufen, siehe: Union irritiert über BGS-Einsatz im Irak, in: "Frankfurter Rundschau", 04.11.2003.
  21. Kritik an § 8 BGSG daher bei: Christian Tomuschat, Diskussionsbeitrag, in: Jochen Frowein/Torsten Stein (Hrg.), Rechtliche Aspekte einer Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an Friedenstruppen der Vereinten Nationen, Berlin 1990, S. 88; Josef Isensee, Das Ende einer Legende, in: "FOCUS" 26/1994, S. 19; ders., Mitverantwortung in der Völkergemeinschaft, in: Ernst Koch (Hrg.), Die Blauhelme im Einsatz für den Frieden, Frankfurt a.M. 1991, S. 227.
  22. So auch: Marcus Schultz, Die Auslandsentsendung von Bundeswehr und Bundesgrenzschutz, a.a.O., S. 307ff., m.w.N.
  23. Dokumentation des Polizeibriefes bei: Martin Willich, Bundesgrenzschutz. Historische und aktuelle Probleme der Rechtsstellung des Bundesgrenzschutzes, seiner Aufgaben und Befugnisse, Hamburg 1980, S. 6.
  24. So explizit das Bundesverfassungsgericht in der den BGS betreffenden Entscheidung vom 28. Januar 1998: BVerfGE 97, 198ff.
  25. So auch die Kritik bei Wolfgang Hecker, Rechtsfragen der Aufgabenübertragung an den Bundesgrenzschutz, in: "Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht" 1998, S. 707ff. (708): "Die schleichende Fortentwicklung des Bundesgrenzschutzes zu einer umfassend tätigen Bundespolizei auch im allgemein-polizeilichen Bereich ist dagegen ein sachlich und rechtlich falscher Weg."
  26. Siehe das offizielle Organ des Bundesgrenzschutzverbandes: "Die Bundespolizei" 5/2003, S. 1.
  27. Eine Änderung des BGSG erfolgte am 9. 01. 2002 (BGBl. I S. 361). Kritisch zur Antiterrorgesetzgebung: Sonja Buckel/John Kannankulam, Zur Kritik der Anti-Terror-Gesetze nach dem '11. September'. 'Sicherheit' im postfordistischen Präventionsstaat, in: "Das Argument" 244/2002, S. 34ff.
  28. Koalitionsvertrag vom 16.10.2002 zwischen SPD und Bündnisgrünen, Ziff. VIII.1.7: "Der Bundesgrenzschutz ist die Polizei des Bundes. Dies muss zukünftig auch in der Namensgebung deutlich werden. Eine Erweiterung seines Zuständigkeitsbereichs ist damit nicht verbunden."
  29. So auch die in der Zeitschrift "Die Bundespolizei" (sic!) 5/2003, S. 8 abgedruckte Stellungnahme.
  30. Zum Hintergrund des Begriffsstreits von Befürwortern der Wendung "Bundespolizei" und solchen des Begriffs "Polizei des Bundes": Wolfgang Schreiber, Aufgaben und Befugnisse des Bundesgrenzschutzes auf neuer gesetzlicher Grundlage, in: NVwZ 1995, S. 525.
  31. Andreas Fischer-Lescano, Verfassungsrechtliche Fragen der Auslandsentsendung des BGS, in: "Archiv des öffentlichen Rechts" 128 (1/2003), S. 52ff.
  32. BVerfGE 97, 198 (218).
  33. Wolfgang Hecker, Rechtsfragen der Aufgabenübertragung an den Bundesgrenzschutz, in: "Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht" 1998, S. 708.
  34. Kritisch daher auch: Matthias Schütte, Befugnisse des Bundesgrenzshutzes zu lageabhängigen Personenkontrollen, in: ZRP 2002, S. 393ff.; siehe zu diesem Thema auch die Stellungnahmen der Bundesregierung unter BT-Drucksache 14/6656 vom 09.07.2001 und BT-Drucksache 14/4353 vom 18.10.2000.
  35. Michael Ronellenfitsch, Der Bundesgrenzschutz als Bahn- und Flugplatzpolizei, in: "Verwaltungsarchiv" 90 (1999), S. 160ff.
  36. Kritik auch bei: Michael Sachs, in: ders., Grundgesetz - Kommentar, München 1996, Art. 87, Rdn. 38.
  37. Marcus Schultz, Die Auslandsentsendung von Bundeswehr und Bundesgrenzschutz, a.a.O. , S. 320; Andreas Fischer-Lescano, Verfassungsrechtliche Fragen der Auslandsentsendung des BGS, in: "Archiv des öffentlichen Rechts" 128 (1/2003), S. 52ff. (72ff.)
  38. Eckart Klein, Diskussionsbeitrag, in: Jochen Frowein/Torsten Stein (Hrg.), Rechtliche Aspekte einer Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an Friedenstruppen der Vereinten Nationen, Heidelberg 1990, S. 89.
  39. Ernst Wolfgang Böckenförde, Der verdrängte Ausnahmezustand, in: "NJW" 1978, S. 1883.
  40. Gerhard Fischer (Hrg.), 2. Aufl.; Stuttgart 1996, § 8, Rdn. 1.
  41. Siehe dazu im Hinblick auf § 8 BGSG: Marcus Schultz, Die Auslandsentsendung von Bundeswehr und Bundesgrenzschutz, a.a.O. , S. 311; Hans Lisken, in: Hans Lisken/Erhard Denninger (Hrg.), Handbuch des Polizeirechts, 2. Aufl., München 1996, Abschnitt C, Rdn. 47.
  42. Zum AWACS-Einsatz in der Türkei: Andreas Fischer-Lescano, Konstitutiver Parlamentsvorbehalt: Wann ist ein AWACS-Einsatz ein "Einsatz bewaffneter Streitkräfte"?, in: NVwZ 2003, i.E.
  43. Auch sind die leges specialis des Besatzungsrechts, die unter Umständen unterschiedslose Kontroll- und Sicherheitsmaßnahmen gegen Zivilisten und Kombattanten erlauben (siehe Art. 27 IV des IV. Genfer Abkommens), derzeit nicht anwendbar, da von einer effektiven Ausübung der Besetzungsgewalt (siehe Art. 42 der Haager Landkriegsordnung vom 18.10.1907) durch die Truppen der Koalition aus USA, GB u.a. nicht die Rede sein kann; zu Einzelheiten des Besatzungsrechts: Gasser, Die kriegerische Besetzung, in: Fleck (Hrg.), Handbuch des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, München 1994, S. 193ff., Ziff. 525ff.
  44. So auch die bei Marcus Schultz, Die Auslandsentsendung von Bundeswehr und Bundesgrenzschutz, a.a.O., S. 308, geäußerten Bedenken.
  45. So sind die Maßnahmen Rettung im Einzelfall etc. denn auch in Ziff. 81 der Verteidigungspolitischen Richtlinien des BMV unter der Überschrift "Aufgaben der Bundeswehr" aufgeführt: "Rettung und Evakuierung werden grundsätzlich in nationaler Verantwortung durchgeführt, eine Beteiligung von Verbündeten und Partnern ist jedoch möglich. Diese Aufgabe unterliegt keinen geografischen Einschränkungen und setzt die besonders schnelle Verfügbarkeit von Spezialkräften voraus."
  46. Glaubt man den Presseberichten, agiert die GSG 9 im Irak in zivil; siehe: Zivile Helfer?, in: "Junge Welt", 3.11.2003.
  47. Polizeibrief abgedruckt bei: Martin Willich, a.a.O.
  48. Dies die Formulierung von: Ignaz Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, 10. Aufl., Köln 2000, Rdn. 1829.
  49. Was natürlich nicht heißt, dass innerhalb des Anwendungsbereiches der Genfer Abkommen sehr wohl zwischen militärischen/polizeilichen Akteuren zu unterscheiden ist, da daran die Differenzierung zwischen Kombattanten und Nicht-Kombattanten festzumachen ist. Das ist nur dann anders, wenn der Staat Teile der Polizei den Streitkräften zuordnet (Art. 43 Abs. 3 ZP I; bspw. franz. Gendarmerie Nationale, italien. Carabinieri und Guardia di Publica Sicurezza, niederl. Koninklijke Maréchaussee). Auch der BGS hatte früher nach § 64 BGSG Kombattanten-Status. Diese Vorschrift wurde aber im Zuge des BGS-Neureglungsgesetzes aus dem BGSG gestrichen.
  50. BMV Peter Struck im Dezember 2002 bei der Vorstellung seines außen- und sicherheitspolitischen Konzepts. Nachweis auf der Internetseite des BMV: http://www.bmvg.de. Ist bei den 300 deutschen Soldaten im Rahmen der Operation enduring freedom schon zweifelhaft, ob sie in Afghanistan einer Verteidigung im Rechtssinn nachgehen (siehe: Christian Fischer/Andreas Fischer-Lescano, Enduring Freedom für Entsendebeschlüsse? Verfassungs- und völkerrechtliche Probleme der deutschen Beteiligung an Maßnahmen gegen den internationalen Terrorismus, in: Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, KritV 85 (2/2002), 113ff.), ist der Auftrag der ISAF in Afghanistan, in deren Rahmen 1.820 deutsche Soldaten beteiligt sind, ganz sicher kein Verteidigungseinsatz. Das gilt für seine völkerrechtliche Grundlage wie auch die konkrete Gestaltung der Operation. Deren mangelnder Verteidigungscharakter führt im Ergebnis dazu, dass sie mit dem NATO-Vertrag unvereinbar ist (hierzu: Christian Tomuschat, Christian, Der 11. September 2001 und seine rechtlichen Konsequenzen, in: EuGRZ 2001, 535ff.). Von daher ist das Bemühen des BMV zu verstehen, auch die Tätigkeit am Hindukusch als Verteidigungsoperation zu vermarkten.
  51. Wie gesagt, schweigen die BGS-Jahresberichte über Maßnahmen nach § 8 II BGSG und Maßnahmen, in die die GSG 9 involviert ist.
  52. So ermöglicht bspw. die UN Sicherheitsratsresolution 1510 (2003) vom 13. Oktober 2003 der militärischen International Security Assistance Force (ISAF), "nach Maßgabe ihrer Ressourcen die afghanische Übergangsverwaltung und ihre Nachfolger bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit in Gebieten Afghanistans außerhalb Kabuls und seiner Umgebung zu unterstützen, sodass die afghanischen Behörden ebenso wie das Personal der Vereinten Nationen und das sonstige internationale Zivilpersonal, das insbesondere mit Wiederaufbau- und humanitären Maßnahmen befasst ist, ihre Tätigkeit in einem sicheren Umfeld ausüben können, und bei der Erfüllung anderer Aufgaben in Unterstützung des Übereinkommens von Bonn sicherheitsbezogene Hilfe zu leisten". Die internationale Polizeimission im Kosovo im Rahmen der UNMIK (völkerrechtliche Grundlage siehe: UN Sicherheitsratsresolution 1244 vom 10.06.1999) und die im Rahmen dieser Mission eingesetzten deutschen PVB (im Jahr 2002 waren dies 384 Beamte von BGS und Länderpolizeien) haben ebenfalls die Aufgabe, die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Polizeibeamten werden daher grundsätzlich mit ihrer Dienstwaffe (Faustfeuerwaffe) ausgestattet, wobei die internationale Polizeikomponente mit der Wahrnehmung aller erforderlichen exekutiven Befugnisse beauftragt wurde. (siehe: Report of the Secretary-General on the United Nations Interim Administration Mission in Kosovo, 12.07.1999, UN-DOC. S/1999/779, Ziff. 60ff.; siehe auch die Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage von Mitgliedern der PDS-Fraktion, 02.08.1999, BT-Drucks. 14/1464, insbes. S. 3f.). Der Report des Generalsekretärs manifestiert auch, dass es bei den internationalen Polizeimissionen regelmäßig Probleme gibt, beide Aufgabenfelder organisatorisch zu trennen: "UNMIK civilian police will be armed. […] The special police units will also provide support for UNMIK civilian police and protect UNMIK installations. At that time, it would be preferable for any special police unit previously under KFOR command to be transferred to UNMIK authority so as to avoid two units with similar mandates in the same theatre." (ibid., Ziff. 62). Siehe auch die Stellungnahme der Bundesregierung zur Eingliederung der BGS-Beamten in die KFOR: BT-Drucks. 14/2616 vom 28.01.2000.
  53. Zu dieser Problematik: Tim Brune/Daniel Göbel, BGS und Kombattantenstatus, in: "NZWehrR" 43 (2001), S. 241ff. (244).
  54. Herfried Münkler, Die neuen Kriege, Berlin 2002, S. 33ff.
  55. Kritik daran: Andreas Fischer-Lescano, Angriff auf die Verteidigung, in: "Frankfurter Rundschau", 18.01.2003, S. 14.
  56. Martti Koskenniemi, From Apology to Utopia, Helsinki 1989, S. 6ff.
  57. Carl Schmitt, Theorie des Partisanen. Zwischenbemerkung zum Begriff des Politischen, Berlin 1963, S. 37.
  58. Niklas Luhmann, Die Politik der Gesellschaft, Frankfurt a. M. 2000, S. 334.
  59. Carl Schmitt, a.a.O., S. 92.
  60. Statt aller: Thomas Bruha, Gewaltverbot und humanitäres Völkerrecht nach dem 11. September 2001, in: "Archiv des Völkerrechts" 40 (2002), S. 383ff.; Anne-Marie Slaughter/William Burke-White, An International Constitutional Moment, in: "Harvard International Law Journal" 43 (2003), S. 1ff.
  61. Die Schule New Haven ist die wohl einflussreichste, realpolitisch inspirierte Völkerrechtsschule der Vereinigten Staaten. Hierzu und zu ihren historischen Wurzeln: Martti Koskenniemi, The Gentle Civilizer of Nations: The Rise and Fall of International Law, Cambridge 2002, S. 413ff.
  62. Vgl. aber ganz in der Tradition Carl Schmitts, natürlich unter Verzicht auf jegliche Empirie: Hlrich Haltern, der konstatiert: "Wer seine Hoffnungen auf Verrechtlichung als Antwort auf zwischenstaatliche Gewalt setzt, darf nicht übersehen, dass der verrechtlichte Staat zu grenzenloser Kriegführung gewillter war als seine Vorgänger in der Geschichte." (Haltern, Internationales Verfassungsrecht? Anmerkungen zu einer kopernikanischen Wende, AöR 128 (2003), 512ff. (542)).
  63. Kirchhof, in: Kirchhof./Isensee (Hrg.) Handbuch des Staatsrechts III, Heidelberg 1988, § 78 Rdn. 24ff.
  64. Thomas Bruha, Gewaltverbot und humanitäres Völkerrecht nach dem 11. September 2001, a.a.O., S. 383ff. (413). Wobei Thomas Bruha natürlich davon ausgeht, dass zumindest die allgemeinen Menschenrechtsstandards zur Anwendung kommen müssen.
  65. Giorgio Agambens Kritik am Umgang mit den Häftlingen von Guantanamo zielt dann darauf, dass den Häftlingen sogar allgemeine Menschenrechtsstandards verweigert werden: "Weder Gefangene noch Angeklagte, sondern bloß ‚detainees', unterliegen sie einer bloß faktischen Herrschaft, einem Gewahrsam, der nicht nur in zeitlichem Sinne sondern seinem Wesen nach unbestimmt ist, da dem Gesetz und der gerichtlichen Kontrolle entzogen. Der einzig mögliche Vergleich ist der mit der juristischen Lage der Juden in den nationalsozialistischen Lagern, die mit der Staatsbürgerschaft jede juristische Identität verloren, aber wenigstens noch die jüdische behalten hatten."(Giorgio Agamben, Der Gewahrsam. Ausnahmezustand als Weltordnung, in: "FAZ", 19.4.2003, S. 33; vgl. ders., Homo sacer. Die souveräne Macht und das nackte Leben, Frankfurt a. M. 2002, S. 175ff.).
  66. Es ist zu betonen, dass die USA bislang nur Testballons im Hinblick auf diese Strategie ausgesendet haben, denn die Rechtmäßigkeit der Intervention im Irak wurde ausschließlich mit SC Res 1441 (2002) begründet (siehe: Michael Bothe, Der Irakkrieg und das völkerrechtliche Gewaltverbot, in: AVR 2003, S. 255ff.).
  67. Gerade hier gibt es denn auch Umsetzungsprobleme, die insbesondere die nationalstaatliche Zurückhaltung bei der Pönalisierung der Geldwäsche, das Waffenembargo und die polizeiliche Zusammenarbeit betreffen; siehe nur das Schreiben des Vorsitzenden des nach UN Res. 1373 (2001) errichteten Anti-Terror-Komitees vom 31.03.2003 (UN.Doc. S/2003/404) und die hier einsehbaren Staatenberichte etc.: http://www.un.org/Docs/sc/committees/1373; vgl. auch die nützliche Zusammenstellung nichtmilitärischer Optionen und diesbzgl. Konventionen von: Finke/Wandscher, Terrorismusbekämpfung jenseits militärischer Gewalt, in: "Vereinte Nationen" 2001, S. 168ff.
  68. "Brahimi-Report", 21. August 2000, UN-DOC.: A/55/305 - S/2000/809, Ziff. 118ff., S. 20f.; abgedruckt unter: http://www.un.org/peace/reports/peace_operations; der Report ist auszugsweise dokumentiert in: "Blätter" 10/2000, S. 1266ff.; zum "Brahimi-Report" und dessen Umsetzung in der BRD: Silja Vönecky/Rüdiger Wolfrum, Die Reform der Friedensmissionen der Vereinten Nationen und ihre Umsetzung nach deutschem Verfassungsrecht, in: ZaöRV 62 (2002), S. 570ff. (579ff.).
  69. In diesem Sinn bereits der SPD-Abgeordnete Günter Graf in der aktuellen Stunde zum Namibia-Einsatz der GSG 9 am 15. September 1989, Plenarprotokolle Deutscher Bundestag, 11. Wahlperiode, 159. Sitzung, S. 12069.
  70. Siehe nur: Wolfram Wette, Der Feind im Innern. Soldaten als Polizisten?, in: Die Zeit 24/2003.
* Dr. iur, LL.M. (EUI, Florenz); der Verfasser ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Öffentliches Recht der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main, und Mitglied der Forschungsgruppe "Internationale Organisation, Demokratischer Friede und die Herrschaft des Rechts" an der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung (HSFK).
Der vorliegende Text erschien in Heft 1/2004 der Zeitschrift Kritische Justiz, S. 67-80.



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